In der Stadt Oswieczim befindet sich heute das staatliche Museum
Auschwitz, in welchem zwischen 1940 und 1945 das größte Konzentrationslager des NS-Regimes war. Als
der Lagerkomplex von Auschwitz nach dem Krieg zu einer Gedenkstätte umgewidmet wurde, beschränkte man
sich auf das Kerngebiet des Stammlagers. Große Teile des Geländes wurden ausgegrenzt und vom polnischen
Militär in anderer Form genutzt. Das
Häftlingsaufnahmegebäude wurde zum Empfangszentrum umgebaut, wodurch seine ursprüngliche Funktion
heute völlig unkenntlich ist. Das Krematorium mit Öfen und Gaskammern wurde rekonstruiert, der ehemalige
Haupteingang zum Lager mit dem zynischen Motto "Arbeit macht frei" befindet sich mittlerweile innerhalb
des Lagerbereichs. Dem Besucher wird aber nicht eindeutig genug vermittelt, dass die eigentliche Stätte des
Völkermords drei Kilometer entfernt in Auschwitz-Birkenau lag. Zudem wird "offiziell" kein Eintritt
verlangt. Inoffiziell dürfen sich jedoch nur Gruppen in Begleitung eines zu bezahlenden Guides rund um die
Uhr frei bewegen. Individualbesucher ohne entsprechende Begleitung haben erst ab 15 Uhr freien Eintritt. So umgehen
die polnischen Behörden jeden Vorwurf, sie könnten aus den Leiden der damals Inhaftierten finanziellen
Gewinn schlagen und aus dem KZ eine Art Disney-World für Kriegsverbrechen führen.
Ursprünglich war das KZ Auschwitz wegen seiner "günstigen verkehrstechnischen Lage" nur als
Quarantäne- und Durchgangslager für verhaftete polnische Staatsangehörige geplant, erst später
wurde daraus das größte Vernichtungslager des Holocaust. Der erste Transport erfolgte im Juni 1940
mit politischen Gefangenen, anfangs wurden hauptsächlich Oppositionelle und Intellektuelle interniert. Ursprünglich
für 10.000 Personen geplant, wurde 1944 mit rund 18.500 eine Höchstzahl an Häftlingen im Stammlager
ermittelt. Und das Fassungsvermögen fast um das Doppelte überzogen.
Alle "Neuzugänge" mussten ihre Privatsachen abliefern. Die Häftlinge wurden geduscht, geschoren,
fotografiert und registriert; auf dem linken Unterarm wurde die Häftlingsnummer eintätowiert. Sie erhielten
Holzpantoffel und gestreifte Häftlingsanzüge, auf denen sie durch verschiedene Winkelsymbole gekennzeichnet
wurden. Unter den Inhaftierten war die Sterblichkeit sehr groß. Ursachen waren Unterernährung, mangelhafte
Hygiene, Krankheit, Schwerstarbeit, aber auch Misshandlungen oder medizinische Versuche. Nach Schätzungen
sind deshalb alleine im Stammlager insgesamt bis zu 70.000 Menschen ums Leben gekommen. Gegen Ende des Krieges
wurde ein Großteil der Gefangenen von den NS-Wachmannschaften in Gewaltsmärschen Richtung Westen getrieben.
Als das Stammlager im Januar 1945 von der Roten Armee erreicht wurde, fanden die Befreier nur mehr rund 1200 bis
auf die Knochen abgemagerte Häftlinge vor; in Auschwitz-Birkenau waren 5800 Gefangene zurückgeblieben.
Dennoch verstarben noch viele dieser befreiten Häftlinge in den folgenden Tagen.
Meine beiden Reisebegleiter Robert und Gerhard sowie ich kamen uns beim Rundgang recht befangen vor. Denn wir
waren eine der ganz wenigen deutschsprechenden Besucher an diesem Tag und wurden von den zahlreichen polnisch,
vor allem aber englisch sprechenden Gruppen regelrecht angestarrt. Offensichtlich gilt Deutsch noch immer als
Synonym für das Böse, besonders an solchen Orten. Unsere späte Geburt bewahrte uns somit nicht
vor den Vorurteilen der anderen nicht deutschsprechenden Besucher. |
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Und noch viel schlimmer wurde dieses Unbehagen, als wir anschließend
zum ehemaligen Lager Birkenau fuhren. Schon von weitem ist dieses markante Tor zu erkennen, durch welches der
vollbesetzte Zug einfuhr und welches uns aus so vielen Dokumentationen dieser Epoche geradezu geläufig ist.
Ansonsten blieb vom ursprünglichen Lager nicht viel stehen, lediglich ein paar Baracken und die Bahnsteige
wurden rekonstruiert. Mit einem wahrlich beklemmenden Gefühl verließen wir diesen schaurigen Ort, an
dem insgesamt ca. 1,1 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben und fuhren weiter Richtung Przemysl.
Dabei fuhren wir durch den polnischen Teil des Tatra-Gebirges. Als Bewohner eines Alpenlandes von großartigen
Steigungen, tollen Kehren und imposanten Ausblicken verwöhnt, fährt man hier leider nur durch eine etwas
hügelige Landschaft. Sämtliche Hochpunkte oder Gipfel der Tatra sind ausschließlich mit technischen
Aufstiegshilfen wie Seilbahnen oder dergleichen erreichbar. Das war für uns doch eine etwas herbe Enttäuschung.
Da half auch nicht, dass wir die Hauptverkehrswege mieden und zumeist auf kleinen Nebenstrecken unterwegs waren
. |
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Die malerische Grenzstadt Przemysl war bis 1918 ein österreichisch-ungarischer
Garnisons-Stützpunkt Galiziens, der mit vielen Fortifikationen rund um die Stadt abgesichert wurde. Zudem
blieb der historische Altstadtkern in beiden Weltkriegen weitgehend unbeschädigt. Entsprechend heimisch fühlten
wir uns deshalb hier, denn die Bauweise vieler alter Häuser konnte ihre Herkunft nicht verleugnen. Sie ähnelte
frappant den Bauweisen der früheren K.u.K.-Metropolen Wien, Budapest oder Prag.
Einige der insgesamt 15 österreichischen Forts sind noch halbwegs intakt, je nachdem ob sie später vom
polnischen Militär genutzt wurden oder eben nicht. Allerdings sind sie allesamt inzwischen wild überwuchert
und nur sehr schwer zu finden. Ganz im Gegensatz zu einem ehemaligen Wehrmachts-Bunker unmittelbar vor unserem
Hotel im Zentrum der Stadt, der im 2. Weltkrieg offensichtlich die Ufer des träge dahin fließenden
San sichern sollte. |
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In weiterer Folge führten uns die Navigationshilfen in Richtung
Norden. Nahezu parallel zur ukrainischen Grenze fuhren wir dahin. Einen möglichen Grenzübertritt vermieden
wir jedoch tunlichst, weil die Grenzer wegen der zeitgleich stattfindenden Fußball-EM recht penibel kontrollierten.
Was wiederum unnötig lange Grenzaufenthalte nach sich gezogen hätte.
Aber auch auf polnischer
Seite war das Fahren - besonders auf 2 Rädern - ein Erlebnis. Manch auf der Karte eindeutig als Landstraße
gekennzeichnete Route ging ohne Vorwarnung in einen derben Schotterweg über, was vor allem unseren Goldwing-Fahrer
Gerhard arg ins Schwitzen brachte. Und manchmal endete derselbe Weg mitten in einem Bauernhof. Aber gerade dies
sind Momente, die das Salz in der Suppe ausmachen. Denn wie erklärt man einer polnischen Landwirtsfamilie
- die weder englisch oder gar deutsch versteht - wohin man im Grunde will? Die in Anbetracht der vollbepackten
japanischen Motorräder in schierer Ehrfurcht erstarrt? Aber - ist Polen nicht auch Mitglied der EU? Sieht
nicht gerade ganz Europa auf dieses Land wegen der Fußball-EM? Na, hier jedenfalls haben sie von dem ganzen
Trubel noch nicht viel mitbekommen. |
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Zudem fuhren wir nun immer öfter durch endlose - für
Polen typische - Alleen. Die schönsten übrigens befinden sich allesamt im Seengebiet der Masuren, dem
früheren Ostpreußen.
Sie dienten ursprünglich zum Schatten spenden der Straßenbenützer, früher meist den marschierenden
Soldaten der preußischen Armeen, und verhinderten im Winter Schneeverwehungen. Die heutigen Straßenplaner
Polens schielen aber schon oft über die Grenzen und holzen die Allen - vor allem auf den großen Transitrouten
- gnadenlos ab, um wie in unseren Breitengraden bereits üblich die Straßen massiv zu verbreitern.
Auch die für Polen so markanten Storchennester sahen wir nun immer häufiger. Es gibt Dörfer, in
denen nahezu jedes Haus mit einem Nest beschmückt ist. Aber mit einem Märchen muss hier und jetzt Schluss
gemacht werden: Bekanntlich soll der Storch ja die Babys bringen. Aber wie soll das funktionieren, wenn sich alle
Störche zur selben Zeit hier in Polen aufhalten? |
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Einen weiteren Beweis, dass eine EU-Mitgliedschaft noch lange
keinen Wohlstand für alle Bevölkerungsschichten bedeutet, erhielten wir kurz vor unserem Tagesetappenziel
Mielnik in Mittelpolen. In
Anbetracht fehlender Brücken über den Strom Bug machten wir uns auf die Suche nach einer entsprechenden
Fähre. Dass die Zufahrt wieder einmal in eine heftige Offroadpartie ausartete, erfreute zwar mich und Robert
auf unseren Reise-Enduros, aber Gerhard auf der Goldwing büßte erneut viele Sünden ab. Die Krönung
aber war, dass zwei Mann diese Fähre händisch (!!) entlang eines Stahlseiles über den Fluss zogen
und überdies auch kein Geld verlangten! Schließlich
seien sie Staatsangestellte und würden dafür bezahlt. Wir gaben ihnen je 10 Zloty Trinkgeld, worauf
sie uns fast die Stiefel küssten. Schließlich bedeutet dies für sie umgerechnet 2 Bier pro Mann. |
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In weiterer Folge näherten wir uns nun immer mehr dem berühmten
Seengebiet mit dem klingenden Namen Masuren. Bis 1945 übrigens hieß diese Region Ostpreußen und
war bis 1918 gar ein eigenes Königreich innerhalb des deutschen Staatenbundes. Wir
schlugen unser Quartier im kleinen Städtchen Gizycko zwischen den beiden Seen Niegocin und Niedzkie auf.
Besonders interessant ist die Drehbrücke über einen Kanal mitten durch die Stadt, der die beiden Seen
miteinander verbindet. Jeweils zu festgelegten Zeiten wird die durchgehende Hauptstraße gesperrt, damit
die mittels per Hand betätigte Brücke gedreht werden kann, um Schiffe passieren zu lassen. Leider schlug
auch zur selben Zeit das Wetter um und die regnerischen Abschnitte pro Tag wurden zuerst immer länger und
dann immer häufiger. Von hier starteten wir nun unsere Tagesausflüge. |
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Am Stadtrand von Gizycko befindet sich zudem die Festung Boyen
aus dem 1. Weltkrieg. Berühmt wurde sie in der Schlacht um Tannenberg 1914 durch den Brief des Kommandanten
Busse an die russischen Belagerer, in dem er sich für die versehentliche Verwundung dreier Parlamentarier
entschuldigte. Aber die Aufforderung zur Kapitulation mit den Worten "für mich und meine tapfere Besatzung
als im höchsten Grade beleidigend" zurück wies. Ihren heutigen guten Zustand verdankte die Festung
der späteren Nutzung als Kaserne für das polnische Militär, bzw. als Geflügelfarm oder Champignonzucht.
Unser erstes Ausflugsziel führte uns über teils recht abenteuerlich anmutende Landstraßen ins
Dorf Gyrloz nahe Ketrzyn, das in deutschen Zeiten Görlitz nahe Rastenburg hieß. Vielleicht mögen
diese beiden Namen so manchem noch immer nichts bedeuten, aber bei "Wolfschanze" müsste es dann
klingeln. Denn "Wolfschanze" war der Tarnname für ein militärisches Führungsstabs-Lagezentrum
der deutschen Wehrmacht sowie eines der Führerhauptquartiere Hitlers während des Zweiten Weltkrieges.
Die 1940 erbaute "Wolfschanze"
war ein Bunkersystem von Quartieren, in denen die Gefechtsstände der meisten Stäbe untergebracht waren.
Sie wurde oberirdisch in einem dichten Wald gebaut und durch nichtbrennbare Tarnnetze gegen Sicht von oben geschützt.
Insgesamt ließen die Nationalsozialisten auf dem Gebiet ca. 100 verschiedene Objekte und Gebäude errichten.
Es existierten drei schwer bewachte Sperrkreise, für die man jeweils Passierscheine benötigte. Die Sicherung
war offensichtlich jedoch nicht streng genug, um den Bomben-Attentäter des 20. Juli 1944 - Graf von Stauffenberg
- abhalten zu können. Die Wachoffiziere des innersten Sperrkreises hatten nämlich keine Befugnis zu
Durchsuchungen an ranghöchsten Offizieren. Seit 1992 markiert eine Gedenktafel in Form eines aufgeschlagenen
Buches mit geborstenem Rücken die Stelle, wo an besagtem Tag der Anschlag auf Hitler in einer Besprechungsbaracke
fehlschlug.
Als 1945 die Rote Armee anrückte, wurden viele Objekte teils von der abziehenden Wehrmacht gesprengt, teils
von den Russen. In den folgenden 10 Jahren mussten hier ca. 54.000 Minen entschärft werden!! Seit 1959 können
die Überreste der Bunker begangen werden und sind mittlerweile eine Touristenattraktion in den Masuren. Dennoch
herrscht noch heute in der ganzen Anlage eine beklemmende Stimmung, nicht nur wegen des dichten Waldes, der die
Betonteile zunehmend überwuchert. Vor allem wegen der Tatsache, dass so viele verbrecherische Befehle von
diesem Ort ausgegangen sind, die schlussendlich Millionen Todesopfer gefordert haben.
Aber Polens Tourismus-Maschinerie lässt nichts unversucht, derartige Orte wie Disney-World zu vermarkten.
So warten Studenten in Kampfanzügen gekleidet im Areal auf Besucher, die sich in speziell präparierten,
sogenannten MG-Nestern - bekleidet mit einer Nazi-Offiziersmütze und dem markanten Ledermantel - hinter einer
MG-Attrappe fotografieren lassen können. Eine seltsame Form von Nebenverdienst für das Studium. |
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Anschließend besuchten wir noch das etwa 30 km entfernte
Mikolajki am Sniardwy-See, ein regelrechtes Touristenzentrum. Das Leben dort spielt sich ausschließlich
zwischen den Lokalitäten an den Anlegestellen und den Segelbooten ab. Einsetzender Regen ließ uns vorzeitig
nach Gizycko zurückfahren.
Das anhaltende Schlechtwetter verbunden mit gerade mal zweistelligen Tagestemperaturen nutzten wir nunmehr zu
Bootsausflügen auf den Dobersee zur berühmten Kormoran-Kolonie (Wyspa Kormoranow) oder zu einem weiteren
Ausflug nach Mikolajki, diesmal mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Allerdings versprachen die Wetterfrösche
baldige Besserung.
Kaum hatte sich tags darauf die Wetterlage gebessert, setzten wir unsere Reise in nordwestlicher Richtung fort.
Dabei kamen wir am Denkmal von Tannenberg im Ort Grunwald, auf polnisch Stepark, vorbei. Es erinnert zum einen
an die Schlacht bei Tannenberg (1410) während der Litauerkriege des Deutschen Ordens und zum anderen an die
Tannenbergschlacht an den Masurischen Seen im September 1914.
Bei ersterem metzelten sich rund 58.000 Ritter beider Seiten gnadenlos nieder und am Schluss mit nur insgesamt
20.000 Überlebenden galten die des Deutschen Templerordens als besiegt. In Polen sieht man darin quasi die
Gründung des Landes.
Zweiteres wurde 1925 als eine Art "germanisches Stonehenge" in Form eines wuchtigen Mauer-Achtecks errichtet,
in dem 1934 die Särge von Reichspräsident Hindenburg und seiner Frau beigesetzt wurden. Allerdings nur
für neun Jahre, denn das Denkmal wurde 1945 von der Deutschen Wehrmacht vor dem Anrücken der Roten Armee
gesprengt, wobei die beiden Särge noch rechtzeitig in den Westen überstellt worden waren. Heute existieren
nur mehr kleine Mauerreste davon. |
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Etwa 100 km weiter erreichten wir den Elblag-Kanal, der zu deutschen
Zeiten Oberländischer Kanal genannt wurde. Wer den Filmklassiker "Fitzcaraldo" von Werner Herzog
mit Klaus Kinsky in der Hauptrolle kennt, kann gut nachvollziehen, was an diesem rund 80 km langen Kanal abgeht.
Anstatt der sonst üblichen
Schleusen zum Überwinden von Niveau-Unterschieden zwischen den Seen werden die Schiffe hier fünf Mal
mittels Loren über schiefe Ebenen gezogen. Insgesamt 100 m Höhenunterschied werden dabei überwunden.
Für den Transport bedient man sich zweier offener Leiterwagen, die an einem endlosen Seil befestigt sind
und auf Schienen gegenläufig leer oder beladen die Ebene hinauf oder hinunter fahren. Die Zugkraft des Seiles
wird durch ein ca. 5 m großes Wasserrad erzeugt, ein Transportvorgang benötigt rund 15 Minuten. Doch
diese Idee zum Schifftransport ist keine Errungenschaft der heutigen Zeit, sondern existiert bereits seit 1860! |
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Die Strecke dorthin erwies sich geradezu als Glücksgriff
für Motorradfahrer. In sanften Schwingungen führte die Straße durch die leicht hügelige Landschaft
mit immer wiederkehrenden Ausblicken auf die zwischen den Wäldern eingebetteten Seen. Am späten Nachmittag
trafen wir dann in Danzig ein.
Die einst reichste Stadt an
der Ostsee wurde schon unter dem kommunistischen Regime wieder aufgebaut. Doch während es für die einen
eine bezaubernde - den Charme der früheren ostpreußischen Zeit ausstrahlende - Metropole ist, sehen
andere eine nachgebaute Darstellung ohne historisch verwurzelte Bevölkerung. In nicht enden wollenden Gassen
reihen sich wunderschöne Bauten aneinander. Und darunter sind nicht nur so bekannte Sehenswürdigkeiten
wie das Krantor, das Rathaus oder die Marienkirche. Dazwischen Bernstein ohne Ende. Kleine Läden und fliegende
Händler neben exquisiten Juwelierläden. Danzig ist und bleibt das Zentrum der Bernsteinverarbeitung.
In den unzähligen Nebengassen und Hinterhöfen vermeint man stets das Hufgetrappel und Wagenradklappern
längst vergangener Tage zu vernehmen.
Unbestrittene Tatsache bleibt jedoch, dass der Umschwung und Fall des Eisernen Vorhanges hier in der Leninwerft
mit der Gewerkschaftsbewegung "Solidarnosc" seinen Ursprung hatte. Schon 1980 begann der damalige Arbeiterführer
und spätere Staatspräsident Lech Walesa für mehr Rechte und Freiheiten der arbeitenden Bevölkerung
zu kämpfen. Doch erst 1989 sollten seine Anstrengungen Früchte tragen.
Von Danzig machten wir einen kleinen Abstecher in Richtung Norden zum noblen Badeort Sopota, zugleich der Geburtsort
des Schauspielers Klaus Kinsky. Nach dem sogar eine Straße benannt wurde. Dort ging es - zumindest zum Zeitpunkt
unserer Reise - zu wie in den klassischen Touristenzentren des Mittelmeeres. Einziger Unterschied zu Südeuropa:
die Wassertemperatur. Doch wie in alten Zeiten verkaufen die Fischer ihren erbeuteten Fang im Hafen immer noch
direkt vom Boot aus. |
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Entlang der Ostseeküste führte unsere Route weiter bis
zum Sluwinski-Nationalpark, der vor allem durch seine bis zu 30 m hohen Sand-Wanderdünen bekannt ist. Aber
auch viele seltene Vogelarten nisten hier und es ist einfach beeindruckend zu sehen, wie sich hinter einem sattgrünen
Schilfgürtel regelrechte Sandberge auftürmen. Leider spielte wieder einmal das Wetter nicht mit, so
dass wir jedes Sonnenfenster zum Kilometer fressen ausnutzten. Und genau in Höhe des Parkes öffnete
der Himmel wieder mal seine Schleusen. So musste ein kurzer Blick vom Aussichtsturm Rowokol ausreichen.
Wie schon so oft in
Polen kamen wir auf den schmalen Nebenstraßen schneller voran, als auf den breiten Transitrouten. Stoßstange
an Stoßstange fahrende LKW-Züge lassen sich eben selbst mit dem Motorrad bei starkem Gegenverkehr nur
unter hohem Risiko überholen. Über den mondänen Ostsee-Badeort Kolobrzeg näherten wir uns
unaufhörlich der Odermündung, respektive der Insel Usedom - und somit unserem nächsten Ziel Swinoujscie.
Die Stadt Swinoujscie (deutsch Swinemünde) liegt auf einem etwa drei Kilometer breiten - aus 44 Inseln bestehendem
- Archipel der Insel Usedom, die seit 1945 polnisches Staatsgebiet ist. Zuvor war hier unter dem NS-Regime in
den 1930er Jahren ein U-Boot-Hafen angelegt worden. Auch Versuche mit den Fernlenkwaffen V1 und V2 unter Wernher
von Brauns Team sollen hier stattgefunden haben. Im Mai 1945 wurde Swinemünde von der sowjetischen Armee
besetzt, welche im Oktober des gleichen Jahres die Stadt an Polen übergab. Zu dieser Zeit lebten in Swinemünde
noch etwa 30.000 Deutsche, die sukzessive vertrieben wurden. Ab 1950 durften nur noch solche Deutsche in ihrer
alten Heimat bleiben, die eine slawische oder polnische Abstammung nachweisen konnten. Nach dem Wiederaufbau entwickelte
sich Swinoujscie aufgrund seines milden Ostseeklimas, seiner Solequellen und Moorbäder zu einem der bekanntesten
polnischen Ferien- und Kurorte. Heute profitiert die Stadt von ihrer Nähe zur Grenze und der sich daraus
ergebenden großen Anzahl deutscher Touristen. Was sich darin bemerkbar machte, dass vorrangig ältere
deutsche Gäste in den Lokalen rund um den Strand anzutreffen waren. Allerdings scheint hier nur in der Hauptsaison
der "Bär" los zu sein. Zum Zeitpunkt unseres Besuches hatten viele Hotels oder Restaurants noch
geschlossen.
Allerdings half uns ein zufälliger Eingabefehler des Navis zum Finden einer Gratis-Fähre über die
Oder. Wir hatten "Ortsmitte" als Ziel eingegeben und fanden uns plötzlich mitten im Gewerbegebiet
nahe dem Hafen wieder, obwohl auf den Einfahrtsstraßen per Hinweistafeln mehrmals auf eine "Fähre
ins Zentrum" hingewiesen wurde. Doch während bei besagter Fähre eine lange Warteschlange - wenn
auch nicht viel - zahlen musste, kamen wir in den Genuss einer Gratisüberfahrt nur für Stadtbewohner.
Bis die Mannschaft den Irrtum bemerkte, legten wir schon am anderen Ufer an. |
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Die vermeintlich eintönige Strecke entlang der Oder hinunter
nach Dresden entpuppte sich dann als Motorradleckerbissen! Lange Geraden auf holprigem Kopfsteinpflaster lösten
sich mit engen, unübersichtlichen Kurven in dunklen Waldabschnitten ab, Ortsdurchfahrten arteten in Offroadpassagen
aus. Gerhards Goldwing ging an ihre Grenzen! In Anbetracht fehlender Grenzkontrollen wechselte urplötzlich
die Straßenqualität und wir wussten, dass wir nun in Deutschland waren. Dresden - das "Elb-Florenz"
wartete auf uns.
Wegen seiner landschaftlich
reizvollen Lage an der Elbe und seiner barocken Architektur wird die Stadt wohl auch so genannt. Schon seltsam.
Da kamen doch glatt ein paar Salzburger aus dem "Florenz nördlich der Alpen" (wie Salzburg auch
genannt wird) über Polen in das "Elb-Florenz" von Sachsen. Wir bewunderten den Schlossplatz, den
Fürstenzug, den Theaterplatz mit der Semperoper und den Theaterkahn am Ufer der Elbe sowie den Zwinger. Natürlich
durfte auch die wieder rekonstruierte Frauenkirche nicht fehlen. Letztere wurde bekanntlich bei einem verheerenden
Bombenangriff im Februar 1945 total zerstört, brannte vollkommen aus und stürzte ein. |
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Am Nachmittag fuhren wir in das nahe Elbsandsteingebirge mit dem
markanten Basteifelsen. Das Elbsandsteingebirge besteht wie der Name schon sagt vorwiegend aus Sandstein und erstreckt
sich beiderseits der Elbe auf einer Fläche von etwa 700 qkm. Die Bastei ist eine Felsformation mit Aussichtsplattform
in der Sächsischen Schweiz auf dem rechten Ufer der Elbe zwischen den Orten Rathen und Wehlen. Von der Bastei
fällt das schmale Felsriff über 194 m steil zur Elbe ab und bietet eine weite Aussicht ins Elbtal und
über das Elbsandsteingebirge. Ursprünglich führte nur eine Treppe mit 487 Stufen auf den Fels.
Erst als sich die Bastei endgültig zum Hauptausflugsziel der Sächsischen Schweiz entwickelt hatte, wurde
der Aufstieg erleichtert bzw. die Basteistraße im Zuge der steigenden Motorisierung gebaut. Sehr zur Freude
von uns Motorradfahrern, denn diese ist geradezu gespickt mit vielen Kurven.
Nach den vielen Kilometern in Polen mit eher wenigen Kurven waren wir nun ganz heiß aufs Kurven fahren,
weshalb wir nicht den direkten Weg von Dresden nach Prag wählten, sondern einen kleinen Umweg durch das Sudetenland
und das Riesengebirge einlegten. Doch gerade um die landschaftlich wunderbare Region Sudeten ranken sich gar finstere
Geschichten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde damit begonnen, die Vertreibung der ansässigen Deutschen in die
Tat umzusetzen. Staatspräsident Edvard Benes verkündete die Benes-Dekrete, die die Enteignung und Entrechtung
der Sudetendeutschen verordnete. Insgesamt wurden 3 Millionen der knapp über 3,2 Millionen Sudetendeutschen
vertrieben. Bei "Rache-Massakern" kamen viele um, genaue Zahlen sind leider nicht bekannt. Nach der
Vertreibung bürgerte sich im tschechischen Sprachgebrauch zunehmend der Begriff Grenzland ein. Die meisten
Neubürger gelangten zudem in Orte, zu denen sie keinerlei Beziehung hatten. Einzelne nahmen Häuser noch
unter Anwesenheit der Vorbewohner gewaltsam in Besitz.
Nach dem Abschluss des umfassenden Migrationsprozesses der Nachkriegszeit bestand die neue Gesellschaft im tschechischen
Grenzland zu über zwei Dritteln aus Neusiedlern, was eine komplette Veränderung der ethnischen, kulturellen
und wirtschaftlichen Struktur der Region bewirkte. Bis heute wird eine hohe Fluktuation in der Einwohnerschaft
beobachtet, weil bis zu den Zeiten der Wende 1989 die weit verbreitete Ansicht herrschte, dass man irgendwann
mit einer Rückkehr der Sudetendeutschen rechnen müsse. Sehr viele Häuser wurden entweder abgerissen
oder dem Verfall preisgegeben. Insbesondere, wenn diese sehr nahe an der Staatsgrenze lagen. Nach der Grenzöffnung
bestand bzw. besteht bis heute in den grenznahen Regionen eine auf eher anspruchslosen Einkaufstourismus und Tanktourismus
ausgerichtete Wirtschaft bzw. eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit.
Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Denn wir erfreuten uns hier an verkehrsarmen, vor allem aber kurvenreichen
Strecken. Ganz offensichtlich hatten die Straßenbauer auf gerade Passagen vergessen. Zudem wechselten wir
nun im Stundentakt die Grenzen: von Tschechien nach Deutschland, von Deutschland nach Polen, von Polen wieder
nach Deutschland usw. Verbunden jedesmal mit Aha-Effekt, wenn die Asphaltqualität von völlig "besch
. . ." auf "absolut super" wechselte, bzw. umgekehrt. In Zeiten vor der EU fast undenkbar oder
nur mit langen Grenzwartezeiten machbar.
Im polnischen Touristenort Karpacz - bereits im Riesengebirge - sahen wir uns eine ganz besondere Rarität
an. Eine norwegische Stabkirche, die 1845 als Geschenk eines norwegischen Königs an sein polnisches Pendant
Stück für Stück abgetragen und hier wieder aufgebaut wurde. Über den Male-Upa-Pass vorbei
an Tschechiens höchstem Berg - der 1600 m Schneekoppe - richteten wir unsere Boliden Richtung Prag, unserer
letzten Station. |
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Durch eine jahrhundertelange anhaltende Periode als Residenzstadt
des Königreichs Böhmen und als Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war und
ist Prag stets ein politisch-kulturelles Zentrum Mitteleuropas. Das von Gotik und Barock geprägte Stadtbild
verhalf ihr zum Beinamen die "Goldene Stadt", seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde sie auch die "Stadt
der hundert Türme" genannt. Deren Besichtigung benötigte natürlich einen ganzen Tag, wobei
wir uns den Spaß machten und eine Stadtrundfahrt statt mit der üblichen Busse mit einem Ford-Oldtimer
aus dem Jahr 1929 machten.
Damit kamen wir hinauf zum Berg
Hradschin, auf dem die Prager Burg liegt. Einst Sitz der Herrscher des Landes. Hier fanden auch die beiden Fensterstürze
statt, von denen der zweite im Jahr 1618 den 30-jährigen Krieg auslöste. Natürlich fuhren wir auch
zur Karlsbrücke mit ihren unzähligen Künstlern, aber auch zum Wenzelsplatz, der 1848 nach dem Heiligen
Wenzel von Böhmen benannt wurde. Mit gut 50 m Breite entspricht er zwar nur einer Prachtstraße, aber
bei über 700 m Länge gehört der Boulevard zu den größten "Plätzen" in
Europa. Die außerordentliche Länge des Platzes stand früher in Verbindung mit seiner Funktion,
denn sie ermöglichte, dass während des wöchentlich stattfindenden Pferdemarktes die Tiere in jeder
Gangart vorgeführt werden konnten. In der kommunistischen Zeit fanden hier auch politische Kundgebungen statt.
Das Wenzelsdenkmal zeigt den Heiligen Wenzel als Landespatron in Rüstung sowie vier Schutzheilige.
Am 16. Jänner 1969 verbrannte sich hier auf dem Wenzelsplatz der tschechoslowakische Student Jan Palach selbst
und lief - in hellen Flammen stehend - vom Nationalmuseum bis zur Statue. Er protestierte damit gegen den Einmarsch
der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei im Jahre 1968 und der daraus resultierenden Niederschlagung
des Prager Frühlings. Heute erinnert ein Denkmal an der Stelle unterhalb der Wenzel-Statue an diese schrecklichen
Geschehnisse, dort wo Palach zusammengebrochen sein soll.
Tags darauf verließen wir diese pulsierende Metropole und 380 km später hatten wir unsere Heimatstadt
Salzburg erreicht. |
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© Peter Winklmair |
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REISEINFORMATIONEN |
Streckenführung: |
1. Tag: |
Salzburg-Linz-Stockerau-Mistelbach-Prerov-Ostrava, 620 km |
2. Tag: |
Ostrava-Frydek Mistek-Ciesym-Bielska Biala-Oswiecim (Auschwitz), 160 km |
3. Tag: |
Oswiecim-Zator-Wadowice- Nowy-Nowy Sacz-Krosno-Babice-Krzywcza-Przemysl,
400 km |
4. Tag: |
Przemysl-Radymno-Fort Dunkowicze-Hebenne-Dorohusk-Konstantinow-Zabuce-Mielnik, 520 km |
5. Tag: |
Melnik-Adomo Zastowo-Kleszele-Wally Staya-Sokolka-Rajgrod-Elk-Gyzicko,
375 km |
6. Tag: |
Ausflug nach Girlice (Wolfschanze) und Mikolajky, 125 km |
7. Tag: |
Bootsausflug zur Kormoraninsel von Gizycko aus |
8. Tag: |
Fahrt mit dem Taxi nach Mikolajki von Gizycko aus |
9. Tag: |
Gyzicko-Olsztynak-Stebark (Tannenberg)-Elblagkanal-Krasno-Elblag-Danzig,
375 km |
10. Tag: |
Besichtigung von Danzig und Fahrt nach Sopot, 35 km |
11. Tag: |
Gdanz-Gdyna-Wejherowo-Sluwinski-Nationalpark-Ustka-Kolobrzag-Swinouscie,
490 km |
12. Tag: |
Swinouscie-Szezeczin-Gorzow-Lubsko-Bad Muskau-Weißwasser-Bautzen-Dresden, 525 km |
13. Tag: |
Besichtigung von Dresden und Fahrt zum Elbsandsteingebirge, 100 km |
14. Tag: |
Dresden-Bad Schandau-Zittau-Frydlant-Maleupapaß-Mlado Boleslov-Prag, 305 km |
15. Tag: |
Besichtigung von Prag |
16. Tag: |
Prag-Strakowice-Strazny-Passau-Schärding-Baunau-Salzburg, 385 km |
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Allgemeines: |
Polen ist auf die Fläche bezogen das siebtgrößte Land Europas und steht auf Platz
62 der größten Länder weltweit. Der Staat ist größtenteils ein Flachland, nur im Süden
finden sich Gebirge. Der Name Polen leitet sich vom westslawischen Stamm der Polanen ab. |
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Einreise: |
Ist mit dem EU-Beitritt Polens ohne jede Grenzkontrollen möglich. Der polnische Zloty hatte
zum Zeitpunkt unserer Reise (Juni 2012) eine Umrechnungskurs von 4:1 (1 Euro = 4 Zloty). |
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Verkehr: |
Sturzhelmpflicht und Abblendlicht am Tag (auch für Autos). Tempolimits innerorts 50 km/h,
Überland 90 km/h, mehrspurige Schnellstraßen 100 km/h, Autobahnen 130 km/h. Die Treibstoffversorgung
ist problemlos. Vorsicht ist geboten an Bahnübergängen, bei denen die Schienen teilweise 10 cm oder
höher über den Sttraßenbelag hinaus ragen. |
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Unterkünfte: |
Hotels, Appartements, Campingplätze und Privatzimmer in allen Preisklassen. |
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Kulinarisches: |
Die traditionelle polnische Küche ist recht bodenständig und handfest. In ihr finden
sich die Einflüsse der litauischen, russischen, deutschen und jüdischen Küche wieder. Die Polen
sind gute Fleischesser, viel Rind, Schwein, Geflügel und Wurst kommen auf den Teller. Die Mahlzeiten sind
reichlich und deftig, meist mit viel Kraut als Beilage. Zudem sind die Polen Weltmeister im Suppen essen. 78 Liter
pro Kopf im Jahr bedeuten Weltrekord. Und was für eine Auswahl! Gurken-, Tomaten-, Sauerampfersuppe; Brennessel-,
Sauerkraut- oder Fleischtaschensuppe. Weniger bekannt hingegen sind die Grützsuppen Krupnik oder die Zurek
- die Sauermehlsuppe mit Wurst und Ei. Auf der Hitliste der Hauptspeisen ganz oben stehen weiters das Snyzel oder
das Kotlet. Gefolgt vom Bigos, dem berühmten Krauteintopf mit mehreren Fleischsorten, Wurst und Pilzen. Ebenfalls
zu den Klassikern gehört die Kaczka z jablami - die mit Äpfeln garnierte Ente - oder die gebratene Gans,
Ges pieczona.
Während der Wodka eine lange polnische Tradition hat, ist die Popularität des Bieres neu. Das eiunheimische
polnische Bier ist um einiges billiger als Exportbiere. Populäre Marken sind das Zywiec, Tichy oder das dunkle
O´kay. Der Weinmarkt ist noch sehr unterentwickelt. |
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Geschichte: |
Germanische Stämme siedelten einige Zeit vor 200 v. Chr. in großen Teilen des heutigen
Polens. Die Römer erwähnten bereits um Christi Geburt die Städte Kalisz und Truso. Dauerhaft besiedelten
seit dem 5. Jahrhundert erst die Westslawen das polnische Gebiet. Im 15. Jahrhundert, nach der politischen Ausschaltung
des Deutschen Ordens in Preußen, stieg das aus Polen und Litauen hervorgegangene Großreich zu einer
der führenden Kontinentalmächte Europas auf. Polens zunehmend innere Schwäche wurde Ende des 18.
Jh. von seinen Nachbarn Preußen, Österreich und Russland ausgenutzt, indem sie das Land gleichzeitig
überfielen und am Ende unter sich aufteilten. Polen wurde damit seiner Souveränität beraubt und
in drei unterschiedliche Staaten zerrissen.
Aufgrund der Niederlage der Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn erlangte Polen nach dem Ersten
Weltkrieg seine Souveränität zurück. Im Friedensvertrag von Versailles wurde die Unabhängigkeit
Polens 1919 im internationalen Rahmen bestätigt. Der Nachfolgestaat des Deutschen Kaiserreiches, die Weimarer
Republik, war gezwungen, die preußischen Provinzen Westpreußen und Posen aufzugeben, die im Rahmen
der polnischen Teilungen vom Königreich Preußen annektiert worden waren. Aufgrund der unklaren politischen
Verhältnisse kam es während der ersten Konsolidierungsphase immer wieder zu Konflikten mit den Nachbarstaaten
Deutschland, Russland und Litauen.
Kurz bevor Polen vom nationalsozialistischen Deutschland angegriffen wurde, stellte es im Zuge des Münchener
Abkommens territoriale Forderungen an die Tschechoslowakei. Am 1. September 1939 wurde Polen vom Deutschen Reich
angegriffen und am 17. September folgte, unter dem Vorwand des "Schutzes" der weißrussisch-ukrainischen
Bevölkerung, die sowjetische Besetzung Ostpolens. Damit nahm der Zweite Weltkrieg seinen Anfang, in dem sechs
Millionen polnische Staatsbürger, darunter fast 50 % jüdischer Abstammung, ihr Leben verlieren sollten.
Bereits Anfang der 1940er-Jahre errichteten die Nationalsozialisten mehrere Konzentrationslager auf dem Gebiet
Polens, unter anderen Auschwitz, Majdanek und Treblinka. Die Besatzungszeit hatte für große Teile der
polnischen Zivilbevölkerung katastrophale Folgen.
Im August 1944 begann auf Befehl der polnischen Exilregierung in London der Warschauer Aufstand. Die Sowjetunion,
deren Truppen bereits am Ostufer der Weichsel standen, hatte kein Interesse, die Einheiten der Heimatarmee zu
unterstützen. Die große Entfernung machte eine Hilfe der Westalliierten unmöglich. So konnten
deutsche Truppen die größte europäische Erhebung gegen die Okkupanten niederschlagen. Die Zahl
der Toten wird auf 250.000 geschätzt. Dabei wurde die Innenstadt Warschaus unter großem Einsatz an
Sprengmaterial nahezu vollständig zerstört.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurden die Grenzen des ehemaligen polnischen Staatsgebietes nach Westen
verschoben. Polen verlor das ethnisch gemischte, mehrheitlich von Ukrainern und Weißrussen bevölkerte
Drittel seines bisherigen Staatsgebietes an die Sowjetunion. Die dort ansässige polnische Bevölkerung
wurde repatriiert. Aus dem heutigen Ostpolen wurden etwa eine Million Ukrainer in die Sowjetunion und in die West-
und Nordgebiete Polens zwangsumgesiedelt. Im Westen und Norden wurde Polen die deutschen Gebiete östlich
der Oder zugesprochen. Etwa fünf Millionen Deutsche waren gegen Kriegsende von dort geflohen und wurden durch
Einreiseverbot an einer Rückkehr gehindert. Aus den Ostgebieten wurden nach dem Krieg weitere fünf Millionen
Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Auf die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges folgte die
kommunistische Diktatur. Das Land kam in den Einflussbereich der Sowjetunion und wurde als Volksrepublik Polen
Teil des Ostblocks.
Erst die Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc unter Lech Walesa führte schließlich zu einem gesellschaftlich-politischen
Umschwung im Land und zu den revolutionären Ereignissen von 1980 bis 1989, die zuerst in der Verhängung
des Kriegszustandes und schließlich in die ersten freien Wahlen im Ostblock 1989 mündeten. An deren
Ende wurde das kommunistische Regime durch eine demokratische Regierungsform ersetzt. Tadeusz Mazowiecki wurde
zum ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten Polens seit 1945 gewählt, von den 23 Mitgliedern
der Regierung waren nur vier Kommunisten. Seit 1989 wurde die polnische Wirtschaft mit schnellen Schritten in
eine funktionierende Marktwirtschaft umgewandelt. Im Dezember 1990 wurde der ehemalige Solidarnosc-Vorsitzende
Lech Walesa in einer Volkswahl zum Staatspräsidenten gewählt. 1991 endete die Mitgliedschaft im Warschauer
Pakt durch Auflösung des Militärbündnisses. |
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Kartenmaterial und Nachweis: |
EuroCart Polen Nordost und Masurische Seenplatte 1:300.000, EuroCart Polen Südost und Tatra
1:300.000; Marco Polo Reiseführer Polen, Dumont Reiseatlas Masuren. |
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© Peter Winklmair |
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