Forcé • Vitessé • Cylindré
Urlaubsfahrt nach Frankreich und in die Schweiz 2008
 
Wer fährt denn bei den Spritpreisen und den bekannt hohen Lebenskosten nach Frankreich? Noch dazu in den Norden, wo die Erde noch heute eine Scheibe zu sein scheint und keine Berge "wachsen". Meine Freundin Andrea und ich fahren dorthin. Denn ein Motorrad-Urlaub soll mehr sein als nur Kilometer herunter zu spulen. Frankreich bietet eine Fülle von kulturellen und historischen Highlights - nicht nur in Paris. Und wer in den Landkarten genau hinsieht, findet auch so manches Motorrad-Schmankerl.
© Autor, Fotos und Text: Peter Winklmair
 
Nach einer Woche heißen Sommerwetters musste es ausgerechnet am Tag unserer Abfahrt regnen, und wie! Was heißt hier regnen, es goss es aus allen Kannen. Dies und die beginnende Feriensaison taten ein übriges, um unseren Vorwärtsdrang zu hemmen. Ganz gleich, wie und wo die Autos und LKW´s fuhren, ein Überholen war lebensgefährlich! Erst ab dem Achensee wurde der Verkehr auf der Deutschen Alpenstraße erträglicher. Kurz vor Garmisch Parthenkirchen wollten wir eigentlich Neuschwanstein, das Traumschloß des Bayrischen Königs Ludwig II. besichtigen. Aber wer will schon aus der klammen und feuchten Motorradkleidung klettern? Wir nicht, wir fuhren weiter. Das Schloß steht in ein paar Wochen oder zu einem späteren Zeitpunkt noch immer, dann ist das Wetter vielleicht auch besser. Und so weit ist unsere Heimatstadt Salzburg auch nicht weg, um im Zuge einer Tagestour her zu fahren. Irgendwo im Allgäu hatte dann Andrea endgültig genug, ihre Goretexbekleidung hatte nicht das gehalten, was ihr die Verkäufer versprochen hatten. Sie war durchnässt bis auf die Haut.
Tags darauf waren nur ein paar Wölkchen zu sehen und unsere Kleidung großteils trocken. Wir nahmen die Schwarzwälder Uhrenstraße unter die Räder und genossen die ursprünglichen Bauernhäuser mit ihren Strohdächern, sowie die vielen Kuckucksuhren. Ein weiteres Highlight für mich war dann die Durchfahrt in Ramstein, Schauplatz einer der schwersten zivilen Luftfahrtskatastrophen der Nachkriegszeit. Noch heute wird in zahlreichen Gedenksteinen der 82 Todesopfer gedacht. Nicht, dass ich der Flugzeuge wegen gekommen war. Nein, zugleich ist dieser Ort der Namensgeber meiner Lieblingsband, die wohl aus rechtlichen Gründen ein zweites "m" angehängt hat. Den Locherberg hinunter nach Oppernau hat uns dann wieder ein schleichender Reisebus vermiest, der einen ganzen Rattenschwanz von Autos hinter sich her zog, die - wie in Deutschland üblich - Stoßstange an Stoßstange hinterher krochen. Es war uns unmöglich, in den dicht aufeinanderfolgenden Kehren alle auf einmal zu überholen. Kaum über die Grenze in Straßbourg mussten wir uns erst an die Fahrgewohnheiten der französischen Autofahrer gewöhnen. Denn die Franzosen nützen jeden Millimeter auf der Straße und wenn du selber nur eine Handbreit zu lange schaust, bist du schon zweiter. Andererseits machen sie schnelleren oder wendigeren Fahrzeugen auch sofort bereitwillig Platz.
 
In der lothringischen Stadt Metz gab es neben dem gotischen Dom Cathedrale St. Etienne noch eine Reihe interessante Bauwerke zu bewundern, ist die Stadt an der Mosel doch bereits dreitausend Jahre alt. War sogar schon in römischen Zeiten eine der grössten gallischen Städte. Sie diente bereits den Karolingern als Regierungssitz, deren berühmtester Vertreter Karl der Große hier auch begraben liegt. Doch das ist jedoch alles nichts im Vergleich zum nahegelegenen Verdun, welches dieser Region 1916 im 1. Weltkrieg zu trauriger - ja wenn nicht ewiger - Berühmtheit verhalf. Hier fand unter dem Decknamen "Das letzte Gericht" die mörderischte Schlacht der Westfront zwischen Frankreich und Deutschland statt. Rund um das Ossario oder Beinhaus liegen an die 130.000 Soldaten begraben, auf den ehemaligen Schlachtfeldern erkennt man sogar noch heute ehemalige Schützengräben und Granattrichter. Die Befestigungsforts Douaumont und Vaux - einst tödliche Fallen oder uneinnehmbare Stahlbetonklötze, je nach Sichtweise - strahlen eine geradezu schaurige Aura aus. Hier donnerten und heulten damals todbringende Granaten durch die Luft, während heute eine geradezu liebliche Stille herrscht. Wenn all die Steine doch nur reden könnten. Ohne eine einzige Kurve gings dann 250 km schnurgerade bis Paris.
Und als wir uns der knapp 3 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt näherten, spürten wir dies auch ohne ein einziges Hinweisschild. Einerseits wurde das Verkehrsaufkommen immer höher und andererseits zog das Tempo spürbar an. Plötzlich fuhren die Autos schneller als noch 50 km zuvor auf der Landstraße. Es war, als würden wir alle wie von einem gigantischen Strudel angezogen werden. Und so empfand ich es auch. Paris kam mir vor wie ein gigantischer Wal, der mit offenem Maul da lag und alles in sich aufsog. Ob man wollte oder nicht, gegen diese Kraft konnte man nicht an. Und dann ging es in diesen Moloch hinein, in ein Inferno aus 6-spurigen Stadtautobahnen, auf denen scheinbar jeder außer uns wusste, wohin er wollte oder musste. Denn die Autos brausten rechts und links an uns vorbei, dass wir glaubten im Schritttempo zu fahren. Wechselten spontan und ohne Vorankündigung die Fahrstreifen oder kreuzten vor Ausfahrten halsbrecherisch sämtliche Fahrbahnen von links nach rechts. Dazwischen wieselten Roller und Motorräder zickzack mit noch höherer Geschwindigkeit und haarsträubenden Manövern, garniert von ohrenbetäubendem Auspuff-Sound. Jeder deutsche oder österreichische Polizist würde hier keine 30 Minuten überleben und den Herztod sterben. Dank moderner Navigationstechnik führte uns das GPS beinahe traumwandlerisch durch die engen Gassen bis vor die Tore des Hotels. Hier blieben die Maschinen vorerst für drei Tage stehen, denn die Stadt wollten wir zu Fuß, per Bus oder per Metro erkunden. Allerdings wurde uns doch etwas mulmig, als wir all die dicken Ketten bemerkten, mit denen die Pariser ihre Zweiräder sicherten. Doch die Ängste waren unbegründet. So wie wir unsere beiden Hondas abgestellt hatten, standen sie auch noch nach drei Tagen da. Nicht einmal Kleinteile fehlten.
 
Zu allererst kauften wir uns einen Stadtplan mit inkludiertem Streckennetz der öffentlichen Verkehrsmittel und fuhren dann mit dem Bus ins Zentrum der Metropole. Denn die Hauptstadt Paris ist nicht Frankreich. Paris ist einmalig, ein Erlebnis für sich. Große Künstler schwärmen davon genauso wie Modeschöpfer oder die große Schar der namenlosen Besucher. Das Zentrum liegt rund um die Seine-Insel Ile de la Cité, auf der sich die gotische Kirche Notre Dame befindet. Einst Schauplatz zahlreicher Bestattungen von Herrschern oder Hochadeligen, vor allem aber der Krönung von Napoleon Bonaparte zum Kaiser. Besonders bekannt wurde sie jedoch in der Neuzeit durch den Film "Der Glöckner von Notre Dame" nach einem Roman von Victor Hugo, wo der fürchterlich entstellte Quasimodo der Zigeunerin Esmeralda kirchliches Asyl gewährt und sie mit allen Mitteln vor der Hinrichtung retten will. Bei Notre Dame stiegen wir in einen der oben offenen Doppelstockbusse, welche die meisten der Sehenswürdigkeiten anfahren. Da man willkürlich zu- und aussteigen kann, entschlossen wir uns jeweils kurzfristig, welche der Sehenswürdigkeiten wir uns näher ansehen wollten. Dazu gehörte natürlich der in drei Jahren bis 1889 anläßlich des 100. Jubiläums der Revolution erbaute 327 m hohe Eiffelturm, das Wahrzeichen Paris. Eigentlich sollte er schon 1909 wieder abgerissen werden, doch die einheimische Bevölkerung widersetzte sich den Stadtpolitikern und deshalb können sich noch heute hunderttausende Besucher daran ergötzen. In unserem Falle waren es so viele, dass wir zweieinhalb Stunden Wartezeit in Kauf nehmen hätten müssen, um hinauf zu kommen. Nein danke, ohne uns.
 
Nächster Besuchspunkt waren die mehr als 70 m breite und zwei Kilometer lange Prachtstraße Champs d´Ellisseé und der unmittelbar angrenzende 50 m hohe Arc de Triomphe. Beides von Napoleon Bonaparte zu Ehren seiner siegreichen Truppen in Auftrag gegeben, konnte er selber jedoch nur mehr im Sarg durch den Triumphbogen auf dem Weg zum nahegelegenen Invalidendom - seiner letzten Ruhestätte - getragen werden. Weiteren interessanten Sehenswürdigkeiten wie dem Place de la Concorde, der alten Oper, dem Invalidendom, dem Ellisseé-Palast oder den zahlreichen Museen widmeten wir nur kurze Stippvisiten, da eine ausgedehntere Besichtigung unseren Zeitrahmen gesprengt hätte.
 
Doch die dem byzanthinischen Dom Hagia Sophia gleichende Kirche Sacre Ceur und das angrenzende Künstlerviertel Montmatre standen wieder auf unserem Programm, eher zufällig fanden wir dabei die Vergnügungslokale Pigalle und Moulin Rouge. Allerdings kosteten dort auf dem Place du Tertre zwei Kaffee und ein Stück Torte sagenhafte 17,- Euro!! Dabei fristet der eigentliche Star dieser Gegend gleich neben Sacre Ceur und dem Künstlerzentrum ein Schattendasein. Das älteste christliche Gotteshaus von Paris, der 1147 geweihte Tempel St.-Pierre verschwindet geradezu neben dem weithin sichtbaren, weissen Dom. Mittlerweile genossen Andrea und ich das Bad in der Menge, weshalb es mit der Metro ins Zentrum zu Europas wohl bekanntestem Museum ging, den Louvre. Dieser Louvre war tatsächlich sensationell. dabei waren wir nur im Trakt der französischen und italienischen Künstler im 1. Stock, sowie in den Prunkräumen der französischen Könige. Das war nicht einmal ein Viertel des gesamten Areals! Doch zumindest die berühmte Mona Lisa konnten wir finden und besichtigen.
 
Krönender Abschluß des Paris-Besuchs sollte das 1682 erbaute Schloß Versailles sein, das bis zur Revolution 1789 Regierungssitz und politisches Zentrum Frankreichs war. Das 580 m lange Schloß ist umgeben von einer riesigen Parkanlage, alleine der See Grand Canal ist 1,6 km lang. Wie bereits gewohnt, war beim Schloß der Bär los, regelrechte Menschentrauben warteten auf den Einlaß zum Spiegelsaal. Wegen des nahenden Nationalfeiertages war eine Kompanie Fremdenlegionäre vor Ort und ließ sich mit Touristen ablichten. Wir beide sollten dabei nicht fehlen.
 
Am letzten Abend in Paris ging ich alleine noch auf den Friedhof Pere Lachaise. Zum einen, um nach diesen hektischen Tagen in Paris etwas Ruhe zu genießen und in mich zu kehren. Und zum anderen liegt dort mein Jugend-Idol Jim Morrisson von den Doors begraben. Der Sänger der Doors war zu einer Schaffenspause nach Paris gezogen und wurde am 3. Juli 1971 tot in seiner Badewanne aufgefunden. Allerdings wollten Gerüchte nie verstummen, dass er eigentlich ganz woanders während einer Drogenparty gestorben sei, und seine Leiche nur in die Wohnung gebracht wurde.
 
Nach diesen drei Tagen in der Landeshauptstadt stand ein Ortswechsel auf dem Programm. Über Evreux und Caen fuhren wir hinauf in die Normandie an die Küste des Ärmelkanals, allerdings benötigten wir für die Zimmersuche fast zwei Stunden, weil wegen des Nationalfeiertages und dem damit verbundenen langen Wochenende alles belegt war. Durch Zufall fanden wir im Ort Ver sur Mer ein nettes kleines Appartement, ziemlich ruhig und ganz nah am Meer. Keine 200 Meter von einem der Strände des D-Days am 6. Juni 1944 entfernt!
 
Der unmittelbare Strandabschnitt bei uns nannte sich zu Kriegszeiten Juno-Beach und dort landeten im Großraum Courveulles kanadische Einheiten. Im Zuge eine Tagestour fuhren wir dann entlang der Küste und besichtigten die ehemaligen Schlachtfelder. Beinahe in jedem Ort wurde auf den D-Day hingewiesen. Fast überall stand ein alter englischer oder amerikanischer Panzer, an den Stränden fanden sich noch die Reste der deutschen Bunker. Besonders auffallend dabei war die Omaha-Beach und hier besonders der Pointe du Hoc, wo die Amerikaner unter hohen Verlusten eine ca. 30 m hohe Steilküste überwinden mussten. Sogar die Granateinschläge rund um die zerstörten deutschen Bunker, die hier Widerstandsnest 62 hießen, waren noch zu erkennen. Noch heute kann man an derartigen Orten das unvorstellbare Leid und Schicksal so vieler einzelner Soldaten förmlich spüren.
 
Ein weiterer Ausflug führte uns zu dem Fotomotiv der Region, zur Felsinsel Mont St. Michel. Leider versandet das 708 n.Chr. gegründete Bendiktiner-Kloster auf der kleinen Insel zusehends, sodass man schon von keiner Insel mehr reden kann. Bei Ebbe ist überhaupt kein Wasser zu sehen, bei Flut kommt es höchstens auf Sichtweite heran. Der französische Staat lässt deshalb nichts unversucht, um die Sehenswürdigkeit wieder zu fluten. Der nahegelegene Fluß Couesnon wird aus diesem Grund in seiner Mündung mit aufwendigen Schleusen reguliert, um das Wasser mit mehr Druck ins Meer fließen zu lassen. Man hofft dadurch, dass das Flusswasser den Sand weiter ins Meer hinaus spült.
Nachdem das Wetter der Jahreszeit entsprechend - es war Juli - noch immer nicht hochsommerlich war, zogen wir einen Ortswechsel in Erwägung. Laut SMS und E-Mail von daheim sollte es in südlicheren Gefilden schöner, vor allem aber wärmer sein. Mangels schöner Kurvenstrecken oder gar Berge in diesem Teil Frankreichs fuhren wir auf der Route National, einer autobahnähnlichen Bundesstraße ohne Maut, über Rouen Richtung Reims. Einzig bei Compiegne eine Waldlichtung im nahen gleichnamigen Wald fanden wir eines Halts wert. Hier sollte eigentlich der Nachbau eines Salonwagens stehen, in dem 1918 und 1940 jeweils die Waffenstillstands-Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich stattfanden. Aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund stand er aber nicht da. Vielleicht benötigte er aber auch nur Restaurierungsarbeiten.
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Und weil ich schon bei der Eisenbahn bin. Kurz vor Reims fuhren wir parallel zu einer TGV-Strecke, das ist dieser französische Hochgeschwindigkeitszug. Er kann bei besten topografischen Bedingungen sogar 300 km/h erreichen und verkürzt die Fahrzeiten zwischen Paris und anderen französischen Großstädten extrem! Aber er benötigt deswegen eine eigene Streckenführung, auf der nur TGV-Garnituren fahren dürfen. Mit Zäunen abgesichert und nahezu ohne Kurven. Einmal hat uns einer überholt. Auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt sicher nicht viel schneller als die erlaubten 110 km/h auf der Route National - also um die 120 km/h - fuhren, war er gefühlsmäßig mehr als doppelt so schnell wie wir.
Die bekannteste Sehenswürdigkeit von Reims ist der Dom mit dem bezeichnenden Namen Notre Dame du Reims. In der um 1200 erbauten Kirche wurden fast sämtliche französischen Könige gekrönt. Uns hat besonders die Lebendigkeit und das Flair der vorwiegend von Studenten bewohnten Altstadt gefallen.
Langsam begannen sich am Horizont die Vogesen vor uns aufzubauen und kurz nach St. Die begann die Steigung auf den Col du Bonhomme. Endlich wieder richtige Kurven! Die Seitenflanken unserer Reifen bekamen nun auch wieder Asphalt zu spüren. Kurz darauf überquerten wir mit dem Rhein die Grenze und dann waren wir von einer Sekunde auf die andere im Land der selbsternannten Verkehrs-Sheriffs und Möchtegern-Schuhmachers. Den Raum zum Vordermann eng machen, dicht auffahren und Motorräder schneiden. Genau das Gegenteil zu den lockeren Franzosen. Auf dem Weg nach Freiburg hatten wir das Gefühl, dass alle mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs seien. "Ich komme nicht schneller voran, weil alles steht. Also darfst du auf deinem Motorrad hier auch nicht vorbei". "Ich fahre hier trotz erlaubten 100 km/h nur 80, also musst du auch 80 fahren, weshalb ich mich jetzt hart an der Mittellinie fortbewege". Vorbei war es mit dem Charme der mitdenkenden Verkehrsteilnehmer, hier herrschte Krieg! Und ich wurde den Verdacht nicht los, dass sich in diesem Land viele - ähnlich wie Schuhmacher als König der Formel 1- wie ein Herrscher der Straße fühlten. Dabei ist Schuhmacher wahrscheinlich der einzige Deutsche, der wirklich Auto fahren kann.
 
Über die beiden berühmtesten Seen des Schwarzwaldes - den Titi- und Schluchsee - kamen wir nach Schaffhausen in die Schweiz. Hier donnert der Rhein auf einer Breite von 150 Metern über eine 23 m hohe Stufe. Er bildet somit mit einer Wassermenge von 373 Kubikmetern pro Sekunde den größten Wasserfall in ganz Europa. Allerdings schockte mich meine Africa Twin kurz bei der Abfahrt vom dortigen Parkplatz, das erste und einzige Mal bei dieser Reise. Sie gab keinen Ton beim Anstarten von sich. Gottseidank waren nur die Polkabel von der ewigen Rüttelei auf Frankreichs Straßen etwas locker und der Fehler rasch behoben.
Immer peinlich genau auf die Geschwindigkeits-Limits zu achten - die Schweizer Polizei ist nicht zimperlich bei den Strafen - fuhren wir weiter über Rapperswil in den Schweizer Kanton Uri und in weiterer Folge auf den Klausenpaß.
Hier begann vor ca. 800 Jahren die Abnabelung der Schweiz vom Habsburger Reich, einhergehend mit einer immerwährenden Neutralität in Europa. Nicht weit von hier in Altdorf schoß Wilhelm Tell auf den Apfel am Kopf seines Sohnes und in der Hohlen Gasse in Rigi bei Küssnacht erwartete er den Vogt Gessler, um ihn zu beseitigen.
Wir hingegen genossen die endlosen Kehren hinauf auf den 1.948 m hohen Paß am Schluß des Tales. Eine Fügung Gottes beim Entstehen der Alpen wollte es so, dass sich in der Zentralschweiz Tal an Tal reiht und die emsigen Schweizer nie davor zurück schreckten, diese Täler auch zu verbinden. Deshalb folgte dem Klausen- sofort der noch etwas höhere Susten- und diesem wiederum der 2.165 m hohe Grimselpaß. Dies bescherte uns ein stetes Auf und Ab auf tollen Straßen und phänomale Rundblicke von den Paßhöhen.
 
In Gletsch bogen wir ab ins Walliser Tal, wo - etwas ungewohnt für uns Bewohner eines Weinbaulandes - auch Wein angebaut wird. Über den Col du Grande St. Bernhard, bekannt durch seine Hunde, die der Legende nach schon unzähligen Menschen in Bergnot das Leben gerettet haben sollen, kamen wir am späten Nachmittag ins Aostatal. Aber auch der Touristennepp boomte dort oben. Stoffhunde in allen Größen und Preisklassen wurden rund um den Gipfelsee am Hospiz feilgeboten. Im kleinen Dorf Breuil, einem Nachbardorf des noblen Wintersportzentrums Cervinia, verweilten wir für zwei Nächte, denn dort sollte der Höhepunkt unserer Reise folgen. Die Auffahrt zum Rifuggio Bontadini auf dem Plan Maison, einem Gletscher an der Rückseite des Matterhorns auf italienischer Seite. Nachdem der Mt. Chaberton nur mehr zu Fuß erreichbar ist, wurde diese Bergstrecke der neue Höhepunkt jedes Enduristen, der Herausforderungen sucht.
 
Nach einem Ruhetag gingen wir die Sache an. Andrea´s Shadow blieb in der Pension, sie saß bei mir hinten auf. Vorerst tuckerten wir gemütlich durch schattige Wälder, doch oberhalb der Baumgrenze änderte sich der Zustand der Schotterpiste rapide. Der Weg wurde nun zusehends holpriger und stieg stetig an. Bei ca. 2000 Höhenmeter mussten wir einen ca. 300 m breiten Geröllhang queren. Der Weg war derart schmal, dass ich Andrea vorsichtshalber absitzen ließ. Wenn schon ein Absturz, dann nur einer von uns. Das eigentliche Kriterium folgte aber nach dieser Querpassage. Unvermittelt dahinter folgten drei Haarnadelkurven mit nahezu 30% Steigung und einem Kurvenradius, dass ich fast reversieren musste. Eigentlich waren die Kurven nur im Drift zu nehmen, aber dazu fehlte mir der Anlauf zum Schwung holen. Trotzdem riskierte ich einen Versuch - der kläglich scheiterte. Also stützte mich Andrea ab, damit ich beim Reversieren nicht gegen den Kurvenaussenrand kippen würde, bzw. schob mir beim Anfahren an. Die zweite Kurve "packte" ich sogar ohne Hilfe, doch plötzlich stellte sich mir eine rund 50 cm hohe Steintreppe quer über die Piste in den Weg. Nur eine schmale Fahrrine ganz außen am Abhang war vorhanden. Zu schmal für meine dicke Africa Twin, hier käme nur eine schmale Einzylinder oder ein hochbeiniges Allradauto drüber. Mit einem knirschenden Laut saß die Honda auf, das Hinterrad verlor den Grip und sie begann sich zu neigen. Geistesgegenwärtig warf ich sie auf die Hangseite, um nicht abzustürzen. Nun sassen wir aber richtig fest. Zu zweit brächten wir die schwere Reise-Enduro nie und nimmer flott. Gottseidank kamen ein paar einheimische Hard-Enduristen hinter uns herauf, die uns halfen, mein Bike über diese haarige Stelle zu wuchten. Nach einer Verschnaufpause und ein paar beruhigenden Zigaretten von Andrea fuhren wir weiter. Aber immer öfter fuhr ich allein und sie ging vor oder hinter mir her, checkte ab, ob ich weiterfahren könnte oder stützte mich ab. Ab einer Höhe von 2.600 m fuhren wir auf einem kaum erkennbaren Pfad am Rande eines Gletschers und nicht nur einmal versuchte eines der Räder weg zu rutschen, weil das Schmelzwasser des Eises zwischen den Steinen der "Straße" gefroren war. Die letzten 300 m ging es dann auf ein kleines Gipfel-Plateau, wo sich auf einer Höhe von 3.317 m das Rifuggio Bontadini und auf 3.332 m die Bergstation der Plan-Maison-Seilbahn befand. Die Gletscher-Skifahrer staunten nicht schlecht über einige behelmte Zeitgenossen und abgestellte, laut öltickernde Enduros zwischen ihren Skiern. Wir standen nun auf dem höchsten anfahrbaren Punkt in den Alpen, auf 3.332 m. Nur der Pico Veleta in der spanischen Sierra Nevada ist noch höher, aber seit dem Jahr 2000 auch schon mit einem Fahrverbot belegt.
Im Grunde genommen war die Abfahrt für mich persönlich noch schlimmer als die Bergfahrt, weil man in jeder engen Kehre weit draußen am Rand tief hinunter ins Tal blickt. Außerdem schiebt das hohe Gewicht meiner Honda extrem über die großen, lockeren Steine. Dabei benimmt sie sich wie ein wildgewordener Mustang und ich fühlte mich am Abend " wie vom Pferd getreten". All die vielen extrem Africa-Twin-untauglichen Stellen passierten wir, indem auch ich abstieg und meine Twinnie einfach über die Hindernisse rollen ließ oder zog, bzw. von Andrea angeschoben wurde. Stellte sie oben am Gipfel unsere Fahrt noch total in Frage und bezweifelte diesbezüglich sogar meine Zurechnungsfähigkeit, so war sie am Nachmittag wieder unten im Tal genauso stolz wie ich, diese mörderische Tour bestanden zu haben. "Jetzt weiß ich, was Du unter Herausforderung verstehst", hat sie gesagt.
 
Über Varese und Lugano kamen wir zurück in die Schweiz und fuhren in weiterer Folge den Gotthard-Paß. Dieser ist eine der ältesten Paßstraßen in ganz Europa, die alte - aber offiziell gesperrte - Tremolostraße ist sogar noch durchgehend mit Pflastersteinen versehen. Wer Glück hat, trifft auch die alte Postkutsche, die noch heute für bzw. mit Touristen unterwegs ist. Die große Verkehrslawine hingegen fährt tief unten im Tal durch den Gotthard-Tunnel. Über den Oberalppaß kamen wir dann nach Chur und fuhren von dort nach Appenzell, der Heimat des bekannten Schweizer Käses.
 
Letzte Station unserer Fahrt war der Bregenzer Wald, den wir von Dornbirn über das Bödele erreichten. Statt des vielbefahrenen Arlbergpasses wählten wir den weitaus ruhigeren Hochtannberg und kamen über das tolle, weil verkehrsarme, Hahntennjoch ins Inntal. Nachdem Hauptsaison war, gabs bis heim nach Salzburg kein Entrinnen. Wir mussten die gesamte Urlauberlawine kreuzen, überholen oder ihr entgegen fahren. Tirol ist eben das stärkste Transit-Bundesland in ganz Österreich. Um Punkt 18 Uhr war die Operation Frankreich vorbei war. Unsere Heimat Salzburg hatte uns wieder.
 
© Peter Winklmair

 
REISEINFORMATIONEN
Allgemeines:
Frankreich ist mit 544.000 m2 das größte Land Europas, bezeichnet sich deshalb zu Recht als Grande Nation. Allerdings leben "nur" 60 Millionen Menschen im Land, weshalb es auch sprachlich in der EU nicht den Vortritt bekommt.
Nach wie vor ist der Diebstahl im gesamten Land ein Problem. Grundsätzlich wird geraten, Autos generell niemals unversperrt zurück zu lassen und keine Wertsachen darin aufbewahren. Das selbe gilt für Motorräder. Am besten mit zusätzlichen Diebstahlsicherungen (Ketten, Bremsscheibenschlösser) und nie ohne unversperrbares Gepäck abstellen.
 
Reisezeit:
Von Frühling bis Herbst, weil im Norden und Westen gemäßigtes maritimes Klima mit wenig ausgeprägten Jahreszeiten herrscht. Im Süden (Provence, Mittelmeerküste) hingegen herrschen lange heiße Sommer und vor allem in den Seealpen und Pyrenäen kurze, extrem kalte Winter vor. Vor klimatischen Kapriolen ist man allerdings im ganzen Land nie sicher. So wie wir, als wir im Juli immer langärmelig oder mit den Innenjacken fahren mussten. Das Quecksilber kletterte nur mühsam über die 20°-Grad-Marke, auch bei Sonnenschein.
 
Formalitäten:
In Zeiten der EU gibt es gottseidank keine Grenzformalitäten mehr, einzig in die Schweiz benötigt man einen Personalausweis oder Paß.
 
Währung:
Nahezu in ganz Europa bereits der Euro, 1 Schweizer Franken entspricht ca, 0,80 Euro (Stand 08/2008).
 
Verkehrshinweise:
Frankreich: Geschwindigkeit innerorts 50 km/h,
auf Landstraßen 90 km/h, auf der Route National 110 km/ und auf Autobahnen 130 km/h.
Schweiz: Geschwindigkeit innerorts 50 km/h,
auf Landstraßen 80 km/h und auf Autobahnen 120 km/h.
Während es die Franzosen mit der Überwachung nicht so genau nehmen, schreitet die Schweizer Polizei hart ein und verhängt drakonische Strafen!
Helmpflicht besteht in allen unseren bereisten Ländern, genauso wie das Abblendlicht am Tage in allen Ländern eingeschaltet sein muss.
Für Autobahnfahrten in der Schweiz in benötigt man ein Vignette, in Frankreich zahlt man an Mautstationen je nach Kilometerleistung.
 
Kulinarisches:
Gerade Frankreich ist für seine Küche weltbekannt. Ein alter Spruch behauptet: Ein Europäer hat in der selben Zeit schon gegessen, in der ein Franzose überlegt, welche Speise er in wievielen Gängen zu sich nimmt.
Die berühmteste Spezialität Frankreichs ist die Bouillabaisse, eine Fischsuppe, die die drei Fischarten Rascasse (Drachenkopf), Grondin (Knurrhahn) und Congre (Seeaal) enthalten muß. Eine weitere Spezialität ist die Aioli, eine mit Knoblauch abgeschmeckte Mayonaise. Natütlich diverse Mittelmeerfische oder der Zwiebelkuchen Pissaladiera.
Groß ist die Auswahl der Weine, vor allem des hauptsächlich in den Seealpen angebauten Rosé. Da Weine besser zur französischen Küche passen, sollte man ruhig die verschiedenen Sorten probieren, zudem ist hier der Wein billiger als das uns geläufige Bier.
 
Treibstoffversorgung:
Ist problemlos und flächendeckend gesichert, wie in Italien kann es jedoch vorkommen, daß in den Mittagsstunden die Tankstellen in kleinen Orten geschlossen haben.
Preise für Super bleifrei (in Euro): 1,60 (Stand 7/2008).
 
Geschichtliches:

Bereits die Römer hatten in den Galliern erbitterte Feinde und Julius Caesar besetzte das ganze Land (. . . nur ein kleines gallisches Dorf hoch oben im Norden . . .). Als um 750 die Karolinger herrschten, wird das Reich der Franken - wie es damals genannt wurde - erstmals zur stärksten Macht in Europa. Diese Stärke hielt über die Gotik an bis zum hundertjährigen Krieg um 1337, wurde während den Religionskriegen um 1580 aber immer schwächer.
Erst unter Ludwig XIV. dem Sonnenkönig wurde Frankreich wieder zur Großmacht, die französische Sprache zur Elitesprache an Europas Herrscherhöfen. Von 1789 bis 1792 erschütterte die Revolution das Land, ehe Napoleon Bonaparte die Landesgrenzen bis nach Rußland, an den Balkan und bis Ägypten ausdehnte. Obwohl Frankreich seit der Revolution demokratische regiert wurde, schafften es bis 1870 gewählte Staatspräsidenten immer wieder, sich zum Kaiser ausrufen zu lassen (Napoleon III.). 1870 im deutsch-französischen Krieg verlor man Elsaß-Lothringen an das Deutsche Kaiserreich, was einen Konflikt herauf beschwor, der bis in die Zeiten der EU dauerte. Denn nach dem 1. Weltkrieg kam dieser Landstrich zurück an Frankreich, um im 2. Weltkrieg wieder von Deutschland anektiert zu werden. Erst durch die Grenzöffnungen in der Europäischen Union beruhigte sich die Situation für die großteils deutschsprachigen Elsässer. Besonders stolz sind die Franzosen auf die Tatsache, dass der Sturz des Nazi-Regimes im 2. Weltkrieg durch die Landung der Alliierten an "ihrer" Küste in der Normandie ihren Ursprung nahm. Ende der 50er Jahre verlor Frankreich nach einer schweren Niederlage im Koreakrieg endgültig seine Position als Weltmacht und gleichzeitig auch viele seiner ehemaligen Kolonialstaaten wie Algerien, Tunesien oder Marokko durch deren Unabhängigkeitserklärung.

 
© Peter Winklmair