Nach einer Woche heißen
Sommerwetters musste es ausgerechnet am Tag unserer Abfahrt regnen,
und wie! Was heißt hier regnen, es goss es aus allen Kannen.
Dies und die beginnende Feriensaison taten ein übriges, um unseren
Vorwärtsdrang zu hemmen. Ganz gleich, wie und wo die Autos und
LKW´s fuhren, ein Überholen war lebensgefährlich!
Erst ab dem Achensee wurde der Verkehr auf der Deutschen Alpenstraße
erträglicher. Kurz vor Garmisch Parthenkirchen wollten wir eigentlich
Neuschwanstein, das Traumschloß des Bayrischen Königs Ludwig
II. besichtigen. Aber wer will schon aus der klammen und feuchten
Motorradkleidung klettern? Wir nicht, wir fuhren weiter. Das Schloß
steht in ein paar Wochen oder zu einem späteren Zeitpunkt noch
immer, dann ist das Wetter vielleicht auch besser. Und so weit ist
unsere Heimatstadt Salzburg auch nicht weg, um im Zuge einer Tagestour
her zu fahren. Irgendwo im Allgäu hatte dann Andrea endgültig
genug, ihre Goretexbekleidung hatte nicht das gehalten, was ihr die
Verkäufer versprochen hatten. Sie war durchnässt bis auf
die Haut.
Tags darauf waren nur ein paar Wölkchen zu sehen und unsere Kleidung
großteils trocken. Wir nahmen die Schwarzwälder Uhrenstraße
unter die Räder und genossen die ursprünglichen Bauernhäuser
mit ihren Strohdächern, sowie die vielen Kuckucksuhren. Ein weiteres
Highlight für mich war dann die Durchfahrt in Ramstein, Schauplatz
einer der schwersten zivilen Luftfahrtskatastrophen der Nachkriegszeit.
Noch heute wird in zahlreichen Gedenksteinen der 82 Todesopfer gedacht.
Nicht, dass ich der Flugzeuge wegen gekommen war. Nein, zugleich ist
dieser Ort der Namensgeber meiner Lieblingsband, die wohl aus rechtlichen
Gründen ein zweites "m" angehängt hat. Den Locherberg
hinunter nach Oppernau hat uns dann wieder ein schleichender Reisebus
vermiest, der einen ganzen Rattenschwanz von Autos hinter sich her
zog, die - wie in Deutschland üblich - Stoßstange an Stoßstange
hinterher krochen. Es war uns unmöglich, in den dicht aufeinanderfolgenden
Kehren alle auf einmal zu überholen. Kaum über die Grenze
in Straßbourg mussten wir uns erst an die Fahrgewohnheiten der
französischen Autofahrer gewöhnen. Denn die Franzosen nützen
jeden Millimeter auf der Straße und wenn du selber nur eine
Handbreit zu lange schaust, bist du schon zweiter. Andererseits machen
sie schnelleren oder wendigeren Fahrzeugen auch sofort bereitwillig
Platz. |
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In der lothringischen
Stadt Metz gab es neben dem gotischen Dom Cathedrale St. Etienne noch
eine Reihe interessante Bauwerke zu bewundern, ist die Stadt an der
Mosel doch bereits dreitausend Jahre alt. War sogar schon in römischen
Zeiten eine der grössten gallischen Städte. Sie diente bereits
den Karolingern als Regierungssitz, deren berühmtester Vertreter
Karl der Große hier auch begraben liegt. Doch
das ist jedoch alles nichts im Vergleich zum nahegelegenen Verdun,
welches dieser Region 1916 im 1. Weltkrieg zu trauriger - ja wenn
nicht ewiger - Berühmtheit verhalf. Hier fand unter dem Decknamen
"Das letzte Gericht" die mörderischte Schlacht der
Westfront zwischen Frankreich und Deutschland statt. Rund um das Ossario
oder Beinhaus liegen an die 130.000 Soldaten begraben, auf den ehemaligen
Schlachtfeldern erkennt man sogar noch heute ehemalige Schützengräben
und Granattrichter. Die Befestigungsforts Douaumont und Vaux - einst
tödliche Fallen oder uneinnehmbare Stahlbetonklötze, je
nach Sichtweise - strahlen eine geradezu schaurige Aura aus. Hier
donnerten und heulten damals todbringende Granaten durch die Luft,
während heute eine geradezu liebliche Stille herrscht. Wenn all
die Steine doch nur reden könnten. Ohne eine einzige Kurve gings
dann 250 km schnurgerade bis Paris.
Und als wir uns der knapp 3 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt
näherten, spürten wir dies auch ohne ein einziges Hinweisschild.
Einerseits wurde das Verkehrsaufkommen immer höher und andererseits
zog das Tempo spürbar an. Plötzlich fuhren die Autos schneller
als noch 50 km zuvor auf der Landstraße. Es war, als würden
wir alle wie von einem gigantischen Strudel angezogen werden. Und
so empfand ich es auch. Paris kam mir vor wie ein gigantischer Wal,
der mit offenem Maul da lag und alles in sich aufsog. Ob man wollte
oder nicht, gegen diese Kraft konnte man nicht an. Und dann ging es
in diesen Moloch hinein, in ein Inferno aus 6-spurigen Stadtautobahnen,
auf denen scheinbar jeder außer uns wusste, wohin er wollte
oder musste. Denn die Autos brausten rechts und links an uns vorbei,
dass wir glaubten im Schritttempo zu fahren. Wechselten spontan und
ohne Vorankündigung die Fahrstreifen oder kreuzten vor Ausfahrten
halsbrecherisch sämtliche Fahrbahnen von links nach rechts. Dazwischen
wieselten Roller und Motorräder zickzack mit noch höherer
Geschwindigkeit und haarsträubenden Manövern, garniert von
ohrenbetäubendem Auspuff-Sound. Jeder deutsche oder österreichische
Polizist würde hier keine 30 Minuten überleben und den Herztod
sterben. Dank moderner Navigationstechnik führte uns das GPS
beinahe traumwandlerisch durch die engen Gassen bis vor die Tore des
Hotels. Hier blieben die Maschinen vorerst für drei Tage stehen,
denn die Stadt wollten wir zu Fuß, per Bus oder per Metro erkunden.
Allerdings wurde uns doch etwas mulmig, als wir all die dicken Ketten
bemerkten, mit denen die Pariser ihre Zweiräder sicherten. Doch
die Ängste waren unbegründet. So wie wir unsere beiden Hondas
abgestellt hatten, standen sie auch noch nach drei Tagen da. Nicht
einmal Kleinteile fehlten. |
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Zu allererst kauften
wir uns einen Stadtplan mit inkludiertem Streckennetz der öffentlichen
Verkehrsmittel und fuhren dann mit dem Bus ins Zentrum der Metropole.
Denn die Hauptstadt Paris ist nicht Frankreich. Paris ist einmalig,
ein Erlebnis für sich. Große Künstler schwärmen
davon genauso wie Modeschöpfer oder die große Schar der
namenlosen Besucher. Das
Zentrum liegt rund um die Seine-Insel Ile de la Cité, auf der
sich die gotische Kirche Notre Dame befindet. Einst Schauplatz zahlreicher
Bestattungen von Herrschern oder Hochadeligen, vor allem aber der
Krönung von Napoleon Bonaparte zum Kaiser. Besonders bekannt
wurde sie jedoch in der Neuzeit durch den Film "Der Glöckner
von Notre Dame" nach einem Roman von Victor Hugo, wo der fürchterlich
entstellte Quasimodo der Zigeunerin Esmeralda kirchliches Asyl gewährt
und sie mit allen Mitteln vor der Hinrichtung retten will. Bei Notre
Dame stiegen wir in einen der oben offenen Doppelstockbusse, welche
die meisten der Sehenswürdigkeiten anfahren. Da man willkürlich
zu- und aussteigen kann, entschlossen wir uns jeweils kurzfristig,
welche der Sehenswürdigkeiten wir uns näher ansehen wollten.
Dazu gehörte natürlich der in drei Jahren bis 1889 anläßlich
des 100. Jubiläums der Revolution erbaute 327 m hohe Eiffelturm,
das Wahrzeichen Paris. Eigentlich sollte er schon 1909 wieder abgerissen
werden, doch die einheimische Bevölkerung widersetzte sich den
Stadtpolitikern und deshalb können sich noch heute hunderttausende
Besucher daran ergötzen. In unserem Falle waren es so viele,
dass wir zweieinhalb Stunden Wartezeit in Kauf nehmen hätten
müssen, um hinauf zu kommen. Nein danke, ohne uns. |
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Nächster
Besuchspunkt waren die mehr als 70 m breite und zwei Kilometer lange
Prachtstraße Champs d´Ellisseé und der unmittelbar
angrenzende 50 m hohe Arc de Triomphe. Beides von Napoleon Bonaparte
zu Ehren seiner siegreichen Truppen in Auftrag gegeben, konnte er
selber jedoch nur mehr im Sarg durch den Triumphbogen auf dem Weg
zum nahegelegenen Invalidendom - seiner letzten Ruhestätte -
getragen werden. Weiteren interessanten Sehenswürdigkeiten wie
dem Place de la Concorde, der alten Oper, dem Invalidendom, dem Ellisseé-Palast
oder den zahlreichen Museen widmeten wir nur kurze Stippvisiten, da
eine ausgedehntere Besichtigung unseren Zeitrahmen gesprengt hätte. |
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Doch die dem byzanthinischen
Dom Hagia Sophia gleichende Kirche Sacre Ceur und das angrenzende
Künstlerviertel Montmatre standen wieder auf unserem Programm,
eher zufällig fanden wir dabei die Vergnügungslokale Pigalle
und Moulin Rouge. Allerdings
kosteten dort auf dem Place du Tertre zwei Kaffee und ein Stück
Torte sagenhafte 17,- Euro!! Dabei fristet der eigentliche Star dieser
Gegend gleich neben Sacre Ceur und dem Künstlerzentrum ein Schattendasein.
Das älteste christliche Gotteshaus von Paris, der 1147 geweihte
Tempel St.-Pierre verschwindet geradezu neben dem weithin sichtbaren,
weissen Dom. Mittlerweile genossen Andrea und ich das Bad in der Menge,
weshalb es mit der Metro ins Zentrum zu Europas wohl bekanntestem
Museum ging, den Louvre. Dieser Louvre war tatsächlich sensationell.
dabei waren wir nur im Trakt der französischen und italienischen
Künstler im 1. Stock, sowie in den Prunkräumen der französischen
Könige. Das war nicht einmal ein Viertel des gesamten Areals!
Doch zumindest die berühmte Mona Lisa konnten wir finden und
besichtigen. |
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Krönender
Abschluß des Paris-Besuchs sollte das 1682 erbaute Schloß
Versailles sein, das bis zur Revolution 1789 Regierungssitz und politisches
Zentrum Frankreichs war. Das 580 m lange Schloß ist umgeben
von einer riesigen Parkanlage, alleine der See Grand Canal ist 1,6
km lang. Wie bereits gewohnt, war beim Schloß der Bär los,
regelrechte Menschentrauben warteten auf den Einlaß zum Spiegelsaal.
Wegen des nahenden Nationalfeiertages war eine Kompanie Fremdenlegionäre
vor Ort und ließ sich mit Touristen ablichten. Wir beide sollten
dabei nicht fehlen. |
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Am
letzten Abend in Paris ging ich alleine noch auf den Friedhof Pere
Lachaise. Zum einen, um nach diesen hektischen Tagen in Paris etwas
Ruhe zu genießen und in mich zu kehren. Und zum anderen liegt
dort mein Jugend-Idol Jim Morrisson von den Doors begraben. Der Sänger
der Doors war zu einer Schaffenspause nach Paris gezogen und wurde
am 3. Juli 1971 tot in seiner Badewanne aufgefunden. Allerdings wollten
Gerüchte nie verstummen, dass er eigentlich ganz woanders während
einer Drogenparty gestorben sei, und seine Leiche nur in die Wohnung
gebracht wurde. |
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Nach
diesen drei Tagen in der Landeshauptstadt stand ein Ortswechsel auf
dem Programm. Über Evreux und Caen fuhren wir hinauf in die Normandie
an die Küste des Ärmelkanals, allerdings benötigten
wir für die Zimmersuche fast zwei Stunden, weil wegen des Nationalfeiertages
und dem damit verbundenen langen Wochenende alles belegt war. Durch
Zufall fanden wir im Ort Ver sur Mer ein nettes kleines Appartement,
ziemlich ruhig und ganz nah am Meer. Keine 200 Meter von einem der
Strände des D-Days am 6. Juni 1944 entfernt! |
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Der unmittelbare Strandabschnitt
bei uns nannte sich zu Kriegszeiten Juno-Beach und dort landeten im
Großraum Courveulles kanadische Einheiten. Im
Zuge eine Tagestour fuhren wir dann entlang der Küste und besichtigten
die ehemaligen Schlachtfelder. Beinahe in jedem Ort wurde auf den
D-Day hingewiesen. Fast überall stand ein alter englischer oder
amerikanischer Panzer, an den Stränden fanden sich noch die Reste
der deutschen Bunker. Besonders auffallend dabei war die Omaha-Beach
und hier besonders der Pointe du Hoc, wo die Amerikaner unter hohen
Verlusten eine ca. 30 m hohe Steilküste überwinden mussten.
Sogar die Granateinschläge rund um die zerstörten deutschen
Bunker, die hier Widerstandsnest 62 hießen, waren noch zu erkennen.
Noch heute kann man an derartigen Orten das unvorstellbare Leid und
Schicksal so vieler einzelner Soldaten förmlich spüren. |
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Ein weiterer Ausflug
führte uns zu dem Fotomotiv der Region, zur Felsinsel Mont St.
Michel. Leider
versandet das 708 n.Chr. gegründete Bendiktiner-Kloster auf der
kleinen Insel zusehends, sodass man schon von keiner Insel mehr reden
kann. Bei Ebbe ist überhaupt kein Wasser zu sehen, bei Flut kommt
es höchstens auf Sichtweite heran. Der französische Staat
lässt deshalb nichts unversucht, um die Sehenswürdigkeit
wieder zu fluten. Der nahegelegene Fluß Couesnon wird aus diesem
Grund in seiner Mündung mit aufwendigen Schleusen reguliert,
um das Wasser mit mehr Druck ins Meer fließen zu lassen. Man
hofft dadurch, dass das Flusswasser den Sand weiter ins Meer hinaus
spült.
Nachdem das Wetter der Jahreszeit entsprechend - es war Juli - noch
immer nicht hochsommerlich war, zogen wir einen Ortswechsel in Erwägung.
Laut SMS und E-Mail von daheim sollte es in südlicheren Gefilden
schöner, vor allem aber wärmer sein. Mangels schöner
Kurvenstrecken oder gar Berge in diesem Teil Frankreichs fuhren wir
auf der Route National, einer autobahnähnlichen Bundesstraße
ohne Maut, über Rouen Richtung Reims. Einzig bei Compiegne eine
Waldlichtung im nahen gleichnamigen Wald fanden wir eines Halts wert.
Hier sollte eigentlich der Nachbau eines Salonwagens stehen, in dem
1918 und 1940 jeweils die Waffenstillstands-Verhandlungen zwischen
Deutschland und Frankreich stattfanden. Aus irgendeinem mir nicht
bekannten Grund stand er aber nicht da. Vielleicht benötigte
er aber auch nur Restaurierungsarbeiten.
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Und weil ich schon
bei der Eisenbahn bin. Kurz vor Reims fuhren wir parallel zu einer
TGV-Strecke, das ist dieser französische Hochgeschwindigkeitszug.
Er kann bei besten topografischen Bedingungen sogar 300 km/h erreichen
und verkürzt die Fahrzeiten zwischen Paris und anderen französischen
Großstädten extrem! Aber er benötigt deswegen eine
eigene Streckenführung, auf der nur TGV-Garnituren fahren dürfen.
Mit Zäunen abgesichert und nahezu ohne Kurven. Einmal hat uns
einer überholt. Auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt sicher nicht
viel schneller als die erlaubten 110 km/h auf der Route National -
also um die 120 km/h - fuhren, war er gefühlsmäßig
mehr als doppelt so schnell wie wir.
Die
bekannteste Sehenswürdigkeit von Reims ist der Dom mit dem bezeichnenden
Namen Notre Dame du Reims. In der um 1200 erbauten Kirche wurden fast
sämtliche französischen Könige gekrönt. Uns hat
besonders die Lebendigkeit und das Flair der vorwiegend von Studenten
bewohnten Altstadt gefallen.
Langsam begannen sich am Horizont die Vogesen vor uns aufzubauen und
kurz nach St. Die begann die Steigung auf den Col du Bonhomme. Endlich
wieder richtige Kurven! Die Seitenflanken unserer Reifen bekamen nun
auch wieder Asphalt zu spüren. Kurz darauf überquerten wir
mit dem Rhein die Grenze und dann waren wir von einer Sekunde auf
die andere im Land der selbsternannten Verkehrs-Sheriffs und Möchtegern-Schuhmachers.
Den Raum zum Vordermann eng machen, dicht auffahren und Motorräder
schneiden. Genau das Gegenteil zu den lockeren Franzosen. Auf dem
Weg nach Freiburg hatten wir das Gefühl, dass alle mit dem Messer
zwischen den Zähnen unterwegs seien. "Ich komme nicht schneller
voran, weil alles steht. Also darfst du auf deinem Motorrad hier auch
nicht vorbei". "Ich fahre hier trotz erlaubten 100 km/h
nur 80, also musst du auch 80 fahren, weshalb ich mich jetzt hart
an der Mittellinie fortbewege". Vorbei war es mit dem Charme
der mitdenkenden Verkehrsteilnehmer, hier herrschte Krieg! Und ich
wurde den Verdacht nicht los, dass sich in diesem Land viele - ähnlich
wie Schuhmacher als König der Formel 1- wie ein Herrscher der
Straße fühlten. Dabei ist Schuhmacher wahrscheinlich der
einzige Deutsche, der wirklich Auto fahren kann. |
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Über die beiden
berühmtesten Seen des Schwarzwaldes - den Titi- und Schluchsee
- kamen wir nach Schaffhausen in die Schweiz. Hier
donnert der Rhein auf einer Breite von 150 Metern über eine 23
m hohe Stufe. Er bildet somit mit einer Wassermenge von 373 Kubikmetern
pro Sekunde den größten Wasserfall in ganz Europa. Allerdings
schockte mich meine Africa Twin kurz bei der Abfahrt vom dortigen
Parkplatz, das erste und einzige Mal bei dieser Reise. Sie gab keinen
Ton beim Anstarten von sich. Gottseidank waren nur die Polkabel von
der ewigen Rüttelei auf Frankreichs Straßen etwas locker
und der Fehler rasch behoben.
Immer peinlich genau auf die Geschwindigkeits-Limits zu achten - die
Schweizer Polizei ist nicht zimperlich bei den Strafen - fuhren wir
weiter über Rapperswil in den Schweizer Kanton Uri und in weiterer
Folge auf den Klausenpaß. |
Hier begann vor ca.
800 Jahren die Abnabelung der Schweiz vom Habsburger Reich, einhergehend
mit einer immerwährenden Neutralität in Europa. Nicht
weit von hier in Altdorf schoß Wilhelm Tell auf den Apfel am
Kopf seines Sohnes und in der Hohlen Gasse in Rigi bei Küssnacht
erwartete er den Vogt Gessler, um ihn zu beseitigen.
Wir hingegen genossen die endlosen Kehren hinauf auf den 1.948 m hohen
Paß am Schluß des Tales. Eine Fügung Gottes beim
Entstehen der Alpen wollte es so, dass sich in der Zentralschweiz
Tal an Tal reiht und die emsigen Schweizer nie davor zurück schreckten,
diese Täler auch zu verbinden. Deshalb folgte dem Klausen- sofort
der noch etwas höhere Susten- und diesem wiederum der 2.165 m
hohe Grimselpaß. Dies bescherte uns ein stetes Auf und Ab auf
tollen Straßen und phänomale Rundblicke von den Paßhöhen. |
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In Gletsch bogen wir
ab ins Walliser Tal, wo - etwas ungewohnt für uns Bewohner eines
Weinbaulandes - auch Wein angebaut wird. Über
den Col du Grande St. Bernhard, bekannt durch seine Hunde, die der
Legende nach schon unzähligen Menschen in Bergnot das Leben gerettet
haben sollen, kamen wir am späten Nachmittag ins Aostatal. Aber
auch der Touristennepp boomte dort oben. Stoffhunde in allen Größen
und Preisklassen wurden rund um den Gipfelsee am Hospiz feilgeboten.
Im kleinen Dorf Breuil, einem Nachbardorf des noblen Wintersportzentrums
Cervinia, verweilten wir für zwei Nächte, denn dort sollte
der Höhepunkt unserer Reise folgen. Die Auffahrt zum Rifuggio
Bontadini auf dem Plan Maison, einem Gletscher an der Rückseite
des Matterhorns auf italienischer Seite. Nachdem der Mt. Chaberton
nur mehr zu Fuß erreichbar ist, wurde diese Bergstrecke der
neue Höhepunkt jedes Enduristen, der Herausforderungen sucht. |
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Nach einem Ruhetag
gingen wir die Sache an. Andrea´s Shadow blieb in der Pension,
sie saß bei mir hinten auf. Vorerst tuckerten wir gemütlich
durch schattige Wälder, doch oberhalb der Baumgrenze änderte
sich der Zustand der Schotterpiste rapide. Der Weg wurde nun zusehends
holpriger und stieg stetig an. Bei ca. 2000 Höhenmeter mussten
wir einen ca. 300 m breiten Geröllhang queren. Der Weg war derart
schmal, dass ich Andrea vorsichtshalber absitzen ließ. Wenn
schon ein Absturz, dann nur einer von uns. Das eigentliche Kriterium
folgte aber nach dieser Querpassage. Unvermittelt dahinter folgten
drei Haarnadelkurven mit nahezu 30% Steigung und einem Kurvenradius,
dass ich fast reversieren musste. Eigentlich waren die Kurven nur
im Drift zu nehmen, aber dazu fehlte mir der Anlauf zum Schwung holen.
Trotzdem riskierte ich einen Versuch - der kläglich scheiterte.
Also stützte mich Andrea ab, damit ich beim Reversieren nicht
gegen den Kurvenaussenrand kippen würde, bzw. schob mir beim
Anfahren an. Die zweite Kurve "packte" ich sogar ohne Hilfe,
doch plötzlich stellte sich mir eine rund 50 cm hohe Steintreppe
quer über die Piste in den Weg. Nur eine schmale Fahrrine ganz
außen am Abhang war vorhanden. Zu schmal für meine dicke
Africa Twin, hier käme nur eine schmale Einzylinder oder ein
hochbeiniges Allradauto drüber. Mit einem knirschenden Laut saß
die Honda auf, das Hinterrad verlor den Grip und sie begann sich zu
neigen. Geistesgegenwärtig warf ich sie auf die Hangseite, um
nicht abzustürzen. Nun sassen wir aber richtig fest. Zu zweit
brächten wir die schwere Reise-Enduro nie und nimmer flott. Gottseidank
kamen ein paar einheimische Hard-Enduristen hinter uns herauf, die
uns halfen, mein Bike über diese haarige Stelle zu wuchten. Nach
einer Verschnaufpause und ein paar beruhigenden Zigaretten von Andrea
fuhren wir weiter. Aber immer öfter fuhr ich allein und sie ging
vor oder hinter mir her, checkte ab, ob ich weiterfahren könnte
oder stützte mich ab. Ab einer Höhe von 2.600 m fuhren wir
auf einem kaum erkennbaren Pfad am Rande eines Gletschers und nicht
nur einmal versuchte eines der Räder weg zu rutschen, weil das
Schmelzwasser des Eises zwischen den Steinen der "Straße"
gefroren war. Die letzten 300 m ging es dann auf ein kleines Gipfel-Plateau,
wo sich auf einer Höhe von 3.317 m das Rifuggio Bontadini und
auf 3.332 m die Bergstation der Plan-Maison-Seilbahn befand. Die Gletscher-Skifahrer
staunten nicht schlecht über einige behelmte Zeitgenossen und
abgestellte, laut öltickernde Enduros zwischen ihren Skiern.
Wir standen nun auf dem höchsten anfahrbaren Punkt in den Alpen,
auf 3.332 m. Nur der Pico Veleta in der spanischen Sierra Nevada ist
noch höher, aber seit dem Jahr 2000 auch schon mit einem Fahrverbot
belegt.
Im Grunde genommen war die Abfahrt für mich persönlich noch
schlimmer als die Bergfahrt, weil man in jeder engen Kehre weit draußen
am Rand tief hinunter ins Tal blickt. Außerdem schiebt das hohe
Gewicht meiner Honda extrem über die großen, lockeren Steine.
Dabei benimmt sie sich wie ein wildgewordener Mustang und ich fühlte
mich am Abend " wie vom Pferd getreten". All die vielen
extrem Africa-Twin-untauglichen Stellen passierten wir, indem auch
ich abstieg und meine Twinnie einfach über die Hindernisse rollen
ließ oder zog, bzw. von Andrea angeschoben wurde. Stellte sie
oben am Gipfel unsere Fahrt noch total in Frage und bezweifelte diesbezüglich
sogar meine Zurechnungsfähigkeit, so war sie am Nachmittag wieder
unten im Tal genauso stolz wie ich, diese mörderische Tour bestanden
zu haben. "Jetzt weiß ich, was Du unter Herausforderung
verstehst", hat sie gesagt. |
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Über
Varese und Lugano kamen wir zurück in die Schweiz und fuhren
in weiterer Folge den Gotthard-Paß. Dieser ist eine der ältesten
Paßstraßen in ganz Europa, die alte - aber offiziell gesperrte
- Tremolostraße ist sogar noch durchgehend mit Pflastersteinen
versehen. Wer Glück hat, trifft auch die alte Postkutsche, die
noch heute für bzw. mit Touristen unterwegs ist. Die große
Verkehrslawine hingegen fährt tief unten im Tal durch den Gotthard-Tunnel.
Über den Oberalppaß kamen wir dann nach Chur und fuhren
von dort nach Appenzell, der Heimat des bekannten Schweizer Käses. |
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Letzte Station unserer
Fahrt war der Bregenzer Wald, den wir von Dornbirn über das Bödele
erreichten. Statt des vielbefahrenen Arlbergpasses wählten wir
den weitaus ruhigeren Hochtannberg und kamen über das tolle,
weil verkehrsarme, Hahntennjoch ins Inntal. Nachdem Hauptsaison war,
gabs bis heim nach Salzburg kein Entrinnen. Wir mussten die gesamte
Urlauberlawine kreuzen, überholen oder ihr entgegen fahren. Tirol
ist eben das stärkste Transit-Bundesland in ganz Österreich.
Um Punkt 18 Uhr war die Operation Frankreich vorbei war. Unsere Heimat
Salzburg hatte uns wieder. |
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© Peter Winklmair |
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REISEINFORMATIONEN |
Allgemeines: |
Frankreich ist mit 544.000 m2 das größte
Land Europas, bezeichnet sich deshalb zu Recht als Grande Nation.
Allerdings leben "nur" 60 Millionen Menschen im Land, weshalb
es auch sprachlich in der EU nicht den Vortritt bekommt.
Nach wie vor ist der Diebstahl im gesamten Land ein Problem. Grundsätzlich
wird geraten, Autos generell niemals unversperrt zurück zu lassen
und keine Wertsachen darin aufbewahren. Das selbe gilt für Motorräder.
Am besten mit zusätzlichen Diebstahlsicherungen (Ketten, Bremsscheibenschlösser)
und nie ohne unversperrbares Gepäck abstellen. |
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Reisezeit: |
Von Frühling bis Herbst, weil im Norden und
Westen gemäßigtes maritimes Klima mit wenig ausgeprägten
Jahreszeiten herrscht. Im Süden (Provence, Mittelmeerküste)
hingegen herrschen lange heiße Sommer und vor allem in den Seealpen
und Pyrenäen kurze, extrem kalte Winter vor. Vor klimatischen
Kapriolen ist man allerdings im ganzen Land nie sicher. So wie wir,
als wir im Juli immer langärmelig oder mit den Innenjacken fahren
mussten. Das Quecksilber kletterte nur mühsam über die 20°-Grad-Marke,
auch bei Sonnenschein. |
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Formalitäten: |
In Zeiten der EU gibt es gottseidank keine Grenzformalitäten
mehr, einzig in die Schweiz benötigt man einen Personalausweis
oder Paß. |
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Währung: |
Nahezu in ganz Europa bereits der Euro, 1 Schweizer
Franken entspricht ca, 0,80 Euro (Stand 08/2008). |
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Verkehrshinweise: |
Frankreich: Geschwindigkeit innerorts 50 km/h,
auf Landstraßen 90 km/h, auf der Route National 110 km/ und
auf Autobahnen 130 km/h.
Schweiz: Geschwindigkeit innerorts 50 km/h,
auf Landstraßen 80 km/h und auf Autobahnen 120 km/h.
Während es die Franzosen mit der Überwachung nicht so genau
nehmen, schreitet die Schweizer Polizei hart ein und verhängt
drakonische Strafen!
Helmpflicht besteht in allen unseren bereisten Ländern, genauso
wie das Abblendlicht am Tage in allen Ländern eingeschaltet sein
muss.
Für Autobahnfahrten in der Schweiz in benötigt man ein Vignette,
in Frankreich zahlt man an Mautstationen je nach Kilometerleistung. |
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Kulinarisches: |
Gerade Frankreich ist für seine Küche weltbekannt.
Ein alter Spruch behauptet: Ein Europäer hat in der selben Zeit
schon gegessen, in der ein Franzose überlegt, welche Speise er
in wievielen Gängen zu sich nimmt.
Die berühmteste Spezialität Frankreichs ist die Bouillabaisse,
eine Fischsuppe, die die drei Fischarten Rascasse (Drachenkopf), Grondin
(Knurrhahn) und Congre (Seeaal) enthalten muß. Eine weitere
Spezialität ist die Aioli, eine mit Knoblauch abgeschmeckte Mayonaise.
Natütlich diverse Mittelmeerfische oder der Zwiebelkuchen Pissaladiera.
Groß ist die Auswahl der Weine, vor allem des hauptsächlich
in den Seealpen angebauten Rosé. Da Weine besser zur französischen
Küche passen, sollte man ruhig die verschiedenen Sorten probieren,
zudem ist hier der Wein billiger als das uns geläufige Bier. |
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Treibstoffversorgung: |
Ist problemlos und flächendeckend gesichert,
wie in Italien kann es jedoch vorkommen, daß in den Mittagsstunden
die Tankstellen in kleinen Orten geschlossen haben.
Preise für Super bleifrei (in Euro): 1,60 (Stand 7/2008). |
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Geschichtliches: |
Bereits die Römer hatten in den Galliern erbitterte Feinde
und Julius Caesar besetzte das ganze Land (. . . nur ein kleines
gallisches Dorf hoch oben im Norden . . .). Als um 750 die Karolinger
herrschten, wird das Reich der Franken - wie es damals genannt wurde
- erstmals zur stärksten Macht in Europa. Diese Stärke
hielt über die Gotik an bis zum hundertjährigen Krieg
um 1337, wurde während den Religionskriegen um 1580 aber immer
schwächer.
Erst unter Ludwig XIV. dem Sonnenkönig wurde Frankreich wieder
zur Großmacht, die französische Sprache zur Elitesprache
an Europas Herrscherhöfen. Von 1789 bis 1792 erschütterte
die Revolution das Land, ehe Napoleon Bonaparte die Landesgrenzen
bis nach Rußland, an den Balkan und bis Ägypten ausdehnte.
Obwohl Frankreich seit der Revolution demokratische regiert wurde,
schafften es bis 1870 gewählte Staatspräsidenten immer
wieder, sich zum Kaiser ausrufen zu lassen (Napoleon III.). 1870
im deutsch-französischen Krieg verlor man Elsaß-Lothringen
an das Deutsche Kaiserreich, was einen Konflikt herauf beschwor,
der bis in die Zeiten der EU dauerte. Denn nach dem 1. Weltkrieg
kam dieser Landstrich zurück an Frankreich, um im 2. Weltkrieg
wieder von Deutschland anektiert zu werden. Erst durch die Grenzöffnungen
in der Europäischen Union beruhigte sich die Situation für
die großteils deutschsprachigen Elsässer. Besonders stolz
sind die Franzosen auf die Tatsache, dass der Sturz des Nazi-Regimes
im 2. Weltkrieg durch die Landung der Alliierten an "ihrer"
Küste in der Normandie ihren Ursprung nahm. Ende der 50er Jahre
verlor Frankreich nach einer schweren Niederlage im Koreakrieg endgültig
seine Position als Weltmacht und gleichzeitig auch viele seiner
ehemaligen Kolonialstaaten wie Algerien, Tunesien oder Marokko durch
deren Unabhängigkeitserklärung.
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© Peter Winklmair |
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