Libyen -
Land des Durstes und der Wüstenwunder
Es war so eine von den Reisen, in deren Vorfeld bis zu acht Mitglieder des MSC St. Leonhard mitfahren wollten. Und wie immer bei solchen Projekten fiel einer nach dem anderen mit unterschiedlichen Begründungen aus. Am Schluß blieben vier Mann übrig, von denen dann zwei nicht mit nach Libyen fuhren, sondern in Tunesien blieben. Zuletzt fuhr unser "Wüstenfuchs" Robert zusammen mit einem Freund des Clubs in Ghadafis Staat.
© Autor und Text: Peter Winklmair, Fotos: Robert Rieser
 
Hart ziehen behende Finger an den Bremshebeln und unbarmherzig treten in massives Leder gehüllte Beine auf die Fußbremsen. Grund dieser Notbremsung ist ein rund 30 Meter hoher Felsabbruch auf einem vermeintlich topfebenen Hochplateau direkt vor unseren Rädern, der unseren Vorwärtsdrang nach fast 400 km Pistenfahrt abrupt hemmt.



Felsabbrüche auf den Hochplateaus.
Während sich der Staub langsam legt, kommen verschwitzte Gesichter unter den Helmen zum Vorschein. Hier geht es jedenfalls nicht weiter. Nach ein paar beruhigenden Zigarettenzügen unserer Raucher beginnen wir mit dem Orten der Lage. Müssen wir umkehren oder finden wir einen anderen Weg? Nach einigem Suchen, was mehrere Kilometer Auf- und Abfahrt entlang der Kante bedeutet, glaubt Robert einen Abstieg gefunden zu haben. Allerdings in Form einer steilen Sanddüne, die sich im Laufe der Jahrzehnte langsam den Abhang hinaufgeschoben hat, auf deren Rücken wir die Abfahrt wagen können. Und die "Fahrt" hinunter sollte ein erster Vorgeschmack dessen sein, was wir ein paar Tage später dann mitten in der libyschen Sahara noch erleben sollten. Zuerst jedoch entladen wir in praller Sonne die Motorräder und werfen das Gepäck die Düne hinunter, denn nur mit unbeladenen Maschinen kann der Abstieg in Angriff genommen werden. Dann tasten wir uns bergab, immer darauf achtend, daß das Hinterrad mehr belastet wird als das vordere. Ein Köpfler mit anschließendem Salto wäre unweigerlich die Folge. Doch einer nach dem anderen kommt heil herunter, und anschließend schlagen wir etwas beruhigt unser Nachtquartier auf.




Akakusgebirge.

Doch bevor es zu dieser abenteuerlichen Fahrt gekommen war, wollten einige Hürden überwunden werden, über ein Jahr dauerten Planung und Vorbereitung. An alles mußte gedacht werden: Zusatztanks für die Maschinen, stabile Gepäcksträger, Wasserbehälter, Werkzeug, Ersatzteile, Impfungen, Satellitennavigationssysteme und vieles mehr. Als wir dann um die Einreisevisa und die arabische Übersetzung der Pässe ansuchten, begann die große innere Unruhe, wir nennen das Reisefieber. Wie immer, wenn eine große Fahrt ins Unbekannte bevorsteht. Freunde brachten uns und die Enduros per PKW und Anhänger zum Hafen von Genua; dann eine ruhige Überfahrt. Ja, nicht einmal die nervenaufreibende Einreiseprozedur in Tunis konnte uns wirklich erschüttern. Tunesien durchfuhren wir in zwei Tagen, einzig die wunderschönen Moscheen in Kairouan, einer der vier heiligen Städte des Islam, und das riesige römische Theater in El Djem, befanden wir eines Haltes wert. Dann Ras Ajdir, die tunesisch-libysche Grenze, Abschied von Hans und Volker, das Abenteuer nahm konkrete Formen an. Schlagartig änderte sich alles uns bisher vertraute, nur mehr arabische Hinweistafeln und Verkehrszeichen, aber auch keine Einheimischen mehr, die mindestens einer Fremdsprache mächtig sind. Auch wenn es nur die paar Worte: "Hallo, wie geht´s? Kommen und gucken, kost´ fast nix, machen gute Preis" sind. Die Formalitäten an der Grenze hingegen dauerten überraschend nur drei Stunden. Freundliche Zöllner ließen uns in Ruhe alle notwendigen Papiere ausfüllen, kontrollierten die arabischen Übersetzungen unserer Pässe und zu guter Letzt bekamen unsere motorisierten Untersätze bis auf weiteres ein arabisches Kennzeichen aufmontiert. Die Temperatur lag bei angenehmen 30° C im Oktober.



Die Oase Ghadames.
Über Nalut bis zur alten maurischen Stadt Ghadames - schon seit Urzeiten Drehscheibe des Karawanenhandels - ging es flott dahin auf vorzüglich ausgebauten Asphaltstraßen, nur hie und da unterbrochen von den in Nordafrika üblichen Straßenkontrollen. Und Ghadames war wirklich sehenswert, kein Massentourismus, kein Nepp, nur die einheimische Bevölkerung und ihre ureigensten Gewohnheiten. Allerdings erwischte es unglücklicherweise gleich zu Beginn der Reise Walter, im benachbarten Ägypten würde man diese Krankheit "die Rache des Pharaohs" nennen, und wir verloren gleich mehrere wertvolleTage. Durch den Flüssigkeitsverlust wird der menschliche Körper derart geschwächt, daß wir an ein Weiterfahren vorerst nicht einmal zu denken wagten. Schließlich war unser Kamerad soweit bei Kräften, daß es weitergehen konnte und es erfolgte endlich der erste Pisteneinstieg von Darj über die Plateaustrecke nach Idri. Kilometerlang, ja stundenlang fuhren wir bei rund 80 km/h nahezu im Formationsflug dahin. Ein Hintereinanderfahren auf der harten staubigen Piste hätte die Nachfolgenden unweigerlich in eine Staubwolke gehüllt und die Sicht auf Null herabgesetzt. Und die Augen offenhalten muß man immer und überall, zahlreiche Querrinnen stellen eine eminente Gefahr dar. Wenn man mit dem Vorderrad ungebremst in eine dieser knie tiefen Rinnen kommt, bedeutet dies unweigerlich einen Sturz, der leider nicht immer glimpflich verläuft. Nach dem Brunnen Bir Rimit verließen wir die durch lose Steinhügel oder leere Fässer markierte Plateaupiste und schlugen uns südlich in den Erg Awbari. Ein letzter Blick zurück auf die uns mittlerweile so vertraut gewordenen Wegweiser, dann mußten wir uns endgültig an die unendliche Stille der weiten Sahara gewöhnen. Als Orientierung dienten uns von nun an nur der Kompaß und das GPS (Global Positioning System). Eben bis zu eingangs erwähntem Felsabbruch.




Piste Dari-Idri.

Tags darauf stoßen wir auf ein Weichdünenfeld und kämpfen uns mühsam von Düne zu Düne. Die Dünen sind zwar nicht allzu hoch, dennoch graben sich unsere Motorräder permanent bis zur Achse ein. Umfahren ist meist nicht möglich und so schaffen wir nur 10 km Luftlinie, während auf dem Tacho 50 km anstehen. Ein großes Problem stellt das Gewicht unserer Boliden dar. Obwohl sie eher zur Kategorie der Leichtgewichte gehören, bringen sie es mit Zusatztanks, Wasser und Gepäck auf rund 300 kg. Ein weiteres Problem stellen die Fech-Fech - Weichsandfelder - dar, in denen die Maschinen in voller Fahrt bei ca. 80 km/h unvermittelt einsinken und abrupt zum Stillstand kommen. Ein Abflug für den Fahrer über den Lenker ist die unweigerliche Folge. So ein Einsinken bedeutet zumeist eine mittlere Katastrophe. Nicht nur für den Betroffenen, der ein paar Minuten benötigt, um sich vom Schock des Überschlages zu erholen. Der oder die nachfolgenden müssen nun in der Nähe des Fech-Fech ebenfalls anhalten, um zu helfen, während die vorausfahrenden oft erst nach einiger Zeit dahinterkommen, daß kein Motorrad mehr nachkommt. Jetzt heißt es umkehren und zurückfahren, man will die Kameraden ja nicht alleine lassen. Mittlerweile wird das bis über beide Räder eingesunkene und steckengebliebene Motorrad "abgeräumt", das heißt entladen. Komplett! Parallel dazu wird das Vorderrad freigeschaufelt, das ganze bei rund 45° C - ohne Schatten. Unser Trinkwasserverbrauch steigt exorbitant. Nun wird vorsichtig angefahren, vereintes Ziehen und Schieben, gemeinsames Fluchen - und nicht immer von Erfolg gekrönt! Dann heißt es weitergraben, solange bis die Fuhre flott kommt. Das Motorrad wird soweit aus dem Weichsand gefahren, bis es ohne einzusinken auf griffigem Sand stehenbleibt. Dies können zehn, fünfzig, aber auch hundert Meter sein. Anschließend kann wieder beladen werden, alles muß fest sitzen, nichts darf wackeln oder rutschen und endlich geht es weiter. Gegenseitig helfen wir uns beim Anfahren, nur der letzte - zumeist auch erfahrendste - ist sich selber überlassen. Tja, wenn man Pech hat und sich in einem riesigen Fech-Fech-Feld befindet, beginnt die eben beschriebene Prozedur schon nach ein paar Minuten aufs Neue. Doch wir haben Glück, nach und nach wird es felsiger.



Robert vor einer der Dünen.
Am Brunnen Hassi Nahia ergänzen wir unsere Wasservorräte, durch die ewige Buddelei haben wir mehr als errechnet verbraucht. Bis jetzt haben alle unsere GPS-Daten von Hinweisen oder Brunnen exakt gestimmt, doch in weiterer Folge tauchen vermehrt Diskrepanzen auf. Autospuren führen kreuz und quer in alle Himmelsrichtungen, nur nicht südöstlich, wo wir hinwollen. Auch einige Felsformationen liegen nicht dort, wo wir sie lt. Kartenmaterial oder Positionsdaten sein sollten. Das zehrt an den Nerven und belastet unsere Freundschaft, vor allem abends. Denn in der Dämmerung heißt es möglich rasch die Zelte aufzubauen, das Essen zuzubreiten und dann legen wir uns mangels geeigneten Freizeitangebotes zumeist hundemüde gleich aufs Ohr. Während die einen gleich schlafen wollen, bevorzugen die anderen noch ein Schwätzchen.
Wir beschließen am nächsten Tag, stur einer der uralten LKW-Spuren zu folgen. Sie endet nach 50 km im Nichts! Also umkehren zum Ausgangspunkt und eine andere Spur versuchen. Doch immer wieder stehen wir an unüberwindlichen Abhängen oder in einem Talschluß. Langsam neigen sich die Vorräte dem Ende. Unsere Benzinvorräte reichen noch für 150-200 km und das Wasser maximal 3-4 Tage! Robert - unser alter Wüstenfuchs - schlägt folgendes vor: In seinen Aufzeichnungen ist eine Militärstation samt Position eingetragen, keine Tagesetappe entfernt. Der folgende Tag bringt uns zwar in der richtigen Himmelsrichtung voran, aber wir finden nach wie vor keine eindeutigen Spuren oder Markierungen zu dieser Miltärbasis. Nach rund 25 km ein kleines Holzschild mit arabischen Buchstaben darauf. Nur die Kilometerangaben können wir entziffern: 20. Doch wo ein Schild ist, da sind auch Menschen, Wasser und vielleicht Sprit. Eine kurze Peilung mit dem GPS und Robert meint, daß dies ein Wegweiser zur Militärtstation sein müsse, daß wir es bald erreichen würden. Und die GPS-Daten haben nicht gelogen, tatsächlich finden wir diesen einsamen Militärstützpunkt. Die Soldaten sind über diese willkommene Abwechslung derart erfreut, daß sie jedem von uns gleich 50 Liter Sprit schenken! "Tourist" steht groß und deutlich unter der Quittung für den Soldaten, faktisch der Schenkungsurkunde. Wasser gibt es auch in Hülle und Fülle aus einem 30 Meter tiefen Brunnen, wo wir es zuerst heraufholen und dann - wie jedes Wasser in der Wüste - sorgfältig mittels Tabletten entkeimen müssen. Hocherfreut, daß es doch einen Ausweg aus einer möglicherweise prekären Lage gab und ob dieser Flut an notwendigen Flüssigkeiten wechseln flugs Kugelschreiber und Zigaretten ihre Besitzer. Trotzdem genehmigen wir uns noch zwei Tage Erholung in dieser faszinierenden Einsamkeit.




Felsbogen.

Mit den ausreichenden Benzinvorräten kommen wir nun frisch gestärkt locker nach Idri und schaffen auch relativ problemlos die 100 km lange Dünenstrecke nach Maknusa. In einer Jugendherberge in der Nähe von Ubari legen wir einige Ruhetage ein, auch die Motorräder brauchen etwas Wartung. Leider sind wir zeitlich schon sehr arg in Verzug. Zuerst Walters Krankheit und dann die kleine Odyssee im Erg Awbari. Die Weiterfahrt zum Wau-an-Namus-Krater wird sich nicht mehr ausgehen, zumal wir jetzt schon bei mehr als der Halbzeit unserer Reise angelangt sind.



Der Um El Mah, einer der Mandaraseen.
Aber zu den berühmten Mandaraseen inmitten der Wüste müssen wir unbedingt fahren. Hier macht auch das Dünenfahren Spaß, da das Gepäck in der Unterkunft zurück bleibt. Die rund 30 km lange Zufahrt zu den Seen finden wir aufgrund vieler Spuren relativ problemlos, bei der Rückfahrt hingegen hat der Wind die Spuren ziemlich verwischt und wir müssen uns voll konzentrieren. Aber dieser Anblick wird uns ewig in Erinnerung bleiben, als wir am Ufer des Sees Um-el-Mah (Mutter des Wassers) stehen, in blitzblaues Wasser blicken und in der Spiegelung die bis zum Ufer heranreichenden Dünen sehen. Ein Wunder der Natur in einem Land, wo Wasser kostbarer und vor allem teurer ist als Benzin (der Liter kostet 6 Cent!). Insgesamt soll es zwischen 10 und 15 Seen geben, die Anzahl richtet sich nach dem Grundwasserspiegel. Wir fanden nur drei, zwei z.Z. ausgetrocknete und eben den Um-el-Mah. Dessen sehr salzhaltiges Wasser schreckt nicht nur die gefürchteten Bilharziose-Würmer ab, sondern lädt uns sogar zum Sprung ins kühle Naß ein. Das Gefühl ist nicht zu beschreiben, wenn man bei knapp 50° C kopfüber mitten in der Sahara ins kühle Naß springt.
Durch die vorangegangenen Tage des Zeitvergeudens wagen wir definitiv nicht mehr den Einstieg zur 800 km langen Wau-an-Namus-Piste und machen uns auf den Rückweg Richtung Norden. Rasch verändert sich das Gelb des Sandes in ein Steingrau und je weiter wir uns der Küste nähern, desto grüner wird die Landschaft. Auch die südliche Hitze wird im Norden von einer frischen Brise abgelöst. Vorbei an Tripolis kommen wir zu den alten römischen Ausgrabungen von Sabrata.




Römische Ausgrabungen in Leptis Magna.

Tripolis war bis 146 v.Chr. karthagisch und nach dessen Fall Hauptstadt der römischen Provinz Tripolitanien. Durch die Isolation des Landes von der westlichen Welt entstand hier in den letzten Jahren keine typische Touristenkultur. Entsprechend unbehelligt können wir durch den Soukh (Markt) spazieren, vollkommen unbehelligt genießt man diese einzigartige orientalische Stimmung, die so vielen Bazaren verloren gegangen ist. Schon immer waren die Moschee und der Bazar Zentren für Kommunikation, Handel und Politik in den Städten des Orients. Und gerade hier verspüren wir einen Hauch davon, als wir uns durch enge verwinkelte Gassen treiben lassen, manchmal schummrig, aber immer quirlig, laut und voller seltsamer, uns unbekannter Gerüche. Dazwischen ein Teehaus, eine Garküche und natürlich die unzähligen Werkstätten, wo man den Handwerkern bei der Arbeit zusehen kann.
In Sabrata befinden sich wunderschön erhaltene römische Ruinen, die in ihren Ursprüngen teilweise auf die Phönizier zurückführen. Das gewaltige Theater war ein Geschenk von Septimus Severus an seine Heimatstadt, nachdem er zum Röm. Kaiser ernannt wurde. Und von der Empore hat man einen herrlichen Blick auf die total mosaikbesetzten Portale der justinianischen Kirche. Den guten Zustand verdanken die Ruinen dem Umstand, daß sie jahrhundertelang vom Sand verweht unsichtbar für jedes Forscher- aber auch Plündererauge verdeckt lagen. Erst Mussolinis Truppen in der Zwischenkriegszeit legten die Ausgrabungen frei, um die libysche Küste ihren Landsleuten touristisch zu erschließen.



Windhose vor uns auf der Piste.
Dann geht es über die Grenze zurück nach Tunesien, eine ganz andere Welt öffnet sich wieder. Man kann den Tourismus förmlich spüren, beängstigend aufdringlich sind die Händler und "Führer" durch Soukhs und Bazare. Dieses Land ist überlaufen von Touristen, auch um diese fortgeschrittene Jahreszeit und die Einheimischen wollen eigentlich immer und überall nur Geld abzocken. Welch gravierender Unterschied zu Libyen! Mit Wehmut denken wir an die stillen Abende vor dem Zelt in der Libyschen Sahara, an den klaren Himmel mit Sternen zum Anfassen nahe.
Die letzten Tage nützen wir in Gabes, der einzigen Oase am Meer mit weit über 100.000 Palmen zum Entspannen, wobei Ausflugsfahrten zum größten Salzsee Nordafrikas, dem Chott El Cherid und nach Matmata zu den Höhlenmenschen - Drehort der kultigen "Star-Wars"-Trilogie - nicht fehlen dürfen. Dort treffen wir auch wieder auf unsere beiden Freunde, die nicht mit nach Libyen eingereist waren. Dann geht es heimwärts. Italien empfängt uns noch herbstlich warm, doch spätestens am Gardasee wird uns bewußt, was Herbst in Mitteleuropa heißt und über die Alpen ist es bereits bitter kalt.
Aber wir werden wiederkommen, so es der Wille Allahs sei!
Allah Akbar (Allah ist groß)! Aber seine Wege sind verschlungen.
 
© Peter Winklmair

 
REISEINFORMATIONEN
Die »Große Sozialistische Libysche Arabische Volksdjamahahirja«, wie Libyen im vollen Wortlaut heißt, liegt an der afrikanischen Mittelmeerküste zwischen Ägypten und Tunesien. Hauptstadt ist Tripolis. Das Land hat ca. 5 Mill Einwohner, 90% davon in Küstenregionen. Mit rund 1,8 Millionen qm2 ist Libyen so groß wie Deutschland, Dänemark, England, Italien, Griechenland, Schweiz, Österreich und die Beneluxstaaten zusammen! Allerdings sind über 90% dieses Gebietes Wüste.
 
Anreise:
Mit dem eigenen Fahrzeug ist der kürzeste Weg über das Meer von Genua/Italien oder Sizilien durch Tunesien. Auf dem Luftweg kann nur bedingt eingereist werden, Grund ist das Flugembargo der UN nach dem Lockerby-Attentat.
Da es im Sommer tagsüber zu heiß ist und im Winter die Tage zu kurz bzw. die Nächte empfindlich kalt sind, empfiehlt sich als Reisezeit der Frühling oder Herbst.
 
Einreise:
Reisepaß (muß mindestens noch 6 Monate gültig sein) zusätzlich ein Visum (wird von der jeweiligen Libyschen Botschaft ausgestellt), sowie eine arabische Übersetzung des Reisepaßes und der Kfz-Papiere.
Bei der Einreise muß man am Grenzübergang zusätzlich eine Haftpflichtversicherung für Libyen abschließen, erhält dafür ein arabisches Kennzeichen. Neuerdings wird eine Einreise nur mehr für Reisegruppen gestattet.
 
Verkehrsvorschriften:
Wir konnten nicht in Erfahrung bringen, ob es eine zwingende Sturzhelmpflicht gibt, raten aber jedem Reisenden in eigenem Interesse, auch in der Wüste nicht auf den Kopfschutz zu verzichten!
Tempolimits: innerorts 50 km/h, Überland 85 km/h, auf Schnellstraßen 100 km/h.
Ein eigenes Kapitel sind die libyschen Straßen, die eine vortreffliche Asphaltqualität aufweisen. Uns ist kein nordafrikanisches Land mit besseren Straßen aufgefallen. Anfangs stellen auch die arabischen Buchstaben auf den Hinweistafeln ein Problem dar, man hat aber schnell den Dreh heraus. Auf Pisten und in der Wüste gibt es - wenn überhaupt - nur auf großen Kreuzungen oder in Oasen Hinweistafeln.
Häufigstes Fahrzeug neben Pickups sind hauptsächlich alte französische PKW der Marke Peugeot in teilweise desolatem Zustand. Wie überhaupt infolge einer fehlenden technischen Überwachung die abenteuerlichsten Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Vor allem die Landbevölkerung bedient sich hauptsächlich des Kamels als Fortbewegungsmittel. Vorsicht also bei Fahrten in der Dämmerung!
 
Treibstoff und Pannen:
Entlang der asphaltierten Straßen gibt es flächendeckend Benzin, wenn auch nicht immer hochoktaniges. Abseits der befestigten Wege, auf Pisten oder in der Wüste muß man jede Möglichkeit zum Tanken nutzen. Man sollte auf alle Fälle das Motorrad speziell für eine Wüstenfahrt präparieren, also mit größerem Tank (oder Zusatztanks) zwecks Erhöhung der Reichweite, verstärkte Gepäckträger usw. versehen.
Ein modernes japanisches Motorrad kann nicht überall gewartet oder gar repariert werden. Allerdings findet man in jeder Oase "Werkstätten", die ansäßigen Mechaniker sind wahre Künstler, wenn es zu improvisieren gilt.. Und wie in allen südlichen Ländern kann jeder kleine Dorfschmied helfen und wird es auch gerne gegen entsprechendes Bakschisch tun.
Der Sprit ist in Libyen ausgesprochen günstig.
 
Unterkünfte:
Man kann in Libyen recht günstig leben, vorausgesetzt man erwartet nicht europäischen Standard. Den gibt´s nämlich nur in Tripolis. Campingplätze finden sich auch keine, also schläft man immer und überall in Gottes Natur, vielleicht nicht unbedingt mitten auf einer Piste oder in einem Wadi.
 
Kulinarisches:
Eine typische libysche Küche ist uns nicht untergekommen, zudem waren wir ja großteils Selbstversorger außerhalb der Oasen. Aber immer wieder finden sich auf den Hauptstraßen "Hendl-Bratstationen" oder Kebab-Grills, hier "Schavurma" genannt. Als häufigste Speise entdeckten wir Hammelragout mit Reis. Auch Nudeln mit einer undefinierbaren Fleischsauce sind als Einheitsgericht in einfachen Restaurants üblich.
Nahezu überall bekommt man den typischen Grüntee mit Minze oder einen starken süßen Kaffee arabischer Zubereitung serviert. Alkoholische Getränke jedweder Art haben wir nie zu Gesicht bekommen.
 
Geschichte:
Die Felsmalereien im Akakusgebirge datieren die Forscher mit 9000 v.Chr., die älteste geschichtliche Erwähnung erfolgte 1500 v.Chr., als ein Volk mit pferdebespannten Streitwagen sich die benachbarten Ägypter vom Leib hielt. Eine erste Hochblüte erfolgte als griechische, bzw. phönizische Provinz. Später wurde Libyen karthagisch und nach den punischen Kriegen Teil des römischen Imperiums. Durch die langen Küsten zum Mittelmeer wechselten auch entsprechend die herrschenden Mächte: Byzanthinier, Mauren und bis 1911 die Osmanen. In diesem Jahr überfielen 34.000 Mann des italienischen Heeres die 7000 Besatzungssoldaten des türkischen Heeres und nahmen Libyen unter die italienische Flagge. Mit unerbittlicher Grausamkeit wurden die Stämme in die Wüste zurückgedrängt, um Lebensraum für Italiener zu schaffen. Besonders berühmt wurde das Land jedoch im Zweiten Weltkrieg, als es Schauplatz unzähliger Schlachten um Tobruk, der Cyrenaika und Benghasy zwischen den Armeen des deutschen Feldmarschalls Rommel und des allierten Generals Montgomerey wurde. Schon 1949 beschlossen die Vereinten Nationen, Libyen als eigenständigen Staat zu akzeptieren und 1951 war es das erste saharische unabhängige Land Nordafrikas. Mit den ersten Erdölfunden 1959 folgte ein wirtschaftlicher Aufschwung und unter Muammar al-Ghadafi 1969 eine wirtschaftliche Festigung. Zwar wurden Ghadafi mehrmals terroristische Kontakte nachgesagt, auch der Bombenanschlag auf eine Boeing 747 über dem englischen Ort Lockerby wird seinen Schergen zugeschrieben, konnten seine politische Position aber nie schwächen. Daran änderte auch ein US-Bombenangriff auf Tripolis 1986 und ein Handelsembargo nichts.
 
Kartenmaterial:
Libyen 1:3500.000 (Map of Socialistic Libyan Arab Jamahahirja)
Tunesien 1:500.000
Russische Militärkarten 1:1.000.000 (erhältlich bei Därr/München).
© Peter Winklmair