Pyrenäen 2011
verwunschene Schleichwege und wildromantische Bergtäler
Pyrenäen - ist das nicht so ein rostbrauner Strich auf der ansonsten grünen Landkarte mit rechts und links dem gewohnten Blau der Meere? Und muss man nicht jedes Mal kurz nachdenken, bevor man den Namen niederschreibt? Dabei handelt es sich bloß um den rund 430 km langen Gebirgszug, der Frankreich von der Iberischen Halbinsel trennt. Doch eine lange, umständliche Anreise - zumal der Autoreisezug nach Narbonne nur mehr von Norddeutschland oder innerhalb Frankreichs verkehrt - hält viele davon ab, das alpenländische Gegenstück zu besuchen. Doch wir fanden eine Alternative dazu.
© Autor, Fotos und Text: Peter Winklmair
 
Es war Anfang September und nach einem mehr oder minder durchwachsenen Sommer wölbte sich ein strahlend blauer Himmel über Europa. Es war eine gute Entscheidung gewesen im Herbst zu fahren. Er ist und bleibt die stabilste Jahreszeit - und erst recht im Mittelmeerraum, dort wo wir eben hinwollten.
Über den Felber Tauern und den Staller Sattel kamen wir nach Südtirol. Dort durften das Grödner und Sellajoch natürlich nicht fehlen. Doch die Enttäuschung war groß. Eine nicht enden wollende Kolonne von Wohnmobilen, Bussen und Sonntagsausflüglern quälte sich die Kehren empor. Kein ungetrübter Fahrspaß - selbst für behende und antrittsstarke Motorräder.
Und die Enttäuschung wurde noch größer, als das Verkehrsaufkommen im Fassatal immer stärker wurde und im Val die Fiemme regelrecht kollabierte. Also nichts wie runter ins Etschtal und rauf auf die parallel zur Autobahn verlaufende - und vor allem mautfreie - Schnellstraße. In Pacengo del Garda unmittelbar neben dem Freizeitpark "Gardaland" legten wir eine Pause ein und übernachteten hier. Ein günstiger Abfahrtstermin der Fähre Genua-Barcelona erlaubte uns diese fahrtechnisch schönere Anreise.
Die Po-Ebene durchfuhren wir auf kürzestem und schnellstem Weg, ehe es über den Appenin ging. Wir entschieden uns für die Strecke über Bobbio, und es sollte eine gute Wahl sein. Denn durch das Val di Trebe dürften die Straßenbauer über eine Streckenlänge von rund 80 Kilometern auf gerade Teilstücke vollkommen vergessen haben. Kurve reihte sich an Kurve und die Noppen an meinen kurz vor der Fahrt frisch aufgezogenen Metzeler Endurance-Reifen verschwanden im Nu. Genua hat seit der Erfindung der Navigationshilfen viel von seinem Schrecken verloren. Schnell den Hafen eingegeben und die freundliche Stimme im Kopfhörer lotst den Suchenden zielsicher und punktgenau zur Anlegestelle der Fähre.
Denn wir hatten uns wie bereits erwähnt für eine Anreise per Schiff entschieden, anstatt die lange Anreise über Italien oder die Schweiz, bzw. durch Seealpen in Kauf zu nehmen. Zumal sich die Verladestellen des Autoreisezuges nach Narbonne für die Bewohner Süddeutschlands, Österreichs und der Schweiz in beinahe unerreichbaren Entfernungen befinden. Dabei fuhr dieser Zug früher einmal von Salzburg, später von München oder von Basel aus nach Südfrankreich. Und war, wenn man den Bikerforen Glauben schenken darf, niemals unausgelastet. Es ist daher absolut unverständlich, warum eine Verladedestination nach der anderen gestrichen wurde. Unsere Fähre von der Reederei GNV hingegen brachte uns über Nacht in 18 Stunden geruhsamer Fahrt und für knapp über 300 Euro (hin und retour) in einer Kabine ans Ziel.
 
In Barcelona herrschten noch hochsommerliche Temperaturen, doch den Pflichtbesuch dieser quirligen Stadt hoben wir uns für die Rückreise auf. Über Sabadell verließen wir den Großraum Barcelona und kamen über Ripoll zu den Pyrenäen.
Gleich der erste Anstieg, der Collado de Tosas mit seinen 1800 m, kam uns richtig hochalpin vor. Kein Wunder, der Anstieg begann ja praktisch auf Meereshöhe, wir fuhren somit volle 1800 Höhenmeter. Nach dieser einsamen Berglandschaft empfing uns eine recht überfüllte Hauptverkehrsader in den Kleinstaat Andorra, lt. Reiseführer ein Steuer- und Zollfrei-Paradies. Nun, paradiesisch kam uns das Fürstentum Andorra nicht gerade vor. Zwar hoben sich die niedrigen Spritpreise deutlich von den uns bekannten ab, aber die vielen Häuser in diesem schmalen Tal und der dadurch bewirkte Verkehrsstau schreckten uns eher ab. Nun, gesehen haben wir Andorra, aber nochmals besuchen müssen wir es nicht mehr. Dabei hätte es mit dem Col de la Botella eine Offroad-Umfahrung von Andorra gegeben. Doch da ich der einzige Stollenbereifte in unserer Runde war, blieb ich bei meinen Freunden und verzichtete auf diese Schotteretappe.
Der über 2400 m hohe Port d´Envira bildet die Grenze nach Frankreich und ist zugleich der höchste Pyrenäenpass. Fast alle motorisierten Straßenbenützer - vornehmlich die LKW- und PKW-Fahrer - benützten aber den Tunnel. Wir jedoch fuhren über die Scheitelstrecke. Die Kehren waren super, die Aussicht am Scheitel toll, auch wenn ein paar Billig-Tankstellen diese teilweise verstellten. Und bekamen einen ersten Eindruck von dem, was uns im weiteren Verlauf in den Pyrenäen noch öfters bevorstehen sollte. Die auf den Almen frei umherlaufenden Weidetiere sehen nämlich auch eine Passstraße als ihr Territorium an. Ganze Herden von Kühen, Schafen, ja sogar Pferden, bevölkern die Fahrstraßen. Und lassen sich weder von energischem Hupen, noch von lautem Rufen, allerhöchstens durch Futter weglocken!
 
Auf französischer Seite fuhren wir in weiterer Folge von Ax-les-Thermes bis nach Niaux nicht auf der N20, sondern auf der gerade mal einspurigen parallel dazu verlaufenden Route des Corniches. CornichesDiese Route scheint speziell für Motorräder gebaut worden zu sein. Etwas breiter als einspurig mit vielen Kurven mitten durch hügeliges Weinbaugebiet schlängelt sie sich vorbei an einsamen Weilern, kleinen romanischen Kapellen und einer mystischen Burgruine. Im Dorf Niaux im Vicdessos-Tal legten wir wieder einen Halt ein. Denn hier gibt es zahlreiche Höhlen und Grotten, die schon von urzeitlichen Menschen zumindest benutzt, möglicherweise auch bewohnt wurden. Zahlreiche gefundene Höhlenmalereien belegen dies eindeutig. Wir entschieden uns zum Besuch der im 17. Jahrhundert entdeckten, aber erst 1906 erforschten Grotte von Niaux.
Sie gehört zum Umkreis der Frankokantabrischen Höhlenkunst und es handelt sich dabei um ein weitverzweigtes Höhlensystem, das durch einen einstmals existierenden unterirdischen Wasserlauf regelrecht "eingebohrt" wurde. Darin befinden sich zahlreiche Höhlenzeichnungen, u.a. mit Darstellungen von Wisenten, Pferden, Steinböcken, Hirschen sowie bislang unverstandene Gruppen von Punkten und Strichen. Es gibt aber noch keine Hinweise, die darauf hindeuten, dass die Höhle auch bewohnt war.
Ein Teil dieser Zeichnungen wird mit etwa 13.500 bis 12.500 Jahren angegeben. Die mit Manganoxidfarben ausgeführten, heute leicht verblichenen Zeichnungen im Hauptsaal, dem sogenannten Salon Noir, sind ca. 775 m vom Höhleneingang entfernt und können in einen rund 40-minütigen Fußmarsch nur mit Hand- und Stirnlampen ausgerüstet erreicht werden. Dabei wird die Zahl der Teilnehmer streng reglementiert, weil zuviel Körperwärme und Atemluft den Malereien Schaden zufügen könnten.
 
Schwer beeindruckt verließen wir zu Mittag das Vicdessos-Tal und nahmen darauf gleich acht Pyrenäenpässe unter die Räder. Am beeindruckendsten war dabei immer wieder der Umstand, dass sich die Talsohle gerade mal über Meereshöhe befand und die Höhenangaben der Scheitelpunkte deshalb auch echte Höhenmeter waren. Col d'TourmaletSo wie beim Col de Port, dessen Trassenführung sich eng am Felsen in die Höhe von 1400 m zog. Höhepunkt des Tages war sicher der 2.200 m hohe Col du Tourmalet, der vor allem durch die Tour de France bekannt geworden ist. Lange Galerien, die vor Steinschlag schützen, ruppiger Beleg und eine Trassenführung, die an eine Carrera-Bahn inmitten der Bergwelt erinnert. Alleine der Blick von der Abrisskante am Scheitelpunkt neben dem Tour-de-France-Denkmal auf die Westrampe ist die Fahrt wert.
Im Jahr 1910 wurde der Pass als erster Hochgebirgspass überhaupt in das Programm der Tour de France aufgenommen. Damals führte nur ein Pfad über den Pass, und zudem gab es in den Pyrenäen noch freilebende, wilde Bären. Bei der Inspektion des Passes wäre einer der Scouts fast ums Leben gekommen, telegrafierte aber an die Organisatoren die mittlerweile fast legendären Worte "Bin gut über den Tourmalet gekommen. Stop. Straße in gutem Zustand. Stop. Keine Schwierigkeiten für die Fahrer." Das alljährlich von Fernsehkommentatoren erwähnte Drama von Eugène Christophe und seiner gebrochenen Vorderradgabel, die er nach langem Fußmarsch in einer Schmiede in Sainte-Marie-de-Campan selbst reparieren musste, ereignete sich 1913 ebenfalls am Tourmalet.
Col d'AubisqueHeute gilt der Col du Tourmalet zusammen mit Alpe d'Huez, dem Col du Galibier und dem Mont Ventoux als einer der schwersten und berühmtesten Anstiege der Tour de France. Unvorstellbar, welche Qualen die teilnehmenden Radrennfahrer hier erleiden müssen. Und noch unvorstellbarer, dass sich diese Quälerei unzählige Privatfahrer freiwillig antun und ebenfalls herauf fahren. Für sie das wichtigste dabei ist sicher das Beweisfoto mit der überlebensgroßen, metallenen Radfahrer-Skulptur auf dem Scheitelpunkt. Doch bevor wir den nächsten Höhepunkt der Tour de France in den Pyrenäen - den Col d´Aubisque - ansteuerten, galt es einen der berühmtesten Wallfahrtsorte des Christentums zu besuchen: Lourdes.
 
Im Jahr 1858 soll die damals 14-jährige Bernadette Soubirous nahe der Grotte Massabielle mehrfach Erscheinungen in Form einer weiß gekleideten Frau gehabt haben. Später offenbarte sich nach ihren Worten die Erscheinung als die "unbefleckte Empfängnis", was die kirchliche Untersuchungskommission als Bestätigung von der Unbefleckten Empfängnis der Maria, Mutter des Jesus, deutete. Eine Quelle in der Grotte soll während einer dieser Erscheinungen freigelegt worden sein. Die Mutter Gottes beauftragte darauf Bernadette Soubirous, eine Kirche auf der Grotte errichten zu lassen.
LourdesHeute ist diese Kirche einer der bedeutendsten christlichen Wallfahrtsorte. Der Quelle werden Heilkräfte zugeschrieben und es wurde schon von vielen Wunderheilungen berichtet. Über der Grotte hängen sogar Krücken von Menschen, die angeblich wieder freihändig gehen konnten, nachdem sie das Wasser aus der Grotte getrunken haben. Allerdings hat der Vatikan erst 65 von den etwa 3.000 gemeldeten Heilungen bestätigt. Zuletzt 1976, als ein junger Italiener angeblich von einem Tumor geheilt wurde. Allerdings bedarf es großer Geduld, um kurz den Felsen mit der Quelle berühren zu können. Alleine bei unserem Besuch war die Warteschlange mehrere hundert Meter lang. Jeden Abend gibt es eine eigene Prozession rund um den geweihten Bezirk, an der sich täglich tausende Gläubige beteiligen.
Ein großer Nachteil ist, dass rund um diese heilige Stätte ein wahrer Kult betrieben wird, besonders im negativen Sinne. So werden busweise Rollstuhlfahrer, Behinderte, Alte und Gläubige heran gekarrt, denen zu überzogenen Preisen kanisterweise das Quellwasser, überdimensionierte Wachskerzen oder Statuen der Bernadette verkauft werden. Örtliche Firmen sind einzig damit beschäftigt fließbandartig diese Heiligenfiguren, religiöse Postkarten, die Behälter für das heilende Quellwasser oder die Kerzen aller erdenklichen Größen herzustellen. Sogar in der Verfilmung der Rockoper "Tommy" von The Who fand Lourdes Erwähnung, wo der Prediger (gespielt von Eric Clapton) den blinden, tauben und stummen Jungen Tommy zu heilen versuchte.
 
Tags darauf holten wir dann nach, was sich am Vortag wegen des Besuches von Lourdes nicht mehr ausgegangen war. Wir fuhren über den 1709 m hohen Col d'Aubisque, einem der geschichtsträchtigsten Berge in den Pyrenäen, zumindest die Tour de France betreffend. Als u.a. der spätere Etappensieger Octave Lapize 1910 den Col d'Aubisque überquerte, war er anschließend auf die Organisatoren nicht sonderlich gut zu sprechen und beschimpfte sie erschöpft sogar: "Ihr verdammten Mörder!" ("Vous êtes des assassins. Oui, des assassins! "). Und 1951 stürzte der holländische Träger des Gelben Trikots Wim van Est bei der Abfahrt spektakulär 70 m tief in eine Schlucht und konnte von seinen Kollegen nur mit Hilfe von zusammengeknoteten Fahrradschläuchen geborgen werden. Die ursprüngliche Trasse stammt noch aus dem Jahr 1780 und wurde von Napoleon in Auftrag gegeben. Ähnlich dem Tourmalet ist auch hier Kehre für Kehre übersät mit auf den Asphalt gemalten Namen von Radstars, auch hier quälen sich zahlreiche Hobbyfahrer bergan und lassen sich auf dem Scheitelpunkt mit den überdimensionierten Radfahrer-Skulpuren auf Celluloid bannen.
BiarritzNach dem Col d'Aubisque wurden die Passhöhen in den Westpyrenäen nun zusehends niedriger, näherten wir uns doch unaufhaltsam dem westlichsten Punkt unserer Pyrenäen-Fahrt, der Atlantikküste. Im baskischen Städtchen Biarritz schlugen wir unsere Zelte auf, natürlich in Form von Doppelzimmern. Für schlappe 50 Euro pro Person im 2-Sterne-Hotel! Pech gehabt. Die ausklingende Urlaubszeit und ein durch einen baskischen Feiertag verlängertes Wochenende bescherten uns volle Hotelbetten in Biarritz. Am Abend schlenderten wir durch mondäne Parks und vorbei an prunkvollen Hotels, die mitten in die Vergangenheit führen.
 
Die Stadt ist ein bekanntes See- und Heilbad. Im Mittelalter war Biarritz eigentlich als Walfanghafen bekannt, die Meeressäuger traten damals in großen Mengen im Golf von Biskaya auf. Bei Flut konnte man die Wale an den flachen Strand schleppen und sie bei Ebbe zerteilen. Doch im 17. Jahrhundert waren die dortigen Wale ausgerottet und damit erstarb auch der Walfang.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war Biarritz ein eher unbedeutendes Fischerdorf. Dies änderte sich, als 1854 Kaiserin Eugénie, Ehefrau von Napoléon III., nach Biarritz kam und der Kaiser ihr daraufhin eine Residenz bauen ließ, die das Paar danach regelmäßig besuchte. Die kaiserliche Residenz wird heute als Hotel genutzt. Diese Besuche machten Biarritz auch bei anderen Königshäusern Europas bekannt. Nach und mit ihnen kamen die Könige aller Herren Länder nach Biarritz. Sogar die österreichische Kaiserin Elisabeth ("Sissi") versuchte hier ihren Weltschmerz zu kurieren. Und in den 1920ern war Biarritz eine der Hauptstädte des Charleston-Tanzes. Ein Umstand, der auch Charlie Chaplin an den Golf von Biskaya lockte. So wie auch Coco Chanel oder Frank Sinatra. Die Dreharbeiten für die Hemingway-Verfilmung "Zwischen Madrid und Paris" brachten in den 1960er Jahren dann den Surfsport nach Biarritz. Begünstigt durch die relativ hohen Wellen der Biskaya sind die Strände um Biarritz heute eine der Surfhochburgen Europas.
 
Wie wir schon im Vorfeld unserer Reise befürchtet hatten, schlug genau am Atlantik das Wetter um. War es bisher jeden Tag hochsommerlich heiß, begann es nun zu regnen und es kühlte spürbar ab. Doch wie uns versichert wurde, würde es nur ein "kleines" Biskayatief sein. Es sollte nur rund 200 km Durchmesser haben und Richtung Osten bald an Wirkung verlieren. Also brachen wir unsere Zelte wieder ab, warfen uns in die regendichte Kleidung und machten uns auf den Weg in den Osten. Doch die Regenwolken erwiesen sich hartnäckiger als erwartet. Sogar auf der ansonst trockeneren spanischen Seite der Pyrenäen blieben die Himmelsschleusen geöffnet. Da konnten die Pässe und Kehren in der Sierra de Abodi noch so schön sein, bei Regen kam nur der halbe Fahrspaß auf. Ich denke da im Besonderen an den Collado di Ibanetta im Tal Reconvalles, wo ein großes Denkmal an die tapferen Helden rund um Ritter Roland mit seinem Horn Olifant erinnern. Exakt an dieser Stelle sollen sie ihr Leben gegen die maurische Übermacht ausgehaucht haben, nachdem sie zuvor im Heer Karls des Großen im Raum Pamplona einen überragenden Sieg über die Mauren gefeiert hatten. Kaiser Karl ließ darauf seinen Neffen Roland mit einem kleinen Heer von tapferen Getreuen zurück, um einerseits seinen Rückzug zu decken und andererseits einen erneuten maurischen Vorstoß zu verhindern. Sollte er in allzu großer Gefahr sein, sollte Roland in sein riesiges Horn Oifant stoßen, damit Karl es hören und umkehren könnte. Prompt rückten die Mauren wieder an und als nur mehr Roland und eine Handvoll Getreuer lebten, blies er das Horn. Karl kehrte sofort um, fand aber keine Lebenden mehr vor. Daraufhin trieb er die Mauren weit zurück ins spanische Flachland, was gleichzeitig den Beginn der Reconquista (Rückeroberung Spaniens) einläutete. Aber heute ist man sich nicht mehr ganz sicher, ob Roland wirklich von den Mauren angegriffen worden ist oder von baskischen Untergrundkämpfern. Denn diese befürchteten nach der maurischen Unterdrückung nun eine weitere durch die anwesenden fränkischen Ritter.
 
Die auf unserer Strecke durch eine wilde Gebirgslandschaft gelegenen Bergdörfer schienen nicht nur wegen des nasskalten Wetters ausgestorben zu sein, sie waren es tatsächlich. Bei jeder Durchfahrt brach sich das dumpfe Viertakt-Grollen unserer Boliden zwischen den engen, menschenleeren Gassen. Noch in Zeiten des Franco-Regimes - also bis Mitte der 1970er Jahre - versteckten sich hier seine Regimegegner. Die spanische Seite der Pyrenäen hier in der Sierra Longa ist einsam, wild und war lange nicht erschlossen. In den letzten vier Jahrzehnten setzte daher eine wahre Landflucht ein!
Auf dem Collado de Guilhers wurde unsere Belastbarkeit aufs Äußerste strapaziert. Strömender Regen, Nebel und eine rutschige Straße zerrten an den Nerven, verhinderten ein Genießen der verwinkelten und fast hakeligen Trassenführung. Obendrein sprangen zwei unserer Maschinen genau bei der Auffahrt auf Reserve. Und wie immer in solchen Situationen kommt natürlich keine Tankstelle daher! Robert musste seine Suzuki gar abwärts rollen lassen, während es Gerhard gerade noch in das Dorf Arette - nun wieder auf französischer Seite - geschafft hatte. Hermann hatte gerade noch ein paar Tropfen in seinem Tank. Meine Africa Twin war zwar das hubraumschwächste Fahrzeug des Quartetts, aber das mit dem größten Tankvolumen und wahrscheinlich auch mit dem geringsten Verbrauch. Also machte ich mich auf Tankstellensuche, um meine Kumpels mit dem kostbaren Nass zu versorgen. Zwar versprach mein Navi eine Tankstelle in Arette, die es aber leider nicht mehr gab. Also machte ich mich auf die Suche. Diese ganze Aktion veranschlagte 30 km und dauerte geschlagene 2 Stunden, bis alle Bikes wieder mit dem kostbaren Treibstoff versorgt waren. Aber zumindest hatte der Regen inzwischen aufgehört.
 
Wir fuhren dann weiter zum Felskloster San Juan de la Pena, das in den Medien mit den Meteoraklöstern von Griechenland verglichen wird. Aber ich kann versichern, dass es diesem Vergleich nicht stand halt. Obwohl das um 900 gegründete Kloster sehr plakativ direkt unter einem riesigen, überhängenden Felsen gebaut wurde. PKW-Insassen müssen das Auto auf einem Parkplatz abstellen und werden mit Bussen auf einer extrem kurvigen, einspurigen Straße auf den Berg gekarrt. Motorradfahrer dürfen diese Straße befahren. Aber es machte keinen rechten Spaß, andauernd einem entgegenkommenden Bus auszuweichen oder dessen mehrmaliges Reversieren in den Kehren abzuwarten. Weshalb wir sofort umkehrten und weiter fuhren nach Huesca, wo wir Station machten. Nicht ohne zuvor auf dem gerade frisch asphaltierten Collado di Montrepas die Pferde unserer Motorräder ungezügelt galoppieren zu lassen. Die Steigungsstrecke mit teilweise drei Fahrstreifen erleichterte Überholvorgänge massiv und wenn die Reifen eine entsprechende Schräglage zugelassen hätten, würden wir sprichwörtlich mit den Ohren den Asphalt gestriffen haben. Auf dem tiefschwarzen Asphaltband schwangen wir durch eine rotbraune Wildwest-Kulisse, Kontraste wie im Südwesten der USA. Fehlten eigentlich nur noch die Indianer.
 
Durch einen fantastischen Canyon bei La Pablo kamen wir auf absolut unbefahrenen Straßen zum Collado de Fedaille. Leider glänzen die spanischen Pässe nicht mit der selben phänomenalen Rundsicht wie ihre französischen Pendants. Dafür warten sie mit langgezogenen, teilweise 180°-Kehren auf, die bei entsprechend guter Einsicht und griffigem Straßenbelag förmlich zum Heizen einladen. Ansonsten ist generell eine angeborene Vorsicht bei unübersichtlichen Streckenpassagen angeraten.
In weiterer Folge erreichten wir Montserrat, den berühmten 1200 m hohen Klosterfelsen nahe Barcelona. Die fingerförmigen Felsen des umliegenden Gebirges sehen aus, als hätte an einzelnen Punkten das Gewicht von Felsbrocken den Untergrund verfestigt, doch hat Erosion das umgebende Material entfernt. Außer der sehr kurvenreichen Straße führt auch eine Seilbahn und seit 2003 auch wieder eine Zahnradbahn direkt zum Kloster. In der Santa Cova, der großen KIrche, befindet sich oberhalb des Altars zudem die romanische schwarze Madonna, die Schutzpatronin Kataloniens. Über die etwa 10 Kilometer lange Bergkette verstreut befinden sich auch noch kleinere Klöster sowie zahlreiche, meist verfallene Einsiedeleien. Aber wie so oft bei derartigen Sehenswürdigkeiten herrschte Massentourismus vor, obwohl wir an einem Wochentag und am späten Nachmittag vor Ort waren.
Dann fuhren wir hinunter nach Barcelona, tauchten ein in diese pulsierende Metropole. Sie ist zudem die Hauptstadt Kataloniens und zweitgrößte Stadt Spaniens. Innerhalb des Stadtgebietes leben etwa 1,6 Millionen Menschen, im weiteren Einzugsbereich der Metropolregion insgesamt knappe 5 Millionen Menschen. Die Stadt ist von kleinen, bebauten Hügeln durchzogen, die den auf ihnen errichteten Vierteln den Namen geben. Der Berg Montjuïc liegt direkt am Hafen, auf ihm liegt auch eine Festung aus dem 17. Jahrhundert, die früher die Stadt kontrollierte. Heute ist die Festung ein Militärmuseum, und der Berg beherbergt einige olympische Einrichtungen aus dem Jahr 1992.
 
Am nächsten Tag gaben wir unseren Sitzfleischen Urlaub und fuhren mit öffentlichen Verkehrsmitteln in das Zentrum. Die Bikes blieben gut verstaut in der hoteleigenen Garage, denn Barcelona ist ein guter Platz für allerlei Diebe, egal ob bei Autos, Motorrädern, Teilen davon oder Geldtaschen. Im Zentrum bestiegen wir einen der typischen Sightseeing-Busse, die zwischen den Sehenswürdigkeiten pendeln und die man immer wieder zwecks Besichtigung verlassen kann. Damit ließen wir uns durch Barcelona fahren. Als erstes verließen wir ihn bei einem der Wahrzeichen der Stadt, der von Antoni Gaudi erbauten Kirche Sagrada Familia.
BarcelonaDie Sagrada Família (vollständige Bezeichnung: Temple Expiatori de la Sagrada Família) ist eine römisch-katholische Basilika. Ihr Bau ist bis heute unvollendet. Er wurde bereits 1882 begonnen und auf die Frage "Meister, wann wird die Kirche fertig sein?" antwortete Gaudi zumeist: "Das alleine weiß mein Auftraggeber. Aber der hat alle Zeit der Welt." Die Sagrada Família hat einen kreuzförmigen Grundriss und überall finden sich komplexe Verzierungen und dekorative Elemente, wie etwa spindelartige Türme, die einer Sandburg gleichen und deren Dächer von geometrischen Formen gekrönt sind. Im vollendeten Zustand soll die Sagrada Família einmal 18 Türme besitzen, zwölf werden den Aposteln gewidmet sein. Der höchste soll mit einer Höhe von 170 Metern den bislang höchsten Kirchturm der Welt (Ulmer Münster) um mehr als acht Meter überragen.
Unter anderem kamen wir auch beim Nou Camp-Stadion des FC Barcelona vorbei. Es wurde 1957 eingeweiht, wird seither vom FC Barcelona als Heimstadion genutzt und bietet 99.350 Zuschauern Platz. Es ist damit das größte Stadion Europas. Kein Mensch, der sich auch nur halbwegs mit Fußball beschäftigt, kann sich der Faszination dieses Stadions entziehen. Spielten doch hier schon viele Größen des internationalen Fußballs wie Diego Maradona, Laszlo Kubala, Johann Cruyff oder aktuell zum Zeitpunkt unseres Besuches Lionel Messi. Sogar Österreichs Fußballlegende Hans Krankl war hier Spieler und wurde gar spanischer Torschützenkönig. In diesem Stadion werden wahre Fußballfeste zelebriert, spielt doch der FC Barcelona Jahr für Jahr eine tragende Rolle in der Champions League, der Europameisterschaft für Vereinsmannschaften.
 
Krönender Abschluss unserer Sightseeing-Busrunde war der Placa de la Catalunya und in weiterer Folge die zwei Kilometer lange Flaniermeile Las Ramblas, an die ich keine so guten Erinnerungen hege. Wohl etwas abgelenkt vom bunten Treiben merkte ich erst in letzter Sekunde, dass mir ein Taschendieb an die Wäsche wollte, bekam ihn auch zu fassen. Aber in dem folgenden Handgemenge waren seine Komplizen schneller als meine Freunde. Mir blieb nur die ratzebutz geleerte Geldtasche und die Gauner waren so schnell in der Menge untergetaucht wie sie aufgetaucht waren. Da half nicht einmal eine konkrete Täterbeschreibung bei der Polizei, die Herrschaften zuckten nur hilflos mit den Schultern.
Dabei heisst es, dass diese auf beiden Seiten mit Bäumen gesäumte auf einem mittelalterlichen Auffangkanal für Hochwasser erbaute Straße die Sinne schärft: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Gaukler, Artisten, Maler, Straßenverkäufer, Junge und Alte, Arme und Reiche, Einheimische und Touristen, Nachtschwärmer und Besinnliche, alles tummelt sich zwischen den Lokalen und Verkaufsbuden auf den Las Ramblas. Leider aber auch lichtscheues Gesindel.
 
Was uns am Vortag im Bus überhaupt nicht aufgefallen war, waren die unzähligen Ampeln, die permanent nur Rot anzeigten. So wird in Barcelona offensichtlich der Individualverkehr massiv eingebremst. Doch nun auf den eigenen Rädern unterwegs, nervte das ständige Stop and Go. Selbst mit den Motorrädern gab es zwischen den Kolonnen kein Durchkommen, außer man fuhr in der selben selbstmörderischen Art und Weise wie die einheimischen Biker. Unsere Kühlerventilatoren hörten überhaupt nicht mehr auf zu arbeiten. Das Einchecken und verladen auf die GNV-Fähre Excelsior gleich neben der 30 m hohen Kolumbusstatue am Hafen ging rasch vonstatten und die 18-stündige Schiffspassage konnte losgehen. Noch dazu wo ein spiegelglattes Mittelmeer unter azurblauem Himmel keine Sorge zu Unstimmigkeiten verhieß.
 
Durch eine frühe Ankunft in Genua kamen wir zu keinem Frühstück, welches wir in einem Vorort namens Cogoletto nachgeholt haben. Col du TuriniDann fuhren wir auf schnellstem Weg zur französischen Grenze und von dort nach Sospel. Rallye-Fans werden nun sofort aufhorchen, denn in Sospel wird eine der schwierigsten Etappen der Rallye Monte Carlo - "die Nacht der langen Messer" über den Col du Turini gestartet. Wohlgemerkt aber im Jänner bei Schnee und Eis und wie der Name schon sagt zu nachtschlafener Zeit! Meine drei Freunde wandelten somit auf den Spuren dieser Rallye, während ich unbedingt auf die Ligurische Grenzkammstraße wollte. Somit trennten sich unsere Wege für die nächsten Stunden.
Da mich sowieso nur die interessanteren Teilstücke der Kammstraße reizten, stieg ich etwa in der Mitte bei La Brigue nahe der Ortschaft Tende ein. Und wer in Anbetracht der Mittelmeernähe dabei an ein sanftes Hügelsträßchen denkt, der irrt gewaltig. TendeDie Seealpen südlich des Tende gehören zum wildesten, was die Alpen zu bieten haben. Obwohl überall gewarnt wird, die Grenzkammstraße möglichst nicht alleine zu befahren, vertraute ich meiner Ortskenntnis und Erfahrung. Schließlich war ich schon dreimal hier. Denn ihre Beschilderung stellt ein massives Problem dar, im Grunde ist sie überhaupt nicht beschildert.
 
Und zugegeben: sowohl die italienischen als auch die französischen Behörden zeigen kein großes Interesse an einer Instandhaltung. Große Felsbrocken mitten auf der Fahrbahn werden einfach liegen gelassen, nicht mehr beiseite geschafft. Mit einem Geländewagen hätte es diesmal kein Durchkommen gegeben. So aber konnte ich derlei Hindernisse mit viel Geschick und Gleichgewichtssinn umfahren, meine schwer beladene Reise-Enduro mit niedriger Drehzahl mal dahin rollen lassen, mal energisch um enge Radien dirigieren und die unberührte, wildromantische Landschaft an mir vorbei ziehen lassen.
Ich kam nach etwa dreistündiger, teilweise schweißtreibender Schinderei für 30 km (!!) beim Fort Central auf dem Col de Tende an. Leise klickerte der Motor der Honda und unzählige Murmeltiere pfiffen die Melodie der Hochalpen, dazu gab es diese herrliche Rundsicht. Die 45 Kehren auf der rund 8 km langen Strecke hinunter ins Tal zum Tendetunnel sind immer wieder ein Genuss, auch wenn die engen Kehren mit vollem Tankrucksack in richtige Arbeit ausarten. In Vernante kurz nach der Grenze trafen wir uns wieder, von wo wir die flache und daher kurvenarme Po-Ebene trachteten, über Mailand und den Comosee so schnell wie möglich zu durchfahren.
 
In Ponte di Legno am Fuße des Gaviapasses übernachteten wir ein letztes Mal, denn an unserem letzten Reisetag sollten gleich mehrere Alpen-Höhepunkte auf dem Programm stehen. Am nächsten Morgen wölbte sich ein strahlend blauer Himmel über die mittlerweile schneebedeckten Gipfel, allerdings nur bei einstelligen Morgentemperaturen. GaviaUnd noch immer stellt der 2.618 m hohe Gaviapass eine fahrerische Herausforderung dar, obwohl er seit einem Erdrutsch bei Veltlin - der das Addo-Tal monatelang blockiert hatte - asphaltiert wurde. Aber die Fahrbahn ist noch immer großteils nur einspurig und die 28 Kehren auf der Südseite weisen immens schmale Radien auf. Aber gottseidank kenne ich ihn ja auch aus der Zeit, als die Strecke noch durchgehend eine Naturfahrbahn war. Ironischerweise hatte ich damals noch keine Reiseenduro und quälte stets einen meiner Straßenboliden drüber.
 
Nach der Nordrampe des Gavia folgt die Königin der Alpenpässe, das Stilfser Joch. Bereits im Jahr 1826 von den Österreichern erbaut, führen 48 Kehren auf der Südrampe entlang eindrucksvoller Wasserfälle im Wormser Loch und durch unbeleuchtete Lawinengalerien, sowie 49 Kehren auf der Nordrampe auf den 2.758 m hohen Scheitelpunkt. Stilfser JochEin Wahnsinn, welche Leistung die damaligen Straßenbauer erbracht haben! Früher hieß der Pass nach dem österreichischen Thronfolger auch Ferdinandshöhe. Der Ausblick von der etwas höher gelegenen Dreisprachenspitze ist wirklich gigantisch, vor allem auf den Ortler- und Fornogletscher, die beide zwischen 1915 und 1918 im Brennpunkt des Kriegsgeschehens lagen. Noch heute nach fast 100 Jahren apern die Gletscher altes Kriegsmaterial aus. Doch leider locken solche Herausforderungen auch bergunerfahrene Verkehrsteilnehmer an, die sich oder anderen etwas beweisen wollen. Und es kann mir niemand glaubhaft versichern, dass das Stilfser Joch mit einem acht Meter langen Wohnmobil tatsächlich Spaß macht. Oder mit einem vollverkleideten Supersportboliden, der so gut wie keinen Lenkereinschlag hat.
 
Den krönenden Abschluss bildete dann das Timmelsjoch am Similaungletscher, wo 1991 oberhalb des Niederjochferners (so werden Gletscher in Südtirol und Österreich ebenfalls genannt) die ca. 5.000 Jahre alte, aber bestens erhaltene Leiche des sogenannten "Ötzi" gefunden wurde. Zuvor durchfuhren wir noch das ebenfalls geschichtsträchtige Passeiertal, in dem der berühmte Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer als "Sandwirt" im Ort St. Leonhard tätig war, bevor er die Tiroler Bevölkerung zu den Waffen rief und Napoleons Truppen auf dem Berg Isel eine empfindliche Niederlage zufügte.
Vom Tiroler Ötztal waren es dann nur mehr 250 km heim nach Salzburg. Dort wo wir zuhause sind und wo unsere Pyrenäentour auch begonnen hatte.
 
© Peter Winklmair

 
REISEINFORMATIONEN
Streckenführung:
1. Tag: Salzburg-Staller Sattel-Dolomiten-Val die Fiemme-Rovereto-Pacenge del Garda, 490 km
2. Tag: Pacengo del-Garda-Brescia-Cremona-Bobbio-Genua, 285 km
3. Tag: Schiffspassage, Barcelona Hafen-Stadtteil San Joan, 11 km
4. Tag: Barcelona-Ripoll-Andorra-Route des Corniches-Niaux, 380 km
5. Tag: Niaux-Col de Port-Col de Portet Aspet-Col de Peyresourde-Col du Tourmalet-Lourdes, 280 km
6. Tag: Lourdes-Col d´Aubisque-Assap-Mouleon-Biarritz, 245 km
7. Tag: Besichtigung von Biarritz
8. Tag: Biarritz-St. Jean de Port-Reconvalles-Collade de Guilhers-San Joan de la Pena-Huesca, 490 km
9. Tag: Huesca-Canyon La Pablo-Collado de Fedaille-Montserrat-Barcelona, 415 km
10. Tag: Besichtigung von Barcelona
11. Tag: Stadtteil San Joan-Barcelona Hafen, 25 km; Schiffspassage
12. Tag: Genua-Sospel-Col du Turini-Ligurische Grenzkammstraße-Cuneo, 305 km
13. Tag: Cuneo-Mailand-Como-Lecce-Apricapaß-Ponte di Legno, 455 km
14. Tag: Ponte di Legno-Gaviapaß-Stilfser Joch-Meran-Timmelsjoch-Innsbruck-Salzburg, 490 km.
 
Allgemeines:
Die Pyrenäen sind eine rund 430 km lange Gebirgskette, die die Iberische Halbinsel vom übrigen Europa trennen und zwischen dem Atlantischen Ozean im Westen (Golf von Biskaya) und dem Mittelmeer im Osten (Golf de Lyon) liegen. Sie entstanden wie die Alpen vor rund 50 bis 100 Millionen Jahren im Tertiär. Die Staatsgrenze zwischen Frankreich und Spanien folgt im Wesentlichen dem Gebirgskamm. Mitten in den Pyrenäen liegt auch der Zwergstaat Andorra.
Höchster Berg ist der Pico de Aneto mit 3404 m und es gibt rund zweihundert weitere Gipfel mit über 3000 m. Die höchsten Berge sind meist noch vergletschert, wenn auch seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts ein starker Rückgang der Gletscher zu beobachten ist.
 
Einreise:
In Zeiten der EU kein Thema, allerdings besteht Ausweispflicht für jeden EU-Bürger. Sowohl in Spanien als auch in Andorra und Frankreich bezahlt man selbstverständlich mit Euro.
Wer viel Zeit hat, kann eine An- und Rückfahrt auf eigener Achse durch die Alpen unternehmen. Deren Schönheit kann man aber nur dann genießen, wenn man nicht die Autobahnen benützt, sondern auf Bundesstraßen fährt. Wenn die Urlaubszeit knapp bemessen ist, empfiehlt sich eine An- und Heimreise mit dem Zug oder per Fähre.
Von Norddeutschland besteht die Möglichkeit, mit dem Autoreisezug nach Narbonne anzureisen. Verlademöglichkeiten gibt es in Berlin/Wannsee, Hamburg/Altona, Frankfurt, Neu-Isenburg, Düsseldorf und Hannover sowie im grenznahen Straßbourg. Die Preise betragen ab 450 Euro hin und retour pro Mann und Maschine. Verlade- und Abfahrtszeiten unter www.db-ag.de
Wir reisten mit der dreimal wöchentlich verkehrenden Fähre von Genua nach Tanger an, die in Barcelona Zwischenstation macht. Die italienische Reederei GNV (Grand Navi Veloci) verlangt pro Person und Motorrad hin und retour ab 190 Euro (je nach Saison). Verlade- und Abfahrtszeiten unter www.gnv.it .
 
Reisezeit:
Die beste Reisezeit in den Pyenäen ist der niederschlagsarme Spätsommer, bzw. der Herbst, weil in diesem Zeitraum nach dem heißtrockenen Sommer die Temperaturen nicht mehr ganz so hoch liegen und mit Regen auch nur in Antlantiknähe gerechnet werden muss.
 
Verkehrsbestimmungen:
Spanien: innerorts 50 km/h, Freilandstraße 90 km/h, Schnellstraße 100 km/h, Autobahn 120 km/h. Sturzhelmpflicht.
Frankreich: Geschwindigkeit innerorts 50 km/h, auf Landstraßen 90 km/h, auf der Route National 110 km/h und auf Autobahnen 130 km/h.
 
Treibstoff und Pannen:
Die Benzinversorgung ist flächendeckend gewährleistet, innergebirg jedoch können zur Mittagszeit Tankstellen geschlossen sein. Der Sprit war zum Zeitpunkt unserer Reise nur in Andorra mit 1,18 Euro billiger als in Mitteleuropa (Frankreich 1,59 Euro, Spanien, 1,45 Euro; Stand September 2011).
 
Übernachtung:
Obwohl gerade Frankreich bekannt für hohe Übernachtungskosten ist, bezahlten wir im Schnitt nur um die 35,- Euro pro Nacht mit Frühstück. Sowohl in Spanien als auch in Frankreich finden sich Hotels, Pensionen und auch Campingplätze nicht nur in ausreichender Zahl, sondern auch in allen Preisklassen. Für gehobene Ansprüche gibt es auf spanischer Seite die Paradore. Das sind Hotels in ehemaligen Prunkbauten, allerdings ausschließlich im Hochpreissegment.
 
Kulinarisches:
Die Küche in den Pyrenäen ist vor allem im Hochgebirge von deftigen Eintöpfen, Schafskäse, Wild und Fischen geprägt. Auf baskischer Seite stehen auf jeder Speisekarte Austern, Trüffelpilze, Gänseleberpastete und Pfefferschotenomelette. Sehr beliebt sind auch Boulet a la Basquise, in Paprika, Zucchini und Tomaten geschmorte Hühnchen. Oder Magret de Canard, eine in Pfirsichsauce geschnittene Entenbrust.
Die spanischen Basken hingegen lieben Kokoxtas, Kiemenbacken vom Kabeljau oder Seehecht in Öl oder Knoblauch zubereitet. Migals al Pastor sind geröstete Brotwürfel, die mit Trauben und kleinen Hartwurststückchen verfeinert werden. Zum Nachtisch gibt es fast überal den frischen Schafskäse.
Bekannte Pyenäenweine sind die roten Coulliore und Banyuls sowie die weißen Jurancon und Txacoli. Die einheimischen spanischen Biere (San Miguel, Cruzcampo) sind deutlich teurer als in unseren Breitengraden.
Gerade Frankreich ist für seine Küche weltbekannt. Ein alter Spruch behauptet: Ein Europäer hat in der selben Zeit schon gegessen, in der ein Franzose überlegt, welche Speise er in wievielen Gängen zu sich nimmt. Die berühmteste Spezialität Frankreichs ist die Bouillabaisse, eine Fischsuppe, die die drei Fischarten Rascasse (Drachenkopf), Grondin (Knurrhahn) und Congre (Seeaal) enthalten muß. Eine weitere Spezialität ist die Aioli, eine mit Knoblauch abgeschmeckte Mayonaise. Natütlich diverse Mittelmeerfische oder der Zwiebelkuchen Pissaladiera.
Groß ist die Auswahl der Weine, vor allem des hauptsächlich in den Seealpen angebauten Rosé. Da Weine besser zur französischen Küche passen, sollte man ruhig die verschiedenen Sorten probieren, zudem ist hier der Wein billiger als das uns geläufige Bier.
 
Sprache:
Obwohl Kastilisch die offizielle Sprache Spaniens ist, wird in den Regionen der Westpyrenäen hauptsächlich baskisch gesprochen. Dabei wirdein französischer Baske den spanischen Basken kaum verstehen, weil die Dialekte von Tal zu Tal variieren. Allerdings hat der kulturelle Zusammenhalt nie darunter gelitten.
Einzig in den Zentralpyrenäen Spaniens herrscht Kastlillisch vor, während im Osten die Kartalanen schon wieder Wert auf ihr eigenes Idiom legen. In Andorra ist Cantala sogar die offizielle Amtssprache. Wir hatten aber keinerlei Probleme, mit den paar Brocken Schul-Spanisch und -Französisch - die wir beherrschten - über die Runden zu kommen. Und mittlerweile wird auch in diesen Ländern Englisch als Touristen-Konversation akzeptiert!
 
Geschichte Pyrenäen:
Die Pyrenäen entstanden wie die Alpen vor rund 50 bis 100 Millionen Jahren im Tertiär. Einer der bedeutendsten Pyrenäenforscher war der französische Alpinist Franz Schrader (1844-1924). Er hat verschiedene bedeutende Massive der Pyrenäen kartiert, besonders bekannt wurde er für die Erforschung der Cirque de Gavarnie neben Henry Russell. Schrader war der Erstbesteiger der Grand Bachimale (3144 m), der ihm zu Ehren Pic Schrader benannt wurde.
Europas älteste Funde menschlichen Lebens wurden großteils auf der Iberischen Halbinsel (Altamira) und im Süden Frankreichs gefunden. Schädelfragmente aus einer Höhle bei Tautavel belegen, daß erste Vertreter des homo erectus bereits vor 450.000 Jahren in Südfrankreich lebten. In der Stein- und Eiszeit begründete sich die Bewohnung dieser Landstriche wohl darin, dass die gewaltigen Eismassen, die damals nahezu ganz Europa bedeckten, nicht bis zu den Pyrenäen reichten. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es in diesen Breitengraden wärmer und deshalb nicht so lebensbedrohend für die Frühmenschen war. Die von uns besuchte Höhle von Niaux liegt im Tal von Vicdessos, die Kunstgestaltung an den Höhlenwänden wird mit etwa 13.500 bis 12.500 Jahren angegeben. Die Zeit der Malereien fällt somit ins Magdalénien, also in eine Phase der jüngeren Altsteinzeit.
Aus der Zeit vor der Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Römer gibt es Fundorte mit Artefakten aus der Jungsteinzeit und der Kupfersteinzeit. In dieser Epoche wurden die Pyrenäen auch erstmals schriftlich erwähnt, und zwar von den Karthagern im 2. Punischen Krieg. Denn auch sie mussten von Hannibals Heer aus Karthago kommend überquert werden. Und es darf davon ausgegangen werden, dass diese Überquerung nicht minder anstrengend war wie die Überquerung der Alpen bei Turin.
Nach den Römern kamen die Mauren ins heutige Spanien. Doch auch für sie bedeuteten die Pyrenäen die nördlichste Grenze ihrer Expansion. Außer vereinzelten Raubzügen kamen sie nur selten auf heute französisches Territorium.
Zwar bildeten die Pyrenäen stets eine natürliche Grenze zwischen den französischen und den iberischen Territorien, dennoch boten die Berge nicht immer jene Sicherheit gegen Angriffe der jeweiligen Feinde, die sich die Untertanen und ihre Herrscher wünschten. Deswegen finden sich im gesamten Pyrenäenraum zahlreiche Festungsanlagen. Da das Gebirge von großen Heeren nicht leicht überschritten werden konnte, finden sich diese vor allem an der Mittelmeer- und an der Atlantikküste. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts spielte zudem Schmuggel eine wichtige Rolle.
 
Geschichte Barcelona:
Barcelona ist die Hauptstadt Kataloniens und zweitgrößte Stadt Spaniens. Sie liegt direkt am Mittelmeer, circa 120 Kilometer südlich der Pyrenäen und der Grenze zu Frankreich. Im Einzugsbereich der Metropole leben rund 5 Millionen Menschen.
Die Geschichte Barcelonas begann vor rund 2000 Jahren mit der iberischen Siedlung Barkeno. Ihre leicht zu verteidigende Lage auf der Küstenebene zwischen dem Collserola-Kamm und dem Mittelmeer hat die Bedeutung dieser Stadt durch alle Zeiten sichergestellt. Über die Ursprünge von Barcelona hingegen ist nur wenig bekannt. Aus der Zeit vor der Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Römer finden sich auf der Ebene Barcelonas Artefakte aus der Jungsteinzeit und der Kupfersteinzeit. 218 v. Chr., am Beginn des Zweiten Punischen Krieges, wurde die Gegend von den Karthagern unter der Führung Hannibal Barkas' erobert und Barkenon oder Barci Nova genannt. Diese militärische Besetzung wird oft als Gründung von Barcelona bezeichnet.
Es gibt aber zumindest zwei Versionen über die Gründung Barcelonas. Die zweite (aus dem Reich der Mythen) behauptet, dass der Halbgott Herakles die Stadt um 1150 vor Christus gegründet hat. Während einer seiner Arbeiten schloss sich Herakles Jason und den Argonauten bei ihrer Suche nach dem Goldenen Vlies an. Als eines der Schiffe wegen eines Sturmes an der katalanischen Küste verloren ging, machte der Held sich auf die Suche danach und fand es bei einem kleinen Hügel. Dieser sei von der Schönheit der Gegend so fasziniert gewesen, dass er eine Stadt namens Barca Nona gründete.
Es gibt nur wenige Informationen über den Zeitraum zwischen 218 vor Christus bis zur Zeitenwende. Die römische Republik übernahm in weiterer Folge die Kontrolle über den Landstrich und eroberte danach die restliche Iberische Halbinsel in den Kantabrischen Kriegen. Am Ende des fünften Jahrhunderts begann sich der Fall des weströmischen Reiches durch einige schwere Angriffe germanischer Völker abzuzeichnen, die sich jedoch nie über einen längeren Zeitraum auf der iberischen Halbinsel festsetzten.
Die Truppen der Mauren erreichten die iberische Halbinsel um 700. 717 ergab sich Barcelona und wurde dadurch vor größerer Zerstörung bewahrt. Die Herrschaft der Mauren in Barcelona dauerte weniger als ein Jahrhundert. Die Kathedrale wurde in eine Moschee umgewandelt, und die Steuern für Andersgläubige wurden erhöht. Der Sohn Karls des Großen eroberte 801 Barcelona nach einer mehrmonatigen Belagerung zurück.
Durch weitverzweigte dynastische Verbindungen sowie Eroberungen wurde sie im Hoch- und Spätmittelalter zur führenden Macht des westlichen Mittelmeerraumes. Die Hochzeit von Ferdinand von Aragonien mit Isabella von Kastilien im Jahre 1469 vereinigte die zwei Königsgeschlechter Spaniens. Dadurch verlagerte sich das politische Zentrum nach Madrid. Darüber hinaus musste Barcelona, wie viele Städte am Mittelmeer, einen gewaltigen Handelsrückgang und Bedeutungsverlust durch die Entdeckung Amerikas hinnehmen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung und wurde ein Zentrum der industriellen Entwicklung Spaniens. Der Wohlstand der Stadt führte auch zu ihrer Wiedergeburt als kulturelles Zentrum.
Mit dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs im Juli 1936 kam es in der Stadt dann zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anarchisten und Linksmarxisten einerseits und Kommunisten und Sozialisten andererseits. Im Jahr 1938 war Barcelona das Ziel zahlreicher schwerer Luftangriffe durch die Aufständischen, an denen sich auch deutsche Flugzeuge der Legion Condor beteiligten.
Der massive Widerstand Barcelonas gegen den Putsch Francos hatte nach der Niederlage der republikanischen Regierung verheerende Folgen für Katalonien. Die autonomen Institutionen der Region wurden abgeschafft und der Gebrauch der katalanischen Sprache in der Öffentlichkeit, der Ausbildung und dem Verlagswesen unterdrückt. Der Tod Francos im Jahr 1975 führte zu einer Demokratisierungsbewegung in Spanien, die insbesondere auch in Katalonien breite Unterstützung fand. Im Jahr 1977 wurde per Gesetz der Autonomiestatus Kataloniens wieder eingerichtet.
 
Kartenmaterial:
DuMont 1:200.000, Nachweis: DuMont Reiseführer Pyrenäen.
 
© Peter Winklmair