Aufkeimendes Interesse
am Fahren abseits befestigter Straßen und eine stete Zunahme
von Enduros im Fuhrpark des Clubs gegen Ende der 80er Jahre teilten
die Meinungen der Mitglieder stark auseinander. Die
Enduristen wollten ins Gelände, während sich die Straßenfahrer
plötzlich von deren Routenwahl ausgeschlossen sahen. Seit jeher
wurde gemeinsam gefahren, plötzlich gab es verschiedene Routen
bei den Ausfahrten. Doch dieser allgemeine Enduro-Boom hatte auch
seine Schattenseiten. Zunehmende Streckensperren im benachbarten Ausland
- von Österreich und Deutschland ganz zu schweigen - führten
dazu, dass immer ausgefallenere Ziele gesucht wurden. Und unsere Mitglieder
scheuten sich dabei nicht, bei der Anreise zum gewünschten Ziel
die Sitzbank der eigenen Maschine mit dem Sessel eines Flugzeuges
zu tauschen. Vor Ort leihte man sich dann kleine, handliche Geländemaschinen
aus und fuhr rund um die Insel. Oder wählte einen fixen Standort,
um von demselben in Form von Tagesfahrten die Gegend kennen zu lernen.
Dabei kristallisierten sich Kissamos Kastelli, Matala oder der Großraum
Rethimnon (Bali bzw. Platanas) als Favoriten heraus.
So
eine Enduro-Flugwoche hatte obendrein den Vorteil, dass auch mal Mitglieder
ohne eigene Enduro ins Gelände fahren konnten. Und wer dies eben
nicht wollte, hatte auf der Insel zig Varianten, auf befestigten Straßen
durch die Landschaft zu kurven. Außerdem bestand die Möglichkeit,
evtl. die Frau oder Freundin mitzunehmen (dies kam jedoch seltener
vor). Mit unserem ehemaligen Six-Days-Werkfahrer von KTM Gatsch Weber
hatten wir einen Befürworter par excellence für derartige
Enduro-Flugreisen und obendrein einen prima Lehrmeister in Sachen
Motorradbeherrschung im Gelände.
Flogen
anfangs noch einige wenige Mitglieder zusammen nach Kreta, wuchs das
Interesse der anderen jedoch stetig. Nicht zuletzt aufgrund von deren
Erzählungen und zahlreichen tollen Fotos. Gegen Ende der 90er
Jahre wurde ein Höhepunkt erreicht, als 1999 gleich 12 Mitglieder
zusammen wegflogen. Diese Zahl wurde später nie wieder erreicht.
Die Schattenseite war aber auch die Tatsache, dass derart viele Personen
entsprechend viele Interessen zeigten. Die "Puristen" sahen
sich plötzlich mit mehreren kulturell interessierten Teilnehmern
konfrontiert, genauso wie mit solchen, die einfach nur Spaß
in einer Urlaubswoche wollten. Eine
Aufsplittung auf mehrere Fahrgruppen war die unweigerliche Folge.
Im neuen Jahrtausend gab es daraufhin manchmal drei Enduro-Weeks in
einem Jahr, wobei sich pro Flugreise jeweils passende Interessensgemeinschaften
bildeten. Aber auch andere Flugziele wie die Inseln Karpathos, Samos
oder gar das türkische Taurusgebirge taten sich auf. Heute haben
sich die Flüge auf einen Termin Anfang Mai in der Größenordnung
von 5 bis 6 Personen eingependelt.
Bei diesen Flugreisen blieben wir von "Sturzbechern" leider
nicht verschont. Ein Sturzbecher im Sinne des MSC ist eine Lenker-Bodenberührung
sowohl während der Fahrt, als auch beim Stillstand des Fahrzeugs
mit darauf sitzendem Fahrer, also ein Sturz oder Umfaller im herkömmlichen
Sinne (Anm. des Verfassers). Der Fahrer ist daraufhin verpflichtet,
allen Teilnehmern der Fahrt, vor allem aber den Zeugen dieses Vorfalls
eine Runde Hochprozentiges zu spendieren.
Diese Sturzbecher gingen nicht immer glimpflich aus, einige endeten
sogar mit empfindlichen Blessuren. Aber nicht wegen der Stürze
selber, sondern weil die spitzen Steine auf Kretas Bergen auch bei
relativ geringem Tempo gleich tiefe Fleischwunden zufügen. Auch
Gevatter Plattfuß ließ uns nicht ungeschoren, und die
Montiereisen samt Flickzeug gehörten zur Standardausrüstung
jeder Fahrt.
Dafür
entschädigten wunderschöne Strecken in abgelegene Dörfer
oder auf Almen, die nur von Hirten und deren Herden besiedelt waren.
Der höchste Berg auf Kreta, der Psiloritis mit rund 2.000 m,
wurde ebenso bezwungen - manchmal sogar noch schneebedeckt - wie wir
die Lassiti-Hochebene durchstreiften. Dass man im Zuge solcher Touren
auf einsame, menschenleere Strände trifft, und dort trotz etwas
frühlingshafter Temperaturen (wir flogen zumeist im April) ins
Wasser steigt, braucht nicht extra erwähnt zu werden.
Auch die Wahl der Bikes konnte nicht unterschiedlicher sein. Während
die "Faulen" auf eher großvolumige Maschinen mit 400
ccm und E-Starter zurückgriffen, wählten die "Harten"
Motorräder mit maximal 250 ccm und Kickstarter. Aber
egal ob 125 ccm oder 600 ccm, jeder hatte seinen speziellen Fun-Effekt.
Apropos Fun-Effekt: der kam ganz besonders am Abend beim gemütlichen
Beisammensitzen in einer gemütlichen Taverne bei einem oder mehreren
Amstel- oder Mithos-Bieren. Und nicht selten waren zu fortgeschrittener
Stunde so manche Augen rotgefärbter als die untergehende Sonne
im Meer. Da wurde so manche Anekdote geschrieben, über die unsere
Mitglieder noch heute lachen, auch wenn sie gar nicht dabei waren.
Unter anderem wetteten Gatsch und Mandi um einen Haarschnitt, den
Gatsch Mandi dann auch verpaßte. Dabei diente eine Katze als
Modell. Mandi sah darauf dem Vieh derart ähnlich, dass er nach
der Rückkehr auf dem Salzburg Airport nicht erkannt wurde. Und
unsere Club-Haus- und Hoffriseurin Christa Mösenbichler bei ihren
anschließenden Reparaturversuchen meinte "da ist Hopfen
und Malz verloren".
Oder
als das Flugzeug wegen starken Windes in Heraklion nicht landen durfte
und nach Athen umgeleitet wurde. Am Rollfeld in Athen - auf den Weiterflug
wartend - leerte Spargel eine Flasche Cognac mit Cola und wollte daraufhin
den Piloten zum Starten nötigen ("der Größere
und Stärkere bin i"). Die Polizei wollte ihn fast schon
verhaften, als wir aussteigen mußten und die Abflughalle verfrachtet
wurden. Dort hat dann Spargel seinen Dampf ausgeschlafen. Wer mehr
über solche Anekdoten wissen möchte, findet diese auf unserer
CD "25 Jahre MSC St. Leonhard".
Auf
alle Fälle sind und waren diese Enduro-Flugwochen eine Mischung
aus Urlaub, purem Endurospaß und kulturellen sowie historischen
Highlights. Und mittlerweile leistet sich unsere Weltenbummler und
Globetrotter Volker Grohmann sogar den Luxus, dass er mit der eigenen
Maschine via Italien und griechischem Festland mit diversen Fähren
nach Kreta übersetzt, dort mit der Leih-Enduro über die
Insel fährt - und anschließend auf demselben Weg wieder
zurückkehrt! |
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© Peter Winklmair |
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