Juni-Feldzug nach Polen 2012
Seit 11.45 Uhr wird hindurch gefahren
Wie schon bei meiner ersten Polenreise 2009 wurden wir dumm angesprochen, als wir unsere Urlaubspläne kundtaten. Wohin? Nach Polen? Wollt ihr wirklich ohne fahrbare Untersätze zurückkehren? Kennt ihr nicht den Spruch: "Machen Sie Urlaub in Polen, ihr Motorrad ist schon hier"? Doch mittlerweile kann ich das Gegenteil bestätigen. Nichts, rein gar nichts kam uns abhanden. Im Gegenteil. Eine beispiellose Freundlichkeit empfing uns, und nicht nur weil zeitgleich die Fußball-EM in Polen stattfand. Auch wenn uns aus historischer Sicht so manch kriegerische Ereignisse unterkamen.
© Autor, Fotos und Text: Peter Winklmair
 
Wegen des Trubels um die EM umfuhren wir bewusst die großen Städte - soll heißen die Austragungsorte - und waren daher mehr in ländlichen Gebieten unterwegs. Was uns zugleich vor Gesicht führte, dass nicht alle Bevölkerungsschichten vom EU-Beitritt Polens bisher profitieren konnten. Ich werde im Laufe dieser Geschichte noch darauf zurück kommen.
Kurz nach der mährischen Industriestadt Ostrava überquerten wir die Grenze nach Polen und näherten uns einer Stadt, die noch vor nicht allzu langer Zeit - damals noch unter deutscher Bezeichnung - weltweit traurige Berühmtheit erlangte. Natürlich wollten auch wir dieses Städtchen mit dem Namen Oswieczim besichtigen.
 
In der Stadt Oswieczim befindet sich heute das staatliche Museum Auschwitz, in welchem zwischen 1940 und 1945 das größte Konzentrationslager des NS-Regimes war. Als der Lagerkomplex von Auschwitz nach dem Krieg zu einer Gedenkstätte umgewidmet wurde, beschränkte man sich auf das Kerngebiet des Stammlagers. Große Teile des Geländes wurden ausgegrenzt und vom polnischen Militär in anderer Form genutzt. Das Häftlingsaufnahmegebäude wurde zum Empfangszentrum umgebaut, wodurch seine ursprüngliche Funktion heute völlig unkenntlich ist. Das Krematorium mit Öfen und Gaskammern wurde rekonstruiert, der ehemalige Haupteingang zum Lager mit dem zynischen Motto "Arbeit macht frei" befindet sich mittlerweile innerhalb des Lagerbereichs. Dem Besucher wird aber nicht eindeutig genug vermittelt, dass die eigentliche Stätte des Völkermords drei Kilometer entfernt in Auschwitz-Birkenau lag. Zudem wird "offiziell" kein Eintritt verlangt. Inoffiziell dürfen sich jedoch nur Gruppen in Begleitung eines zu bezahlenden Guides rund um die Uhr frei bewegen. Individualbesucher ohne entsprechende Begleitung haben erst ab 15 Uhr freien Eintritt. So umgehen die polnischen Behörden jeden Vorwurf, sie könnten aus den Leiden der damals Inhaftierten finanziellen Gewinn schlagen und aus dem KZ eine Art Disney-World für Kriegsverbrechen führen.
Ursprünglich war das KZ Auschwitz wegen seiner "günstigen verkehrstechnischen Lage" nur als Quarantäne- und Durchgangslager für verhaftete polnische Staatsangehörige geplant, erst später wurde daraus das größte Vernichtungslager des Holocaust. Der erste Transport erfolgte im Juni 1940 mit politischen Gefangenen, anfangs wurden hauptsächlich Oppositionelle und Intellektuelle interniert. Ursprünglich für 10.000 Personen geplant, wurde 1944 mit rund 18.500 eine Höchstzahl an Häftlingen im Stammlager ermittelt. Und das Fassungsvermögen fast um das Doppelte überzogen.
Alle "Neuzugänge" mussten ihre Privatsachen abliefern. Die Häftlinge wurden geduscht, geschoren, fotografiert und registriert; auf dem linken Unterarm wurde die Häftlingsnummer eintätowiert. Sie erhielten Holzpantoffel und gestreifte Häftlingsanzüge, auf denen sie durch verschiedene Winkelsymbole gekennzeichnet wurden. Unter den Inhaftierten war die Sterblichkeit sehr groß. Ursachen waren Unterernährung, mangelhafte Hygiene, Krankheit, Schwerstarbeit, aber auch Misshandlungen oder medizinische Versuche. Nach Schätzungen sind deshalb alleine im Stammlager insgesamt bis zu 70.000 Menschen ums Leben gekommen. Gegen Ende des Krieges wurde ein Großteil der Gefangenen von den NS-Wachmannschaften in Gewaltsmärschen Richtung Westen getrieben. Als das Stammlager im Januar 1945 von der Roten Armee erreicht wurde, fanden die Befreier nur mehr rund 1200 bis auf die Knochen abgemagerte Häftlinge vor; in Auschwitz-Birkenau waren 5800 Gefangene zurückgeblieben. Dennoch verstarben noch viele dieser befreiten Häftlinge in den folgenden Tagen.
Meine beiden Reisebegleiter Robert und Gerhard sowie ich kamen uns beim Rundgang recht befangen vor. Denn wir waren eine der ganz wenigen deutschsprechenden Besucher an diesem Tag und wurden von den zahlreichen polnisch, vor allem aber englisch sprechenden Gruppen regelrecht angestarrt. Offensichtlich gilt Deutsch noch immer als Synonym für das Böse, besonders an solchen Orten. Unsere späte Geburt bewahrte uns somit nicht vor den Vorurteilen der anderen nicht deutschsprechenden Besucher.
 
Und noch viel schlimmer wurde dieses Unbehagen, als wir anschließend zum ehemaligen Lager Birkenau fuhren. Schon von weitem ist dieses markante Tor zu erkennen, durch welches der vollbesetzte Zug einfuhr und welches uns aus so vielen Dokumentationen dieser Epoche geradezu geläufig ist. Ansonsten blieb vom ursprünglichen Lager nicht viel stehen, lediglich ein paar Baracken und die Bahnsteige wurden rekonstruiert. Mit einem wahrlich beklemmenden Gefühl verließen wir diesen schaurigen Ort, an dem insgesamt ca. 1,1 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben und fuhren weiter Richtung Przemysl.
Dabei fuhren wir durch den polnischen Teil des Tatra-Gebirges. Als Bewohner eines Alpenlandes von großartigen Steigungen, tollen Kehren und imposanten Ausblicken verwöhnt, fährt man hier leider nur durch eine etwas hügelige Landschaft. Sämtliche Hochpunkte oder Gipfel der Tatra sind ausschließlich mit technischen Aufstiegshilfen wie Seilbahnen oder dergleichen erreichbar. Das war für uns doch eine etwas herbe Enttäuschung. Da half auch nicht, dass wir die Hauptverkehrswege mieden und zumeist auf kleinen Nebenstrecken unterwegs waren
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Die malerische Grenzstadt Przemysl war bis 1918 ein österreichisch-ungarischer Garnisons-Stützpunkt Galiziens, der mit vielen Fortifikationen rund um die Stadt abgesichert wurde. Zudem blieb der historische Altstadtkern in beiden Weltkriegen weitgehend unbeschädigt. Entsprechend heimisch fühlten wir uns deshalb hier, denn die Bauweise vieler alter Häuser konnte ihre Herkunft nicht verleugnen. Sie ähnelte frappant den Bauweisen der früheren K.u.K.-Metropolen Wien, Budapest oder Prag.
Einige der insgesamt 15 österreichischen Forts sind noch halbwegs intakt, je nachdem ob sie später vom polnischen Militär genutzt wurden oder eben nicht. Allerdings sind sie allesamt inzwischen wild überwuchert und nur sehr schwer zu finden. Ganz im Gegensatz zu einem ehemaligen Wehrmachts-Bunker unmittelbar vor unserem Hotel im Zentrum der Stadt, der im 2. Weltkrieg offensichtlich die Ufer des träge dahin fließenden San sichern sollte.
 
In weiterer Folge führten uns die Navigationshilfen in Richtung Norden. Nahezu parallel zur ukrainischen Grenze fuhren wir dahin. Einen möglichen Grenzübertritt vermieden wir jedoch tunlichst, weil die Grenzer wegen der zeitgleich stattfindenden Fußball-EM recht penibel kontrollierten. Was wiederum unnötig lange Grenzaufenthalte nach sich gezogen hätte.
Aber auch auf polnischer Seite war das Fahren - besonders auf 2 Rädern - ein Erlebnis. Manch auf der Karte eindeutig als Landstraße gekennzeichnete Route ging ohne Vorwarnung in einen derben Schotterweg über, was vor allem unseren Goldwing-Fahrer Gerhard arg ins Schwitzen brachte. Und manchmal endete derselbe Weg mitten in einem Bauernhof. Aber gerade dies sind Momente, die das Salz in der Suppe ausmachen. Denn wie erklärt man einer polnischen Landwirtsfamilie - die weder englisch oder gar deutsch versteht - wohin man im Grunde will? Die in Anbetracht der vollbepackten japanischen Motorräder in schierer Ehrfurcht erstarrt? Aber - ist Polen nicht auch Mitglied der EU? Sieht nicht gerade ganz Europa auf dieses Land wegen der Fußball-EM? Na, hier jedenfalls haben sie von dem ganzen Trubel noch nicht viel mitbekommen.
 
Zudem fuhren wir nun immer öfter durch endlose - für Polen typische - Alleen. Die schönsten übrigens befinden sich allesamt im Seengebiet der Masuren, dem früheren Ostpreußen. Sie dienten ursprünglich zum Schatten spenden der Straßenbenützer, früher meist den marschierenden Soldaten der preußischen Armeen, und verhinderten im Winter Schneeverwehungen. Die heutigen Straßenplaner Polens schielen aber schon oft über die Grenzen und holzen die Allen - vor allem auf den großen Transitrouten - gnadenlos ab, um wie in unseren Breitengraden bereits üblich die Straßen massiv zu verbreitern.
Auch die für Polen so markanten Storchennester sahen wir nun immer häufiger. Es gibt Dörfer, in denen nahezu jedes Haus mit einem Nest beschmückt ist. Aber mit einem Märchen muss hier und jetzt Schluss gemacht werden: Bekanntlich soll der Storch ja die Babys bringen. Aber wie soll das funktionieren, wenn sich alle Störche zur selben Zeit hier in Polen aufhalten?
 
Einen weiteren Beweis, dass eine EU-Mitgliedschaft noch lange keinen Wohlstand für alle Bevölkerungsschichten bedeutet, erhielten wir kurz vor unserem Tagesetappenziel Mielnik in Mittelpolen. In Anbetracht fehlender Brücken über den Strom Bug machten wir uns auf die Suche nach einer entsprechenden Fähre. Dass die Zufahrt wieder einmal in eine heftige Offroadpartie ausartete, erfreute zwar mich und Robert auf unseren Reise-Enduros, aber Gerhard auf der Goldwing büßte erneut viele Sünden ab. Die Krönung aber war, dass zwei Mann diese Fähre händisch (!!) entlang eines Stahlseiles über den Fluss zogen und überdies auch kein Geld verlangten! Schließlich seien sie Staatsangestellte und würden dafür bezahlt. Wir gaben ihnen je 10 Zloty Trinkgeld, worauf sie uns fast die Stiefel küssten. Schließlich bedeutet dies für sie umgerechnet 2 Bier pro Mann.
 
In weiterer Folge näherten wir uns nun immer mehr dem berühmten Seengebiet mit dem klingenden Namen Masuren. Bis 1945 übrigens hieß diese Region Ostpreußen und war bis 1918 gar ein eigenes Königreich innerhalb des deutschen Staatenbundes. Wir schlugen unser Quartier im kleinen Städtchen Gizycko zwischen den beiden Seen Niegocin und Niedzkie auf.
Besonders interessant ist die Drehbrücke über einen Kanal mitten durch die Stadt, der die beiden Seen miteinander verbindet. Jeweils zu festgelegten Zeiten wird die durchgehende Hauptstraße gesperrt, damit die mittels per Hand betätigte Brücke gedreht werden kann, um Schiffe passieren zu lassen. Leider schlug auch zur selben Zeit das Wetter um und die regnerischen Abschnitte pro Tag wurden zuerst immer länger und dann immer häufiger. Von hier starteten wir nun unsere Tagesausflüge.
 
Am Stadtrand von Gizycko befindet sich zudem die Festung Boyen aus dem 1. Weltkrieg. Berühmt wurde sie in der Schlacht um Tannenberg 1914 durch den Brief des Kommandanten Busse an die russischen Belagerer, in dem er sich für die versehentliche Verwundung dreier Parlamentarier entschuldigte. Aber die Aufforderung zur Kapitulation mit den Worten "für mich und meine tapfere Besatzung als im höchsten Grade beleidigend" zurück wies. Ihren heutigen guten Zustand verdankte die Festung der späteren Nutzung als Kaserne für das polnische Militär, bzw. als Geflügelfarm oder Champignonzucht.
Unser erstes Ausflugsziel führte uns über teils recht abenteuerlich anmutende Landstraßen ins Dorf Gyrloz nahe Ketrzyn, das in deutschen Zeiten Görlitz nahe Rastenburg hieß. Vielleicht mögen diese beiden Namen so manchem noch immer nichts bedeuten, aber bei "Wolfschanze" müsste es dann klingeln. Denn "Wolfschanze" war der Tarnname für ein militärisches Führungsstabs-Lagezentrum der deutschen Wehrmacht sowie eines der Führerhauptquartiere Hitlers während des Zweiten Weltkrieges.
Die 1940 erbaute "Wolfschanze" war ein Bunkersystem von Quartieren, in denen die Gefechtsstände der meisten Stäbe untergebracht waren. Sie wurde oberirdisch in einem dichten Wald gebaut und durch nichtbrennbare Tarnnetze gegen Sicht von oben geschützt. Insgesamt ließen die Nationalsozialisten auf dem Gebiet ca. 100 verschiedene Objekte und Gebäude errichten. Es existierten drei schwer bewachte Sperrkreise, für die man jeweils Passierscheine benötigte. Die Sicherung war offensichtlich jedoch nicht streng genug, um den Bomben-Attentäter des 20. Juli 1944 - Graf von Stauffenberg - abhalten zu können. Die Wachoffiziere des innersten Sperrkreises hatten nämlich keine Befugnis zu Durchsuchungen an ranghöchsten Offizieren. Seit 1992 markiert eine Gedenktafel in Form eines aufgeschlagenen Buches mit geborstenem Rücken die Stelle, wo an besagtem Tag der Anschlag auf Hitler in einer Besprechungsbaracke fehlschlug.
Als 1945 die Rote Armee anrückte, wurden viele Objekte teils von der abziehenden Wehrmacht gesprengt, teils von den Russen. In den folgenden 10 Jahren mussten hier ca. 54.000 Minen entschärft werden!! Seit 1959 können die Überreste der Bunker begangen werden und sind mittlerweile eine Touristenattraktion in den Masuren. Dennoch herrscht noch heute in der ganzen Anlage eine beklemmende Stimmung, nicht nur wegen des dichten Waldes, der die Betonteile zunehmend überwuchert. Vor allem wegen der Tatsache, dass so viele verbrecherische Befehle von diesem Ort ausgegangen sind, die schlussendlich Millionen Todesopfer gefordert haben.
Aber Polens Tourismus-Maschinerie lässt nichts unversucht, derartige Orte wie Disney-World zu vermarkten. So warten Studenten in Kampfanzügen gekleidet im Areal auf Besucher, die sich in speziell präparierten, sogenannten MG-Nestern - bekleidet mit einer Nazi-Offiziersmütze und dem markanten Ledermantel - hinter einer MG-Attrappe fotografieren lassen können. Eine seltsame Form von Nebenverdienst für das Studium.
 
Anschließend besuchten wir noch das etwa 30 km entfernte Mikolajki am Sniardwy-See, ein regelrechtes Touristenzentrum. Das Leben dort spielt sich ausschließlich zwischen den Lokalitäten an den Anlegestellen und den Segelbooten ab. Einsetzender Regen ließ uns vorzeitig nach Gizycko zurückfahren.
Das anhaltende Schlechtwetter verbunden mit gerade mal zweistelligen Tagestemperaturen nutzten wir nunmehr zu Bootsausflügen auf den Dobersee zur berühmten Kormoran-Kolonie (Wyspa Kormoranow) oder zu einem weiteren Ausflug nach Mikolajki, diesmal mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Allerdings versprachen die Wetterfrösche baldige Besserung.
Kaum hatte sich tags darauf die Wetterlage gebessert, setzten wir unsere Reise in nordwestlicher Richtung fort. Dabei kamen wir am Denkmal von Tannenberg im Ort Grunwald, auf polnisch Stepark, vorbei. Es erinnert zum einen an die Schlacht bei Tannenberg (1410) während der Litauerkriege des Deutschen Ordens und zum anderen an die Tannenbergschlacht an den Masurischen Seen im September 1914.
Bei ersterem metzelten sich rund 58.000 Ritter beider Seiten gnadenlos nieder und am Schluss mit nur insgesamt 20.000 Überlebenden galten die des Deutschen Templerordens als besiegt. In Polen sieht man darin quasi die Gründung des Landes.
Zweiteres wurde 1925 als eine Art "germanisches Stonehenge" in Form eines wuchtigen Mauer-Achtecks errichtet, in dem 1934 die Särge von Reichspräsident Hindenburg und seiner Frau beigesetzt wurden. Allerdings nur für neun Jahre, denn das Denkmal wurde 1945 von der Deutschen Wehrmacht vor dem Anrücken der Roten Armee gesprengt, wobei die beiden Särge noch rechtzeitig in den Westen überstellt worden waren. Heute existieren nur mehr kleine Mauerreste davon.
 
Etwa 100 km weiter erreichten wir den Elblag-Kanal, der zu deutschen Zeiten Oberländischer Kanal genannt wurde. Wer den Filmklassiker "Fitzcaraldo" von Werner Herzog mit Klaus Kinsky in der Hauptrolle kennt, kann gut nachvollziehen, was an diesem rund 80 km langen Kanal abgeht. Anstatt der sonst üblichen Schleusen zum Überwinden von Niveau-Unterschieden zwischen den Seen werden die Schiffe hier fünf Mal mittels Loren über schiefe Ebenen gezogen. Insgesamt 100 m Höhenunterschied werden dabei überwunden. Für den Transport bedient man sich zweier offener Leiterwagen, die an einem endlosen Seil befestigt sind und auf Schienen gegenläufig leer oder beladen die Ebene hinauf oder hinunter fahren. Die Zugkraft des Seiles wird durch ein ca. 5 m großes Wasserrad erzeugt, ein Transportvorgang benötigt rund 15 Minuten. Doch diese Idee zum Schifftransport ist keine Errungenschaft der heutigen Zeit, sondern existiert bereits seit 1860!
 
Die Strecke dorthin erwies sich geradezu als Glücksgriff für Motorradfahrer. In sanften Schwingungen führte die Straße durch die leicht hügelige Landschaft mit immer wiederkehrenden Ausblicken auf die zwischen den Wäldern eingebetteten Seen. Am späten Nachmittag trafen wir dann in Danzig ein.
Die einst reichste Stadt an der Ostsee wurde schon unter dem kommunistischen Regime wieder aufgebaut. Doch während es für die einen eine bezaubernde - den Charme der früheren ostpreußischen Zeit ausstrahlende - Metropole ist, sehen andere eine nachgebaute Darstellung ohne historisch verwurzelte Bevölkerung. In nicht enden wollenden Gassen reihen sich wunderschöne Bauten aneinander. Und darunter sind nicht nur so bekannte Sehenswürdigkeiten wie das Krantor, das Rathaus oder die Marienkirche. Dazwischen Bernstein ohne Ende. Kleine Läden und fliegende Händler neben exquisiten Juwelierläden. Danzig ist und bleibt das Zentrum der Bernsteinverarbeitung. In den unzähligen Nebengassen und Hinterhöfen vermeint man stets das Hufgetrappel und Wagenradklappern längst vergangener Tage zu vernehmen.
Unbestrittene Tatsache bleibt jedoch, dass der Umschwung und Fall des Eisernen Vorhanges hier in der Leninwerft mit der Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" seinen Ursprung hatte. Schon 1980 begann der damalige Arbeiterführer und spätere Staatspräsident Lech Walesa für mehr Rechte und Freiheiten der arbeitenden Bevölkerung zu kämpfen. Doch erst 1989 sollten seine Anstrengungen Früchte tragen.
Von Danzig machten wir einen kleinen Abstecher in Richtung Norden zum noblen Badeort Sopota, zugleich der Geburtsort des Schauspielers Klaus Kinsky. Nach dem sogar eine Straße benannt wurde. Dort ging es - zumindest zum Zeitpunkt unserer Reise - zu wie in den klassischen Touristenzentren des Mittelmeeres. Einziger Unterschied zu Südeuropa: die Wassertemperatur. Doch wie in alten Zeiten verkaufen die Fischer ihren erbeuteten Fang im Hafen immer noch direkt vom Boot aus.
 
Entlang der Ostseeküste führte unsere Route weiter bis zum Sluwinski-Nationalpark, der vor allem durch seine bis zu 30 m hohen Sand-Wanderdünen bekannt ist. Aber auch viele seltene Vogelarten nisten hier und es ist einfach beeindruckend zu sehen, wie sich hinter einem sattgrünen Schilfgürtel regelrechte Sandberge auftürmen. Leider spielte wieder einmal das Wetter nicht mit, so dass wir jedes Sonnenfenster zum Kilometer fressen ausnutzten. Und genau in Höhe des Parkes öffnete der Himmel wieder mal seine Schleusen. So musste ein kurzer Blick vom Aussichtsturm Rowokol ausreichen.
Wie schon so oft in Polen kamen wir auf den schmalen Nebenstraßen schneller voran, als auf den breiten Transitrouten. Stoßstange an Stoßstange fahrende LKW-Züge lassen sich eben selbst mit dem Motorrad bei starkem Gegenverkehr nur unter hohem Risiko überholen. Über den mondänen Ostsee-Badeort Kolobrzeg näherten wir uns unaufhörlich der Odermündung, respektive der Insel Usedom - und somit unserem nächsten Ziel Swinoujscie.
Die Stadt Swinoujscie (deutsch Swinemünde) liegt auf einem etwa drei Kilometer breiten - aus 44 Inseln bestehendem - Archipel der Insel Usedom, die seit 1945 polnisches Staatsgebiet ist. Zuvor war hier unter dem NS-Regime in den 1930er Jahren ein U-Boot-Hafen angelegt worden. Auch Versuche mit den Fernlenkwaffen V1 und V2 unter Wernher von Brauns Team sollen hier stattgefunden haben. Im Mai 1945 wurde Swinemünde von der sowjetischen Armee besetzt, welche im Oktober des gleichen Jahres die Stadt an Polen übergab. Zu dieser Zeit lebten in Swinemünde noch etwa 30.000 Deutsche, die sukzessive vertrieben wurden. Ab 1950 durften nur noch solche Deutsche in ihrer alten Heimat bleiben, die eine slawische oder polnische Abstammung nachweisen konnten. Nach dem Wiederaufbau entwickelte sich Swinoujscie aufgrund seines milden Ostseeklimas, seiner Solequellen und Moorbäder zu einem der bekanntesten polnischen Ferien- und Kurorte. Heute profitiert die Stadt von ihrer Nähe zur Grenze und der sich daraus ergebenden großen Anzahl deutscher Touristen. Was sich darin bemerkbar machte, dass vorrangig ältere deutsche Gäste in den Lokalen rund um den Strand anzutreffen waren. Allerdings scheint hier nur in der Hauptsaison der "Bär" los zu sein. Zum Zeitpunkt unseres Besuches hatten viele Hotels oder Restaurants noch geschlossen.
Allerdings half uns ein zufälliger Eingabefehler des Navis zum Finden einer Gratis-Fähre über die Oder. Wir hatten "Ortsmitte" als Ziel eingegeben und fanden uns plötzlich mitten im Gewerbegebiet nahe dem Hafen wieder, obwohl auf den Einfahrtsstraßen per Hinweistafeln mehrmals auf eine "Fähre ins Zentrum" hingewiesen wurde. Doch während bei besagter Fähre eine lange Warteschlange - wenn auch nicht viel - zahlen musste, kamen wir in den Genuss einer Gratisüberfahrt nur für Stadtbewohner. Bis die Mannschaft den Irrtum bemerkte, legten wir schon am anderen Ufer an.
 
Die vermeintlich eintönige Strecke entlang der Oder hinunter nach Dresden entpuppte sich dann als Motorradleckerbissen! Lange Geraden auf holprigem Kopfsteinpflaster lösten sich mit engen, unübersichtlichen Kurven in dunklen Waldabschnitten ab, Ortsdurchfahrten arteten in Offroadpassagen aus. Gerhards Goldwing ging an ihre Grenzen! In Anbetracht fehlender Grenzkontrollen wechselte urplötzlich die Straßenqualität und wir wussten, dass wir nun in Deutschland waren. Dresden - das "Elb-Florenz" wartete auf uns.
Wegen seiner landschaftlich reizvollen Lage an der Elbe und seiner barocken Architektur wird die Stadt wohl auch so genannt. Schon seltsam. Da kamen doch glatt ein paar Salzburger aus dem "Florenz nördlich der Alpen" (wie Salzburg auch genannt wird) über Polen in das "Elb-Florenz" von Sachsen. Wir bewunderten den Schlossplatz, den Fürstenzug, den Theaterplatz mit der Semperoper und den Theaterkahn am Ufer der Elbe sowie den Zwinger. Natürlich durfte auch die wieder rekonstruierte Frauenkirche nicht fehlen. Letztere wurde bekanntlich bei einem verheerenden Bombenangriff im Februar 1945 total zerstört, brannte vollkommen aus und stürzte ein.
 
Am Nachmittag fuhren wir in das nahe Elbsandsteingebirge mit dem markanten Basteifelsen. Das Elbsandsteingebirge besteht wie der Name schon sagt vorwiegend aus Sandstein und erstreckt sich beiderseits der Elbe auf einer Fläche von etwa 700 qkm. Die Bastei ist eine Felsformation mit Aussichtsplattform in der Sächsischen Schweiz auf dem rechten Ufer der Elbe zwischen den Orten Rathen und Wehlen. Von der Bastei fällt das schmale Felsriff über 194 m steil zur Elbe ab und bietet eine weite Aussicht ins Elbtal und über das Elbsandsteingebirge. Ursprünglich führte nur eine Treppe mit 487 Stufen auf den Fels. Erst als sich die Bastei endgültig zum Hauptausflugsziel der Sächsischen Schweiz entwickelt hatte, wurde der Aufstieg erleichtert bzw. die Basteistraße im Zuge der steigenden Motorisierung gebaut. Sehr zur Freude von uns Motorradfahrern, denn diese ist geradezu gespickt mit vielen Kurven.
Nach den vielen Kilometern in Polen mit eher wenigen Kurven waren wir nun ganz heiß aufs Kurven fahren, weshalb wir nicht den direkten Weg von Dresden nach Prag wählten, sondern einen kleinen Umweg durch das Sudetenland und das Riesengebirge einlegten. Doch gerade um die landschaftlich wunderbare Region Sudeten ranken sich gar finstere Geschichten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde damit begonnen, die Vertreibung der ansässigen Deutschen in die Tat umzusetzen. Staatspräsident Edvard Benes verkündete die Benes-Dekrete, die die Enteignung und Entrechtung der Sudetendeutschen verordnete. Insgesamt wurden 3 Millionen der knapp über 3,2 Millionen Sudetendeutschen vertrieben. Bei "Rache-Massakern" kamen viele um, genaue Zahlen sind leider nicht bekannt. Nach der Vertreibung bürgerte sich im tschechischen Sprachgebrauch zunehmend der Begriff Grenzland ein. Die meisten Neubürger gelangten zudem in Orte, zu denen sie keinerlei Beziehung hatten. Einzelne nahmen Häuser noch unter Anwesenheit der Vorbewohner gewaltsam in Besitz.
Nach dem Abschluss des umfassenden Migrationsprozesses der Nachkriegszeit bestand die neue Gesellschaft im tschechischen Grenzland zu über zwei Dritteln aus Neusiedlern, was eine komplette Veränderung der ethnischen, kulturellen und wirtschaftlichen Struktur der Region bewirkte. Bis heute wird eine hohe Fluktuation in der Einwohnerschaft beobachtet, weil bis zu den Zeiten der Wende 1989 die weit verbreitete Ansicht herrschte, dass man irgendwann mit einer Rückkehr der Sudetendeutschen rechnen müsse. Sehr viele Häuser wurden entweder abgerissen oder dem Verfall preisgegeben. Insbesondere, wenn diese sehr nahe an der Staatsgrenze lagen. Nach der Grenzöffnung bestand bzw. besteht bis heute in den grenznahen Regionen eine auf eher anspruchslosen Einkaufstourismus und Tanktourismus ausgerichtete Wirtschaft bzw. eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit.
Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Denn wir erfreuten uns hier an verkehrsarmen, vor allem aber kurvenreichen Strecken. Ganz offensichtlich hatten die Straßenbauer auf gerade Passagen vergessen. Zudem wechselten wir nun im Stundentakt die Grenzen: von Tschechien nach Deutschland, von Deutschland nach Polen, von Polen wieder nach Deutschland usw. Verbunden jedesmal mit Aha-Effekt, wenn die Asphaltqualität von völlig "besch . . ." auf "absolut super" wechselte, bzw. umgekehrt. In Zeiten vor der EU fast undenkbar oder nur mit langen Grenzwartezeiten machbar.
Im polnischen Touristenort Karpacz - bereits im Riesengebirge - sahen wir uns eine ganz besondere Rarität an. Eine norwegische Stabkirche, die 1845 als Geschenk eines norwegischen Königs an sein polnisches Pendant Stück für Stück abgetragen und hier wieder aufgebaut wurde. Über den Male-Upa-Pass vorbei an Tschechiens höchstem Berg - der 1600 m Schneekoppe - richteten wir unsere Boliden Richtung Prag, unserer letzten Station.
 
Durch eine jahrhundertelange anhaltende Periode als Residenzstadt des Königreichs Böhmen und als Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war und ist Prag stets ein politisch-kulturelles Zentrum Mitteleuropas. Das von Gotik und Barock geprägte Stadtbild verhalf ihr zum Beinamen die "Goldene Stadt", seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde sie auch die "Stadt der hundert Türme" genannt. Deren Besichtigung benötigte natürlich einen ganzen Tag, wobei wir uns den Spaß machten und eine Stadtrundfahrt statt mit der üblichen Busse mit einem Ford-Oldtimer aus dem Jahr 1929 machten.
Damit kamen wir hinauf zum Berg Hradschin, auf dem die Prager Burg liegt. Einst Sitz der Herrscher des Landes. Hier fanden auch die beiden Fensterstürze statt, von denen der zweite im Jahr 1618 den 30-jährigen Krieg auslöste. Natürlich fuhren wir auch zur Karlsbrücke mit ihren unzähligen Künstlern, aber auch zum Wenzelsplatz, der 1848 nach dem Heiligen Wenzel von Böhmen benannt wurde. Mit gut 50 m Breite entspricht er zwar nur einer Prachtstraße, aber bei über 700 m Länge gehört der Boulevard zu den größten "Plätzen" in Europa. Die außerordentliche Länge des Platzes stand früher in Verbindung mit seiner Funktion, denn sie ermöglichte, dass während des wöchentlich stattfindenden Pferdemarktes die Tiere in jeder Gangart vorgeführt werden konnten. In der kommunistischen Zeit fanden hier auch politische Kundgebungen statt. Das Wenzelsdenkmal zeigt den Heiligen Wenzel als Landespatron in Rüstung sowie vier Schutzheilige.
Am 16. Jänner 1969 verbrannte sich hier auf dem Wenzelsplatz der tschechoslowakische Student Jan Palach selbst und lief - in hellen Flammen stehend - vom Nationalmuseum bis zur Statue. Er protestierte damit gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei im Jahre 1968 und der daraus resultierenden Niederschlagung des Prager Frühlings. Heute erinnert ein Denkmal an der Stelle unterhalb der Wenzel-Statue an diese schrecklichen Geschehnisse, dort wo Palach zusammengebrochen sein soll.
Tags darauf verließen wir diese pulsierende Metropole und 380 km später hatten wir unsere Heimatstadt Salzburg erreicht.
 
© Peter Winklmair

 
REISEINFORMATIONEN
Streckenführung:
1. Tag: Salzburg-Linz-Stockerau-Mistelbach-Prerov-Ostrava, 620 km
2. Tag: Ostrava-Frydek Mistek-Ciesym-Bielska Biala-Oswiecim (Auschwitz), 160 km
3. Tag: Oswiecim-Zator-Wadowice- Nowy-Nowy Sacz-Krosno-Babice-Krzywcza-Przemysl,
400 km
4. Tag: Przemysl-Radymno-Fort Dunkowicze-Hebenne-Dorohusk-Konstantinow-Zabuce-Mielnik, 520 km
5. Tag: Melnik-Adomo Zastowo-Kleszele-Wally Staya-Sokolka-Rajgrod-Elk-Gyzicko,
375 km
6. Tag: Ausflug nach Girlice (Wolfschanze) und Mikolajky, 125 km
7. Tag: Bootsausflug zur Kormoraninsel von Gizycko aus
8. Tag: Fahrt mit dem Taxi nach Mikolajki von Gizycko aus
9. Tag: Gyzicko-Olsztynak-Stebark (Tannenberg)-Elblagkanal-Krasno-Elblag-Danzig,
375 km
10. Tag: Besichtigung von Danzig und Fahrt nach Sopot, 35 km
11. Tag: Gdanz-Gdyna-Wejherowo-Sluwinski-Nationalpark-Ustka-Kolobrzag-Swinouscie,
490 km
12. Tag: Swinouscie-Szezeczin-Gorzow-Lubsko-Bad Muskau-Weißwasser-Bautzen-Dresden, 525 km
13. Tag: Besichtigung von Dresden und Fahrt zum Elbsandsteingebirge, 100 km
14. Tag: Dresden-Bad Schandau-Zittau-Frydlant-Maleupapaß-Mlado Boleslov-Prag, 305 km
15. Tag: Besichtigung von Prag
16. Tag: Prag-Strakowice-Strazny-Passau-Schärding-Baunau-Salzburg, 385 km
 
Allgemeines:
Polen ist auf die Fläche bezogen das siebtgrößte Land Europas und steht auf Platz 62 der größten Länder weltweit. Der Staat ist größtenteils ein Flachland, nur im Süden finden sich Gebirge. Der Name Polen leitet sich vom westslawischen Stamm der Polanen ab.
 
Einreise:
Ist mit dem EU-Beitritt Polens ohne jede Grenzkontrollen möglich. Der polnische Zloty hatte zum Zeitpunkt unserer Reise (Juni 2012) eine Umrechnungskurs von 4:1 (1 Euro = 4 Zloty).
 
Verkehr:
Sturzhelmpflicht und Abblendlicht am Tag (auch für Autos). Tempolimits innerorts 50 km/h, Überland 90 km/h, mehrspurige Schnellstraßen 100 km/h, Autobahnen 130 km/h. Die Treibstoffversorgung ist problemlos. Vorsicht ist geboten an Bahnübergängen, bei denen die Schienen teilweise 10 cm oder höher über den Sttraßenbelag hinaus ragen.
 
Unterkünfte:
Hotels, Appartements, Campingplätze und Privatzimmer in allen Preisklassen.
 
Kulinarisches:
Die traditionelle polnische Küche ist recht bodenständig und handfest. In ihr finden sich die Einflüsse der litauischen, russischen, deutschen und jüdischen Küche wieder. Die Polen sind gute Fleischesser, viel Rind, Schwein, Geflügel und Wurst kommen auf den Teller. Die Mahlzeiten sind reichlich und deftig, meist mit viel Kraut als Beilage. Zudem sind die Polen Weltmeister im Suppen essen. 78 Liter pro Kopf im Jahr bedeuten Weltrekord. Und was für eine Auswahl! Gurken-, Tomaten-, Sauerampfersuppe; Brennessel-, Sauerkraut- oder Fleischtaschensuppe. Weniger bekannt hingegen sind die Grützsuppen Krupnik oder die Zurek - die Sauermehlsuppe mit Wurst und Ei. Auf der Hitliste der Hauptspeisen ganz oben stehen weiters das Snyzel oder das Kotlet. Gefolgt vom Bigos, dem berühmten Krauteintopf mit mehreren Fleischsorten, Wurst und Pilzen. Ebenfalls zu den Klassikern gehört die Kaczka z jablami - die mit Äpfeln garnierte Ente - oder die gebratene Gans, Ges pieczona.
Während der Wodka eine lange polnische Tradition hat, ist die Popularität des Bieres neu. Das eiunheimische polnische Bier ist um einiges billiger als Exportbiere. Populäre Marken sind das Zywiec, Tichy oder das dunkle O´kay. Der Weinmarkt ist noch sehr unterentwickelt.
 
Geschichte:
Germanische Stämme siedelten einige Zeit vor 200 v. Chr. in großen Teilen des heutigen Polens. Die Römer erwähnten bereits um Christi Geburt die Städte Kalisz und Truso. Dauerhaft besiedelten seit dem 5. Jahrhundert erst die Westslawen das polnische Gebiet. Im 15. Jahrhundert, nach der politischen Ausschaltung des Deutschen Ordens in Preußen, stieg das aus Polen und Litauen hervorgegangene Großreich zu einer der führenden Kontinentalmächte Europas auf. Polens zunehmend innere Schwäche wurde Ende des 18. Jh. von seinen Nachbarn Preußen, Österreich und Russland ausgenutzt, indem sie das Land gleichzeitig überfielen und am Ende unter sich aufteilten. Polen wurde damit seiner Souveränität beraubt und in drei unterschiedliche Staaten zerrissen.
Aufgrund der Niederlage der Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn erlangte Polen nach dem Ersten Weltkrieg seine Souveränität zurück. Im Friedensvertrag von Versailles wurde die Unabhängigkeit Polens 1919 im internationalen Rahmen bestätigt. Der Nachfolgestaat des Deutschen Kaiserreiches, die Weimarer Republik, war gezwungen, die preußischen Provinzen Westpreußen und Posen aufzugeben, die im Rahmen der polnischen Teilungen vom Königreich Preußen annektiert worden waren. Aufgrund der unklaren politischen Verhältnisse kam es während der ersten Konsolidierungsphase immer wieder zu Konflikten mit den Nachbarstaaten Deutschland, Russland und Litauen.
Kurz bevor Polen vom nationalsozialistischen Deutschland angegriffen wurde, stellte es im Zuge des Münchener Abkommens territoriale Forderungen an die Tschechoslowakei. Am 1. September 1939 wurde Polen vom Deutschen Reich angegriffen und am 17. September folgte, unter dem Vorwand des "Schutzes" der weißrussisch-ukrainischen Bevölkerung, die sowjetische Besetzung Ostpolens. Damit nahm der Zweite Weltkrieg seinen Anfang, in dem sechs Millionen polnische Staatsbürger, darunter fast 50 % jüdischer Abstammung, ihr Leben verlieren sollten.
Bereits Anfang der 1940er-Jahre errichteten die Nationalsozialisten mehrere Konzentrationslager auf dem Gebiet Polens, unter anderen Auschwitz, Majdanek und Treblinka. Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung katastrophale Folgen.
Im August 1944 begann auf Befehl der polnischen Exilregierung in London der Warschauer Aufstand. Die Sowjetunion, deren Truppen bereits am Ostufer der Weichsel standen, hatte kein Interesse, die Einheiten der Heimatarmee zu unterstützen. Die große Entfernung machte eine Hilfe der Westalliierten unmöglich. So konnten deutsche Truppen die größte europäische Erhebung gegen die Okkupanten niederschlagen. Die Zahl der Toten wird auf 250.000 geschätzt. Dabei wurde die Innenstadt Warschaus unter großem Einsatz an Sprengmaterial nahezu vollständig zerstört.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurden die Grenzen des ehemaligen polnischen Staatsgebietes nach Westen verschoben. Polen verlor das ethnisch gemischte, mehrheitlich von Ukrainern und Weißrussen bevölkerte Drittel seines bisherigen Staatsgebietes an die Sowjetunion. Die dort ansässige polnische Bevölkerung wurde repatriiert. Aus dem heutigen Ostpolen wurden etwa eine Million Ukrainer in die Sowjetunion und in die West- und Nordgebiete Polens zwangsumgesiedelt. Im Westen und Norden wurde Polen die deutschen Gebiete östlich der Oder zugesprochen. Etwa fünf Millionen Deutsche waren gegen Kriegsende von dort geflohen und wurden durch Einreiseverbot an einer Rückkehr gehindert. Aus den Ostgebieten wurden nach dem Krieg weitere fünf Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Auf die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges folgte die kommunistische Diktatur. Das Land kam in den Einflussbereich der Sowjetunion und wurde als Volksrepublik Polen Teil des Ostblocks.
Erst die Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc unter Lech Walesa führte schließlich zu einem gesellschaftlich-politischen Umschwung im Land und zu den revolutionären Ereignissen von 1980 bis 1989, die zuerst in der Verhängung des Kriegszustandes und schließlich in die ersten freien Wahlen im Ostblock 1989 mündeten. An deren Ende wurde das kommunistische Regime durch eine demokratische Regierungsform ersetzt. Tadeusz Mazowiecki wurde zum ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten Polens seit 1945 gewählt, von den 23 Mitgliedern der Regierung waren nur vier Kommunisten. Seit 1989 wurde die polnische Wirtschaft mit schnellen Schritten in eine funktionierende Marktwirtschaft umgewandelt. Im Dezember 1990 wurde der ehemalige Solidarnosc-Vorsitzende Lech Walesa in einer Volkswahl zum Staatspräsidenten gewählt. 1991 endete die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt durch Auflösung des Militärbündnisses.
 
Kartenmaterial und Nachweis:
EuroCart Polen Nordost und Masurische Seenplatte 1:300.000, EuroCart Polen Südost und Tatra 1:300.000; Marco Polo Reiseführer Polen, Dumont Reiseatlas Masuren.
 
© Peter Winklmair