Als Südtirol noch bei Österreich war
Unser langjähriger Ex-Präsi Peter des MSC St. Leonhard ist recht versiert in der Geschichte des alten Österreichs, die untrennbar verbunden ist mit dem 1. Weltkrieg. Denn am Ende dieses Krieges zerfiel die Donaumonarchie in viele kleinere Staaten und unzählige Frontwege, Nachschubstraßen, aber auch Straßensperren und Militärforts existieren heute noch als Zeugen dieser schrecklichen Zeit. Er fuhr in mehreren Etappen entlang der ehemaligen Frontverläufe - im heutigen Italien bzw. Slowenien - und läßt die Geschichte nun Revue passieren.
© Autor, Fotos und Text: Peter Winklmair
 
Viele Namen belegen was mit dem "Alten Österreich" gemeint ist: Habsburger Reich, Donaumonarchie oder Österreich-Ungarn, wie es zuletzt genannt wurde. 622.000 qkm2 umfaßte dieses Großreich bei rund 50 Millionen Einwohnern. Als Italien im Mai 1915 in den 1. Weltkrieg eintrat, rückte die Tiroler und Kärntner Grenzregion in das Zentrum eines Krieges, der die europäische Landkarte zerreißen sollte wie nie zuvor. Mit unvorstellbarer Zähigkeit und Ausdauer begegneten sich die beiden Kontrahenten Italien und Österreich-Ungarn im ewigen Eis bis zu 4.000 m Höhe, auf einsamen Gipfeln und Graten, in unterirdischen Tunnels und Höhlensystemen, aber auch auf wildromantischen, ausgesetzten Straßen.
 
Den Einstieg zu unserer Tour bildet Landeck im Westen Tirols und der Finstermünzpaß mit seinen eng an die Felsen geschmiegten Kurven gibt uns Gelegenheit sich einzuschwingen. Gleich nach der heutigen italienischen Grenze können wir den Reschensee erkennen. Der aus dem Wasser ragende Kirchturm erinnert daran, daß diesem künstlich angelegten See einst ein ganzer Ort weichen mußte. Die hinter dem See rechts und links der Straße vereinzelt sichtbaren Kuppelforts hingegen stammen aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die ließ der italienische Diktator Mussolini bauen, weil er Angst hatte, dass ihm irgendwann das erst 1919 zugesprochene Südtirol wieder abspenstig gemacht werden könnte. Dann geht es den Reschenpaß hinab und hinter Gomagoi folgt ein erster Höhepunkt, die Auffahrt zum Stilfser Joch. Die bereits 1826 von den Österreichern erbaute Hochalpenstraße zählt bei nahezu unveränderter Trassenführung nach wie vor zu den interessantesten Bergstrecken, allerdings nur an Wochentagen. An Wochenenden (vor allem in der Hauptsaison) ist von einer Befahrung wegen des extrem hohen Verkehrsaufkommens unbedingt abzuraten.



Das Stilfser Joch - 87 nummerierte Kehren führen zu dem mit 2.758 m höchsten Punkt des Paßes - früher nach dem österreichischen Thronfolger auch Ferdinandshöhe genannt.
Der Ausblick von der etwas höher gelegenen Dreisprachenspitze ist wirklich gigantisch, vor allem auf den Ortler- und Fornogletscher, die beide zwischen 1915 und 1918 im Brennpunkt des Kriegsgeschehens lagen. Denn hier verlief die Grenze zwischen Italien und der Donaumonarchie und zur besseren Deckung waren die Gletscher durchzogen von unzähligen Stollen.
Der Tiroler Leo Handl - sein Name ist heute fast vergessen - hatte diese für damals geniale Idee, Stollen ins Eis zu treiben. Er erfand das dazu nötige Werkzeug und rettete somit tausenden Soldaten das Leben. Den Nachschub für die Frontsoldaten trugen Kriegsgefangene zu Fuß (!) über die Stilfser-Joch-Straße hinauf, Geschütze wurden zerlegt und in Teilen getragen oder auf Schlitten gezogen und auf den Gipfeln wieder zusammengebaut. Noch heute nach 80 Jahren apern die Gletscher altes Kriegsmaterial aus. Doch Vorsicht - Sprengmittel oder Munition sind heute noch scharf!
Die Torre-di-Fraele-Straße.
Entlang eindrucksvoller Wasserfälle im Wormser Loch und durch unbeleuchtete Lawinengalerien windet sich die Paßstraße nun hinab nach Bormio, von wo es zuerst über die Torre-di-Fraele-Straße hinauf zu den gleichnamigen Seen geht. Etwas geländetauglich sollte der fahrbare Untersatz schon sein, damit man auch etwas abseits der Seen die eine oder andere Stichstraße antesten kann. Aber die sagenumwobene Hohlwegabfahrt nach Livigno - in den 60er Jahren noch Teil der Sonderprüfung bei den Silbervasen-Enduromeisterschaften - bleibt defintiv nur mehr den trittsicheren Wanderern bzw. Mountainbikern vorenthalten. Auch der Übergang zur Stilfserjoch-Straße (an das untere Ende des Wormser Loches) wurde ein für allemal unter einer Steinlawine begraben.
Wieder zurück im Tal gilt es den Lenker Richtung Livigno zu halten. Und ganz unscheinbar in einer Kehre des Passo Fascagno biegt sie ab, die Straße über den durchgehend geschotterten Passo Vervia. Den Einstieg ziert zwar eine riesige Fahrverbotstafel, allerdings mit dem kleinen Zusatz "Befahren auf eigene Gefahr". Auf dem Scheitelpunkt entdeckt das geschulte Auge MG-Kavernen und manchmal sogar Stacheldrahtverhaue aus dem 1. Weltkrieg. Grober Schotter und enge Kehren mahnen eben zu vorsichtiger Fahrweise.



Passo Vervia.
Zurück auf die Hauptstraße kommt nun unterhalb von Bormio, von wo es gleich weitergeht ins Valfurva auf den 2.618 m hohen Gaviapaß. Der als Nachschubweg erbaute Passo Gavia war bis vor ein paar Jahren ein absoluter Leckerbissen - nicht nur landschaftlich, auch fahrerisch. Er wurde aber wegen eines Erdrutsches über die Hauptverbindungsstraße bei Tirano durchgehend asphaltiert und hat dadurch einiges an seiner Faszination verloren, stellt aber mit seinen 28 z. T. ungesicherten Kehren noch immer eine herausragende Fahrt dar.




Die alte Schotterpiste auf den 2618m hohen Gaviapaß, bevor er asphaltiert und mit Tunnelverbauten auf ewige Zeiten kastriert wurde.

Vom Gavia wieder im Tal wenden wir uns nach Edolo und fahren dann nach Breno. Zwar befindet man sich hier nicht im unmittelbaren ehemaligen Frontverlauf, sondern im italienischen Nachschubbereich, aber auch hier gibt es interessante ehemalige Kriegssträßchen. Zuerst erklimmen wir inmitten anmutiger Almen den Passo Croce Domini, zweigen dann ab zum teilweise geschotterten Giogo delle Bala und ab dem Passo del Dosso Alto führt der ehemalige Nachschubweg kühn trassiert durch steiles Felsgelände. Doch es soll noch beeindruckender werden. Nach dem malerischen Lago di Idro freuen wir uns auf den Tremalzopaß. Und wenn vom Tremalzo gesprochen wird, meinen Bergfahrer die äußerst gewagte Trassenführung auf durchgehend ungeteerter Straße an der Südseite.
Ein absoluter Leckerbissen ist die südseitige Auffahrt auf den Tremalzo.
Die extrem engen Kehren liegen z. T. notdürftig abgesichert übereinander und schlängeln sich dicht aufeinanderfolgend bergwärts. In manchen ausgesetzten kann man bis zu 10 oder 15 weitere nach unten zählen. Einige liegen so knapp hintereinander, daß man kaum Platz zum Ausholen des Kurvenradius hat. Gegenverkehr wird zu einem Balanceakt, vor allem wenn es sich um einen ängstlichen Autofahrer handelt. Nach Unwettern hingegen ist die Fahrbahn des öfteren unterbrochen, auch die Tunnels sind nicht selten blockiert und verhindern ein Weiterkommen.



Abfahrt über den Notapaß.
Die Krönung hingegen ist eine Abfahrt über den Notapaß, gerade lenkerbreit und in den Tunnels muß man schon mal den behelmten Kopf einziehen. Denn die asphaltierte Nordabfahrt des Tremalzo haben wir demonstrativ ausgelassen. Allerdings sind der Tremalzo- und Notapaß bereits seit einiger Zeit für motorisierte Bergfahrer gesperrt. Das Zauberwort für eine Befahrung lautet "Genehmigung". Wenn ihr wissen wollt wie man die erhält, wendet Euch an den Autor dieser Zeilen. Dabei ist es ratsam, die Zelte nahe des Gardasees aufzustellen, denn so eine Genehmigung kann möglicherweise dauern.
Doch vorerst erreichen wir den Gardasee und vor uns liegt Riva, die ehemalige Grenzstadt zwischen Österreich-Ungarn und Italien. Riva lag zwischen 1915 und 1918 unter schwerstem italienischen Artilleriebeschuß und in den Resten der ehemaligen Festungsmauern kann man noch heute die Einschüsse der Granaten erkennen. Wir entscheiden uns für die Tremosine als Standort für die Befahrung der zuvor genannten Pässe.
Nachdem uns die beiden Berge das Bikerherz höher haben schlagen lassen, zieht es uns jedoch weiter nach Rovereto, wo wir das Sacrario Militare Castel Dante besuchen. Ursprünglich als Gedenkstätte an den Besuch des Dichters Dante Alighieri im Jahre 1310 in Rovereto errichtet, wurde es 1936 als Grabmahl für 28.000 Gefallene und als Mahnmal für spätere Zeiten umgebaut. Daß bereits 3 Jahre später die entsetzlichen Leiden erneut beginnen sollten, hatte damals wohl niemand gedacht. In unmittelbarer Nähe des Sacrarios findet man noch Deckungskavernen, Frontwege und Laufgräben, sowie das Freilichtmusem Malga Zonta an der Strada Dinosauri.
Direkt an der alten Einmündung ins Vallarsatal am Stadtrand von Rovereto steht ein erbeuteter österreichischer Skoda-Mörser. Für heutige Begriffe ein vorsintflutliches Monstrum, im 1. Weltkrieg jedoch eine moderne, todspeiende und alles vernichtende Waffe. Vorbei an der Einsiedelei von Serrada schlängelt sich die extrem kurvige Straße entlang der Felsen und des Rio Foxi. Bei Pozzachio biegen wir links ab, um das ehemalige Fort Valmorbia zu besichtigen. Fort Valmorbia war das einzige an der gesamten italienisch-österreichischen Front, das von beiden Seiten abwechselnd besetzt wurde. Die Gänge, Stollen, Aufenthaltsräume und Postenausgucke von Fort Valmorbia sind noch heute mit Hilfe einer starken Lampe begehbar - doch Vorsicht, in solch alten Bauten besteht immer Einsturzgefahr!
Zurück auf der Vallarsatalstraße fahren wir weiter bis zum Pian delle Fugazze, von welchem die von den Italienern erbaute "Strada degli Eroi Generali Papa" scharf links auf den Monte Pasubio abzweigt. "Divieto di Transito" warnt eine Tafel, was in Italien nur als "Auf eigene Gefahr" ausgelegt wird. Aber auch hier benötigt man mittlerweile eine Genehmigung oder zumindest einen Berechtigten, der die versperrten Schranken zu öffnen weiß. Und was dann folgt ist nichts für ängstliche Naturen, wenn es gilt notfalls auch hart am Abgrund zu balancieren oder sich an Viehherden vorbeizutasten. Speziell auf den letzten Kilometern bis zum Rif. Porto del Pasubio ist die Straße aus der senkrechten Wand mit Überhängen herausgesprengt, finden wir enge ausgesetzte Kehren und schmale Tunnels vor. Klare Sicht wechselt innerhalb kürzester Zeit mit dichten Nebelfetzen. Diesem Gebirgsstock kam in der Zeit von 1916-1918 eine Schlüsselstellung in dieser Region zu. Wie sehr dieser Berg umkämpft war, bezeugt der k.u.k.-gebräuchliche Beiname "Kaiserjägerhölle", als sich italienische Alpini und österreichische Kaiserjäger gegenseitig in die Luft sprengten. Man sollte sich unbedingt die Zeit nehmen, die "Österreicherplatte" und die "Italienerplatte" - beide in der Zona Monumentale auf dem Gipfelplateau - zu besichtigen. Aufpassen sollte man allerdings bei einem Begehen der unzähligen Stollen. In dem weit verzweigten Labyrinth - speziell auf österreichischer Seite - kann man sich leicht verirren! Teilweise glaubt man, die Kämpfe wären erst vor kurzem beendet worden, soviel Material und Gerät findet man noch in den Stollen und auch hier gilt: Hände weg von Munition!
Ein weiteres Besichtigungsmuß ist die Strada Gallaria, die etwas oberhalb des Rif. Porto del Pasubio endet und vom Passo Xomo heraufsteigt. Sie kann nur zu Fuß begangen werden und zeigt, welche Strapazen die Nachschubträger bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit auf sich nehmen mußten. Aber auch wie einfallsreich Nachschubwege gegen Beschuß getarnt wurden. Auf 6,5 km durchschreitet man 52 Galerien, an deren "Fenster" blickt man nicht selten fast 1.000 m senkrecht hinab ins Vallarsatal!
Die Abfahrt vom Pasubio erfolgt über unzählige Kehren auf der "Strada degli Scarubbi" und bietet immer wieder imposante Ausblicke zu den Hochebenen der Sieben Gemeinden, zur Malga Zonta und bis zum Ortigaramassiv am Val Sugana. Aber vor allem bei Nässe oder Schneeresten ist Vorsicht geboten, ganz schnell artet das Anbremsen einer Kehre in eine Rutschpartie aus. Einen Stein falsch angefahren und ein Abgang im freien Fall ist garantiert.
Über Posina geht es weiter nach Arsiero, ins Val d'Astico und von Pedescala über die sich wie eine Schlange windende Straße hinauf zur Hochfläche der Sieben Gemeinden (Sette Comuni). In Rotzo folgen wir dem Hinweisschild "Monte Verena" über eine vorerst asphaltierte Straße durch dichten Grünwald, später über sattgrüne Almen, bis wir kurz vor der Talstation des Monte-Verena-Sesselliftes in ein schmales geschottertes Sträßchen einbiegen. Vorerst hemmen faustgroße Steine und tiefe Wasserrinnen unseren Vorwärtsdrang, doch je höher wir kommen, desto besser wird dieser ehemalige Nachschubweg zum um die Jahrhundertwende erbauten italienischen Fort Verena. Vorbei an einer verfallenen Mannschaftsunterkunft bemerken wir immer öfter Deckungskavernen und Laufstollen im Fels. Erst in den letzten Kehren erkennt man das majestätische, zugleich aber auch unheimlich anmutende Fort. Es ist noch relativ gut erhalten und etliche - vorwiegend italienische - Besucher sind hier oben, die allerdings per Seilbahn heraufgekommen sind. Unser Blick schweift hinab ins Val d'Assa, hinüber zur ehemals österreichischen Seite. Heute stehen wir da oben Seite an Seite, vor fast 100 Jahren waren unsere Großväter hier erbitterte Feinde.
Wir fahren über die geschotterte Casare delle Mandrielle und die Malga Pusterle hinab ins Val d'Assa nach Ghertele. Dort beginnt unsere Auffahrt zur Erzherzog-Eugen-Straße, die eben dieser Offizier 1916 als Nachschub- und Verbindungsweg erbauen ließ. Denn wir befinden uns wieder einmal auf ehemals österreichisch-ungarischem Hoheitsgebiet. Über die Malga Larici di Sotto zieht sich die Naturfahrbahn entlang des gewaltigen Massivs des Monte Colombaretta di Portule zur Malga Portule, einer damaligen Nachschubbasis für Bergoperationen. Bis hierher wurde die gesamte Verpflegung mittels Pferden oder Kraftfahrzeug über die Erzherzog-Eugen-Straße gebracht. Von hier bis zu den höher gelegenen Lagern oder Posten mußten die Kaiserjäger und -schützen alles selber auf dem Rücken mit Pickel und Steigeisen transportieren.
Rund um die Felsnase des Monte Zovielle kommen wir ins Val di Galmarar und bei einem unscheinbaren Weg an der Malga Galmararetta zweigen wir ab auf den Monte Mosciagh. Wir haben schon lange keine Menschenseele mehr getroffen, nur vereinzelt sind uns ein paar Mountainbiker begegnet. Plötzlich - auf einer sumpfigen Wiese entdecken wir einen alten Soldatenfriedhof. Verwitterte Gräber und schief stehende Kreuze sind stumme Zeugen dieser schrecklichen Zeit, vereinzelt sind noch Namen und Daten lesbar. Blutjunge Menschen liegen fernab ihrer Heimat hier begraben. Betroffen fahren wir weiter, in welch schöner Zeitepoche - zumindest in unseren Breitengraden - leben wir doch jetzt!
Dann lichtet sich etwas der Wald und wieder einmal ruht ein ehemaliges italienisches Fort - Interrotto - im ewigen Schlaf vor sich hin. Interrotto ist nur mehr eine Ruine und stark verfallen, breitet aber gerade abends eine schaurige Aura aus. Unter uns liegt friedlich Asiago, die größte der sieben Gemeinden auf der Hochfläche. Auch in Asiago gibt es ein gigantisches Kriegerdenkmal mit 35 m Höhe, das zugleich letzte Ruhestätte von 25.000 Soldaten ist. Ehemalige Feinde liegen nun friedlich vereint nebeneinander.
Doch uns zieht es weiter durchs Valle Frenzela nach Gallio und Foza über tolle, teilweise übereinanderliegende Kehren hinab ins Brentatal nach Valstagna. Zu gern würden wir bereits hier den Monte Grappa erklimmen, doch nur Wanderwege führen bergauf. Die wenigen befahrbaren Wege werden schon lange nicht mehr instand gehalten und sind höchstens mit einer Trialmaschine passierbar. Während die alte K.u.K.-Armee nach der 1917 langsam versickernden Offensive von hier aus versuchte den Monte Grappa zu bezwingen, wählten wir den bequemeren Weg über die vortrefflich ausgebaute "Strada Cadorna" (benannt nach ihrem Erbauer, dem italienischen Oberbefehlshaber im 1. Weltkrieg), ausgehend von Bassano del Grappa, bekannt auch als Sitz der Firma Dainese Lederbekleidung. Bei der Auffahrt fährt man auch an der Ponte san Lorenzo vorbei. Deren Gedenkstein besagt, daß ein ungarisches Honved-Regiment an dieser Brücke den südlichsten Punkt der Offensive erreichte. Auf dem Gipfel des Monte Grappa wurden sämtliche Verteidigungsanlagen restauriert und sind als Freilichtmuseum zu besichtigen, ein weitverzweigtes Stollensystem führt durch den Berg (Zona Monumentale). Auch hier im Sacrario ruhen an die 24.000 Gefallene und der Rundblick - vor allem der steile Abfall in die Po-Tiefebene - ist beeindruckend.
Karsthöhle und Brücke über den Isonzo.
Nach einem ausgiebigen Rundgang und einem Museumsbesuch fahren wir auf der Strada Cadorna ein Stück zurück und halten uns dann nach Seren del Grappa. Entlang des Monte Pertica und Monte Cismon gehts nun den sanft abfallenden Rücken des Monte Grappa abwärts. Die unzähligen kleinen Tümpel rechts und links der Straße, verstreut über alle Almen sind keine künstlich angelegte Teiche, sondern ehemalige Granattrichter, die sich im Laufe der Zeit mit Wasser gefüllt haben.
Über Feltre gelangen wir nach Belluno und Langarone hinauf zum Vaiontstausee und in die grandiose Vaiontschlucht. Der Damm dieses Stausees brach vor ca. 40 Jahren und begrub weite Teile des Piavetales unter seinen Wassermassen. Am Passo di Osvaldo wurde ein zweiter Staudamm errichtet, der im Wiederholungsfalle die Wassermengen bändigen soll.
Durch die wildromantische Cellinaschlucht führt die gut ausgebaute Straße über Maniago, Sequals, S. Daniela del Friuli nach Tarcento. Vor rund 30 Jahren wütete hier ein schweres Erdbeben und noch immer sieht man einige zerstörte Häuser aus dieser Zeit. Von Tarcento fahren wir über Udine nach Cormons/Sagrado zum größten Mahnmal des 1. Weltkrieges in Redipuglia. 300.000 Gefallene liegen hier, gestorben für ein paar Meter Land, dessen neue Grenzen der amerikanische Präsident Wilson 1919 mit dem Lineal auf der Landkarte willkürlich markierte. Über den Monte San Michele, Brestovica und Opatje Selo fahren wir hinauf zum Slowenischen Karst. Hier tobten zwischen 1915 und 1917 zwölf erbitterte Isonzo-Schlachten und ein wahres Netz an heute zwar verfallenen, aber noch befahrbaren Verbindungsstrassen lassen jedes Enduristenherz höher schlagen.



Grenzkammstraße Richtung Kobarid, vorbei am Mte. Matajur, Kalovrat und Kuk.
Durch das Wippachtal (Vipava) fahren wir zurück nach Nova Goricia und biegen von hier in das Isonzotal ein. Schon die kurvenreiche Hauptstraße entlang der Soca - wie der Isonzo auf slowenisch heißt - ist ein Leckerbissen, aber uns zieht es auf die Höhen, dort wo die Straßen nur mehr einspurig sind. Und wenn´s hoch hergeht, vielleicht gerade noch asphaltiert. Vom Mte. San Gabriele über die Hochfläche von Bainsizza hinunter nach Canale, schnell die Flußseiten gewechselt und hinauf zum Mte. Sabotin. Ähnlich wie im Piemont geht es dann entlang einer 25 km langen Grenzkammstraße Richtung Kobarid. Vorbei am Mte. Matajur, Kalovrat und Kuk, immer wieder versehen mit restaurierten Schützen- und Laufgräben, sowie Unterkünften. Hier schrieb ein junger deutscher Offizier auf Seiten der Österreicher bereits Geschichte, lange bevor er 20 Jahre später als "Wüstenfuchs" bekannt wurde - Erwin Rommel. Untem im engen Tal wurde auch Giftgas eingesetzt und heute bezeichnet man das Isonzotal als das Verdun Österreich-Ungarns. Heute nach so vielen Jahren klingt alles so surreal, doch eigentlich bin ich den vielen Pionieren wohl gesonnen. Haben sie uns doch so viele tolle Bergstraßen hinterlassen.



Ein absoluter Höhepunkt zwischen Kobarid und Flitsch - der Mte. Stol.
Ein absoluter Höhepunkt folgt zwischen Kobarid und Flitsch - der Mte. Stol. Vielen Motorradfahrern absolut unbekannt lernte ich diesen überaus interessanten Schotterpaß durch meinen Freund Hannes Rammer kennen, seines Zeichens Mitglied des MC Gallneukirchen und Autor des Buches "Der Isonzo mit Motorrad erkundet". Enge, steile Kehren schrauben sich auf den gut 2000 m hohen Berg, grober loser Schotter verlangt unseren Reise-Enduros alles ab. Die Abfahrt mündet direkt auf den Uchea- oder Tanameapaß.
Herrliche Kurven führen hinunter nach Zaga ins Isonzotal und es gibt weiterhin ungehemmten Kurvenspaß, einzig das Freilichtmuseum Ravelnik kurz hinter Bovec lockt uns kurz von der Straße zu einem Besuch.
Auf dem Weg zum Predilpaß passiert man das bereits 1881 erbaute österreichische Fort "Flitscher Klause", das noch ausgezeichnet erhalten ist, da es gut geschützt gegen Beschuß hinter einer Felsnase des Monte Rombon liegt. Man kann sich noch ein sehr gutes Bild davon machen, wie Soldaten damals hausen mußten. Auch auf der Paßhöhe des Predil steht eine alte K.u.K.-Straßensperre noch aus der Zeit der napoleonischen Kriege, die jedoch stark beschädigt ist. Zu den Zeiten als diese Zeilen verfaßt wurden, konnte man noch einen Abstecher auf den 2.010 m hohen grob geschotterten Mangarth machen. Meist ist nur eine Fahrspur vorhanden, auf der das Motorrad ein schwer zu kontrollierendes Eigenleben entwickelt. Die grobprofiligen Reifen scharrten über den losen Untergrund, die Gabel taucht mit metallenen Lauten bis zum Anschlag ein und die Federbeine sangen bei jeder Querrinne das Lied vom Dämpfungstod. In engen Kehren bringt man fast keinen Grip auf den Boden und durch stockfinstere Tunnel nähern wir uns den Ziel, der Lahnscharte. An klaren Tagen sah man hier weit hinunter bis ins Drautal von Österreich. Leider ist der Manghart nach einem gewaltigen Erdrutsch nicht mehr befahrbar.



Lawinenreste stoppen die Auffahrt auf den 2010m hohen Mangarth.
Nach der nicht minder schweißtreibenden Abfahrt halten wir uns am Lago di Predil links Richtung Neveasattel und kommen bei Chiusaforte ins Kanaltal. Hier verlief bis 1918 die Grenze zwischen Italien und der Habsburg-Monarchie. Über Pontebba führt dann eine interessanter Paß nach Tolmezzo, und zwar der sich im Verfall befindliche Lanzenpaß (Passo di Lance). Völlig ohne Markierung zweigt eine Forststraße kurz nach dem Scheitelpunkt ab und über einige enge steile Kehren kommt man auf die stark sumpfige xxx-Alm. Sie ist nur nach trockenen Tagen befahrbar, bei Schlechtwetter oder nach Regenfällen versinkt jedes Bike unweigerlich im Morast. Bei Würmlach nahe Kötschach-Mauthen im Kärntner Gailtal stößt man wieder auf die "zivilisierte" Welt. Dafür gibt's auf dem Plöckenpaß wieder Kurven Ende nie. Ganz hartgesottene können ja mal die Bikerstiefel mit den Berghammerln tauschen und auf den Kleinen Pal wandern, so wie ich es schon getan habe. Oben haben die Dolomitenfreunde den vordersten Frontabschnitt exakt nachkonstruiert. Beeindruckend!



Passo Peltinis,
der Endpunkt im Val di Pesarino .
Vor Tolmezzo führt eine grandiose Aussichtsstraße - die Panoramica delle Vette - nach Aurenzo und weiter ins Val di Ansiei, wo die sehr steile Auffahrt zur Losa-Alm auf dem Mte. Forchia wartet. Hohe Geschwindigkeiten sind nicht zu erwarten, deshalb müssen die Ventilatoren der wassergekühlten Maschinen Überstunden machen. Ein paar Kilometer nach der Losa-Alm zweigen wir wieder rechts ab, eigentlich scheint der Weg mitten in der Alm zu versickern, doch 1 Paar Fahrspuren führen weiter. Und plötzlich stehen wir auf dem höchsten Punkt des Passo Peltinis, dessen Endpunkt erst im Val di Pesarino ist. Von dort wenden wir uns den Dolomiten zu, die wir über Cortina d´Ampezzo erreichen. Wir sind wieder im ehemaligen Frontgebiet des Hochgebirges. Die Fahrt zur Drei-Zinnen-Hütte am Fuße der berühmten Drei Zinnen darf dabei ebensowenig fehlen wie der Besuch des Freilichtmuseums auf dem benachbarten Monte Piano. Einige Stunden sollte man sich schon nehmen, um diese landschaftlich beeindruckende Wanderung zu machen. In jahrelanger Arbeit wurden vom Verein der Dolomitenfreunde sowohl österreich-ungarische als auch italienische Unterkünfte, Deckungsstollen, Lauf- und Schützengräben restauriert, bzw. rekonstruiert. Die Straße führt zurück nach Cortina d'Ampezzo auf den Falzareggopaß, einem klassischen Paß der Dolomitenroute. Doch auch hier wurde vor 90 Jahren gekämpft. Zeitzeugen sind die alte österreichische Straßensperre Tre Sassi gleich nach der Abzweigung auf den Passo di Valparole und der in unmittelbarer Nähe des Forts angelegte 500 m lange Goigingerstollen. Bei einer Begehung Taschenlampe nicht vergessen! Für besonders Interessierte bietet sich der Besuch des Col di Lana bei Buchenstein nahe Andraz am Fuße der Falzareggorampe an. Allerdings muß man am Ende der Stichstraße noch ein Stück gehen. Dieser Berg erlangte 1916 traurige Berühmtheit, als sein Gipfel mit 5.500 kg Sprengmittel samt seiner Tiroler Besatzung weggesprengt wurde. Heute ist nur mehr ein blumenblühender Bergrücken zu erkennen.
In Andraz wählen wir den unbekannteren - weil schöneren - Weg über den Fedaiapaß, anstatt das vielbefahrene Pordoijoch zu erklimmen. Pflicht bei jeder Fedaiafahrt ist die Sottogudaschlucht, die sich tief unter der neuen Paßstraße für einige Kilometer durch die Felsen zieht. Achtung - die Abzweigung ist schlecht beschildert. Vom Stausee am Fuße der Marmolada schweift dann unser Blick empor zum Gletscher. Heute ziehen Schifahrer auch im Sommer ihre Spuren, vor 90 Jahren gruben sich die Soldaten ins Eis ein und hausten bei Durchschnittstemperaturen von +4 Grad im Inneren des Eises. Erst nach langen harten Wochen durften sie kurz ins Tal zu Erholung. Viele starben nicht durch Kugeln, sondern durch Erfrieren oder stürzten in Gletscherspalten.
In Canazei verlassen wir nun endgültig das ehemalige Kriegsgebiet und erreichen übers Sellajoch das berühmte Grödner Tal. Ein letztes Relikt der K.u.K.-Monarchie begegnet uns in Chiusa (Klausen) in Form einer riesigen Kaserne, von welcher früher der gesamte Nachschub an die einzelnen Frontregionen in den umliegenden Bergen erging. Wie gut früher gebaut wurde, beweist die Tatsache, daß diese Kaserne noch bis vor kurzem vom italienischen Militär benutzt wurde. Über den Brenner kommen wir nach Innsbruck, wo unsere geschichtliche Reise in die letzten Tage der Habsburg-Monarchie endet.
Wie vergeblich und vor allem sinnlos das Treiben der Soldaten anfangs des 20. Jahrhunderts gerade in diesem Abschnitt war, zeigt uns die Geschichte. Südtirol und das Trentino mußten 1919 an Italien abgetreten werden, Slowenien schloß sich dem jugoslawischen Vielvölkerbund an und aus dem einstigen Großreich der Habsburger - das von der Ukraine bis zur albanischen Grenze reichte - wurde das kleine Österreich, wie wir es heute auf der Landkarte kennen.
 
© Peter Winklmair

 
REISEINFORMATIONEN
Reisezeit:
Vom Frühling bis zum Spätherbst, als Fahrtdauer sollte man mindestens 1 Woche einplanen. Wir fuhren diese Tour allerdings auf drei Etappen, als gesamt 3 Wochen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß manche Streckenabschnitte mit Naturfahrbahn im Frühjahr noch nicht oder im Herbst nicht mehr schneefrei sind. Auch nach Regenperioden ist mit Behinderungen oder gar Unpassierbarkeit zu rechnen.
Die Tour kann auch (bedingt) mit Straßenmaschinen bewältigt werden, das Motorrad darf aber seinem Besitzer in keiner Weise leid tun. Bei einigen Abschnitten (Tremalzo, Pasubio, Monte Verena und Monte Mosciagh) sollte man mit einem Straßenboliden allerdings schon ein großes Maß an Routine oder Schottererfahrung mitbringen.
 
Einreisebestimmungen:
In Zeiten der EU kein Thema mehr. Auch die diversen bilateralen Grenzübergänge zwischen Italien und Slowenien sollten schon bald der Vergangenheit angehören.
 
Währungen:
Obwohl in Slowenien noch der Tolar als Währung gilt, werden überall Euro genommen.
 
Verkehrsvorschriften:
Innerorts: Österreich und Italien 50 km/h, Slowenien 60 km/h.
Außerorts: Slowenien 80 km/h, Italien 90 km/h, Österreich 100 km/h
Schnellstraße/Autobahn: Italien 100/130 km/h, Slowenien 100/120 km/h, Österreich 130 km/h
Vorsicht in Österreich, dort wird mit Radarpistolen gemessen und sofort abkassiert!
Uns erwischte es aber in Slowenien, wo die Geräte allerdings noch herkömmlich am Kühlergrill eines Fahrzeuges montiert sind.
Sturzhelm- und Abblendlichtpflicht auch am Tage in allen 3 Ländern. Bei einem Unfall immer die Polizei verständigen!
 
Tankstellennetz:
Die Versorgung ist in allen 3 Ländern auch mit bleifreiem Benzin problemlos, in Italien ist Benzin jedoch sehr teuer, in Slowenien dagegen recht günstig, daher ist in Slowenien an den Tankstellen in Grenznähe mit Wartezeiten zu rechnen (Treibstofftourismus). Öffnungszeiten der Tankstellen durchwegs bis 19 Uhr.
 
Unterkünfte:
Außer den Campern empfehlen wir nicht immer in den großen Touristenzentren zu übernachten (z. B. direkt am Gardasee oder in den Dolomiten). Nur wenige Kilometer abseits finden sich bereits herrliche und vor allem kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten. Im Vallarsatal nur 20 km von Rovereto kostete eine Übernachtung mit Frühstück + Abendessen Euro 30,- pro Person, fast denselben Preis zahlten wir auch nahe Kobarid/Slowenien (Euro 27,-! Zudem bieten die Alberghas meist auch eine kostenlose versperrbare Unterbringung fürs Motorrad an. Und wenn einmal nicht, Italien in diesem Breitengrad ist nicht Italien, wie wir der Story entnehmen konnten.
Da sehr viele Landstriche unserer besprochenen Tour bis 1918 zu Österreich-Ungarn gehörten, wird noch heute teilweise deutsch gesprochen.
 
Pannenhillfen:
Jeder Motorradfahrer sollte immer ein gewisses Quantum an gutem Werkzeug mitführen, der Reifenpilot für die Schotteretappen jedoch ist Pflicht! Sollte doch einmal etwas zu Bruch gehen, so kann fast jede kleine Werkstatt helfen. Gerade die slowenischen und italienischen Mechaniker sind wahre Meister im Improvisieren. In jeder größeren Stadt gibt es zudem Markenhändler und -werkstätten.
 
Karten- und Geschichtsmaterial:
Wir fuhren größtenteils mit der Kompaßkarte Südtirol - Dolomiten im Maßstab 1:250.000. Bei den Schotteretappen, in Slowenien und bei den Besichtigungen zu Fuß verwendeten wir die Kompaß-Wanderkarten 1:50.000.
Geschichtlich führten uns die "Schauplätze des Gebirgskrieges" von W. Schaumann, sowie "Krieg in den Alpen 1915-18" von H. Lichem und natürlich der altbewährte Denzel-"Alpenstraßenführer".
© Peter Winklmair