Endurofahren auf der Insel Kreta
Die einwöchigen Enduro-Weeks - vornehmlich auf die Insel Kreta nach Griechenland - haben im MSC St. Leonhard eine lange Tradition.
Das hat folgende Gründe:
© Autor, Fotos und Text: Peter Winklmair
 
Aufkeimendes Interesse am Fahren abseits befestigter Straßen und eine stete Zunahme von Enduros im Fuhrpark des Clubs gegen Ende der 80er Jahre teilten die Meinungen der Mitglieder stark auseinander. Die Enduristen wollten ins Gelände, während sich die Straßenfahrer plötzlich von deren Routenwahl ausgeschlossen sahen. Seit jeher wurde gemeinsam gefahren, plötzlich gab es verschiedene Routen bei den Ausfahrten. Doch dieser allgemeine Enduro-Boom hatte auch seine Schattenseiten. Zunehmende Streckensperren im benachbarten Ausland - von Österreich und Deutschland ganz zu schweigen - führten dazu, dass immer ausgefallenere Ziele gesucht wurden. Und unsere Mitglieder scheuten sich dabei nicht, bei der Anreise zum gewünschten Ziel die Sitzbank der eigenen Maschine mit dem Sessel eines Flugzeuges zu tauschen. Vor Ort leihte man sich dann kleine, handliche Geländemaschinen aus und fuhr rund um die Insel. Oder wählte einen fixen Standort, um von demselben in Form von Tagesfahrten die Gegend kennen zu lernen. Dabei kristallisierten sich Kissamos Kastelli, Matala oder der Großraum Rethimnon (Bali bzw. Platanas) als Favoriten heraus.
So eine Enduro-Flugwoche hatte obendrein den Vorteil, dass auch mal Mitglieder ohne eigene Enduro ins Gelände fahren konnten. Und wer dies eben nicht wollte, hatte auf der Insel zig Varianten, auf befestigten Straßen durch die Landschaft zu kurven. Außerdem bestand die Möglichkeit, evtl. die Frau oder Freundin mitzunehmen (dies kam jedoch seltener vor). Mit unserem ehemaligen Six-Days-Werkfahrer von KTM Gatsch Weber hatten wir einen Befürworter par excellence für derartige Enduro-Flugreisen und obendrein einen prima Lehrmeister in Sachen Motorradbeherrschung im Gelände.
Flogen anfangs noch einige wenige Mitglieder zusammen nach Kreta, wuchs das Interesse der anderen jedoch stetig. Nicht zuletzt aufgrund von deren Erzählungen und zahlreichen tollen Fotos. Gegen Ende der 90er Jahre wurde ein Höhepunkt erreicht, als 1999 gleich 12 Mitglieder zusammen wegflogen. Diese Zahl wurde später nie wieder erreicht. Die Schattenseite war aber auch die Tatsache, dass derart viele Personen entsprechend viele Interessen zeigten. Die "Puristen" sahen sich plötzlich mit mehreren kulturell interessierten Teilnehmern konfrontiert, genauso wie mit solchen, die einfach nur Spaß in einer Urlaubswoche wollten. Eine Aufsplittung auf mehrere Fahrgruppen war die unweigerliche Folge.
Im neuen Jahrtausend gab es daraufhin manchmal drei Enduro-Weeks in einem Jahr, wobei sich pro Flugreise jeweils passende Interessensgemeinschaften bildeten. Aber auch andere Flugziele wie die Inseln Karpathos, Samos oder gar das türkische Taurusgebirge taten sich auf. Heute haben sich die Flüge auf einen Termin Anfang Mai in der Größenordnung von 5 bis 6 Personen eingependelt.
Bei diesen Flugreisen blieben wir von "Sturzbechern" leider nicht verschont. Ein Sturzbecher im Sinne des MSC ist eine Lenker-Bodenberührung sowohl während der Fahrt, als auch beim Stillstand des Fahrzeugs mit darauf sitzendem Fahrer, also ein Sturz oder Umfaller im herkömmlichen Sinne (Anm. des Verfassers). Der Fahrer ist daraufhin verpflichtet, allen Teilnehmern der Fahrt, vor allem aber den Zeugen dieses Vorfalls eine Runde Hochprozentiges zu spendieren.
Diese Sturzbecher gingen nicht immer glimpflich aus, einige endeten sogar mit empfindlichen Blessuren. Aber nicht wegen der Stürze selber, sondern weil die spitzen Steine auf Kretas Bergen auch bei relativ geringem Tempo gleich tiefe Fleischwunden zufügen. Auch Gevatter Plattfuß ließ uns nicht ungeschoren, und die Montiereisen samt Flickzeug gehörten zur Standardausrüstung jeder Fahrt.
Dafür entschädigten wunderschöne Strecken in abgelegene Dörfer oder auf Almen, die nur von Hirten und deren Herden besiedelt waren. Der höchste Berg auf Kreta, der Psiloritis mit rund 2.000 m, wurde ebenso bezwungen - manchmal sogar noch schneebedeckt - wie wir die Lassiti-Hochebene durchstreiften. Dass man im Zuge solcher Touren auf einsame, menschenleere Strände trifft, und dort trotz etwas frühlingshafter Temperaturen (wir flogen zumeist im April) ins Wasser steigt, braucht nicht extra erwähnt zu werden.
Auch die Wahl der Bikes konnte nicht unterschiedlicher sein. Während die "Faulen" auf eher großvolumige Maschinen mit 400 ccm und E-Starter zurückgriffen, wählten die "Harten" Motorräder mit maximal 250 ccm und Kickstarter. Aber egal ob 125 ccm oder 600 ccm, jeder hatte seinen speziellen Fun-Effekt. Apropos Fun-Effekt: der kam ganz besonders am Abend beim gemütlichen Beisammensitzen in einer gemütlichen Taverne bei einem oder mehreren Amstel- oder Mithos-Bieren. Und nicht selten waren zu fortgeschrittener Stunde so manche Augen rotgefärbter als die untergehende Sonne im Meer. Da wurde so manche Anekdote geschrieben, über die unsere Mitglieder noch heute lachen, auch wenn sie gar nicht dabei waren.
Unter anderem wetteten Gatsch und Mandi um einen Haarschnitt, den Gatsch Mandi dann auch verpaßte. Dabei diente eine Katze als Modell. Mandi sah darauf dem Vieh derart ähnlich, dass er nach der Rückkehr auf dem Salzburg Airport nicht erkannt wurde. Und unsere Club-Haus- und Hoffriseurin Christa Mösenbichler bei ihren anschließenden Reparaturversuchen meinte "da ist Hopfen und Malz verloren".
Oder als das Flugzeug wegen starken Windes in Heraklion nicht landen durfte und nach Athen umgeleitet wurde. Am Rollfeld in Athen - auf den Weiterflug wartend - leerte Spargel eine Flasche Cognac mit Cola und wollte daraufhin den Piloten zum Starten nötigen ("der Größere und Stärkere bin i"). Die Polizei wollte ihn fast schon verhaften, als wir aussteigen mußten und die Abflughalle verfrachtet wurden. Dort hat dann Spargel seinen Dampf ausgeschlafen. Wer mehr über solche Anekdoten wissen möchte, findet diese auf unserer CD "25 Jahre MSC St. Leonhard".

Auf alle Fälle sind und waren diese Enduro-Flugwochen eine Mischung aus Urlaub, purem Endurospaß und kulturellen sowie historischen Highlights. Und mittlerweile leistet sich unsere Weltenbummler und Globetrotter Volker Grohmann sogar den Luxus, dass er mit der eigenen Maschine via Italien und griechischem Festland mit diversen Fähren nach Kreta übersetzt, dort mit der Leih-Enduro über die Insel fährt - und anschließend auf demselben Weg wieder zurückkehrt!
 
© Peter Winklmair